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BB 2018, I
Zumkeller 

Arbeitsrecht im neuen Koalitionsvertrag aus Arbeitgebersicht

Abbildung 1

Es wäre zu einfach, auf den Koalitionsvertrag bloß zu schimpfen. Nicht zuletzt, weil er nach vier Jahren “Vorarbeit” in der GroKo und wochenlangem Verhandeln in der neuen Legislaturperiode eigentlich ein “großer Wurf” hätte werden können: Zukunftsthemen endlich angehen, langfristig denken, handeln und regeln. Die Überschrift verheißt dies auch – “ein neuer Aufbruch” und “eine neue Dynamik”.

Was das Arbeitsrecht angeht, sucht der geneigte Leser nach alledem indes vergeblich. Ich will nun aber nicht, wie eingangs versprochen, Schelte üben über ein “weiter so”, das uns hinsichtlich etwa der Befristung Jahrzehnte zurückwerfen wird, Entgelttransparenzgesetz und Frauenquotengesetz als administrative Monster eher weitergetrieben werden und das Versprechen der Entbürokratisierung ein leeres ist – allein schon, wenn man den abzusehenden Transaktionsaufwand in den vorgesehenen “Experimentierspielräumen” zur Arbeitszeit betrachtet, zu deren Nutzung neben Tarifvertrag zwingend Betriebsvereinbarung und Einverständnis des Beschäftigten treten sollen. Suchen wir besser nach dem, was nicht im Koalitionsvertrag steht – und hinsichtlich eines zukunftssicheren, praktisch umsetzbaren Arbeitsrechts doch so nötig wäre:

Es fehlt ein Arbeitsrecht für die Matrix. Die Matrix ist nicht nur in großen Konzernen, sondern auch im Mittelstand angekommen. Uns fehlt hier Rechtssicherheit in hohem Maße: Während der öffentliche Dienst sich qua gesetzlicher Regelung sozusagen “selbst bedient”, indem die Personalgestellung als Arbeitnehmerüberlassungsform privilegiert wird, wird dies Privatunternehmen eines Konzerns – selbst wenn sie durch denselben Tarifvertrag gebunden sind – verwehrt.

Es fehlt ein Arbeitsrecht für Vereinfachungen. Längst sind Gesetzestexte immer und überall online verfügbar – und dennoch, bis auf Ausnahmen, gilt bei den meisten “aushangpflichtigen Gesetzen” wortwörtlich das – die (physische) Aushangpflicht. Während die Tarifregister längst bitten, nur noch elektronische Tarifverträge einzureichen, hinkt das Gesetz mit der Vorschrift, “Abschriften” einzureichen, nach. Wo schneller und unkomplizierter Einsatz von Technik möglich wäre, etwa dem Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher (ich spreche hier nicht von dem zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wohlgemerkt!), ist Schriftform erforderlich.

Es fehlt ein Arbeitsrecht für die “Zusammenarbeit 4.0” der Betriebspartner. Video-Konferenzen sind längst etabliert, nach Betriebsverfassungsgesetz wohl aber unzulässig. Elektronische Wahlen – ein Instrument, um die Belegschaften wieder zu aktivieren, wie mutmaßlich auch elektronische Betriebsversammlungen – sind unzulässig. Dass freilich auch § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht auf seinen Zweck zurückgeführt werden soll, nämlich beabsichtige Leistungs- und Verhaltenskontrolle zu regulieren statt Innovationen zu hemmen und Sachverständigen nimmer versiegender Quell von Einnahmen zu sein, wird dabei wie selbstverständlich “übersehen”.

Anstatt einfacher und weniger bürokratisch zu werden, finden wir im Koalitionsvertrag gleich noch ein paar neue Schwellenwerte. Zwar lesen wir erfreut im Kapitel zum Bürokratieabbau “Vereinheitlichung von Grenz- und Schwellenwerten”, aber das wird dann nicht so ernst genommen, wenn ein neuer Teilzeitanspruch ab Schwellenwert 46 eingeführt werden soll. Und weil's so schön ist: Neuer Schwellenwert bei neuen Restriktionen bei der Befristung, Reglementierung ab 75 Arbeitnehmern.

Bevor es zu sehr in die Vertragsschelte übergeht: Entbürokratisierung täte tatsächlich not. Da gibt es z. B. den Ansatz, das “vereinfachte Wahlverfahren” für Betriebsräte auf Betriebe bis zu 100 Arbeitnehmer nutzbar zu machen. Warum eigentlich nur bis 100 Arbeitnehmer? Wieso nicht eine Wahlvereinfachung für alle Betriebe? Auch wird eine Gleichsetzung von “Risikoträgern” i. S. d. InstitutsvergütungsVO mit Leitenden Angestellten i. S. d. KSchG angesprochen, wenn das Dreifache der Beitragsbemessungsgrenze überschritten wird. Warum diese Vereinfachung nicht schlicht für alle Arbeitnehmer? Und es wird für Künstler und Fußballer eine längere Dauer der Befristung ohne Sachgrund erwogen. Manch ein Zuseher oder Fan wäre froh, wenn hier eher über Verkürzungen der Laufzeiten statt über deren Verlängerung nachgedacht würde.

Nein, es ist ein wenig traurig, was man zu lesen bekommt im neuen Koalitionsvertrag. Er atmet nicht den Geist künftiger Bedarfe. Er atmet eher etwas schwer und in den letzten Zügen. Das sieht man auch, wenn man liest, “die Tarifpartner sollen Vereinbarungen zu mobiler Arbeit treffen”. Nun, das tun sie. Der Metallabschluss 2018 beinhaltet genau dies. Der Abschluss erfolgte am 6.2.2018. Pech für die Gestalter des GroKo-Vertrages, der einen Tag später stand. Nur ein Tag, was aber bedeutet: nicht Vorreiter und Wegbereiter, sondern Nachzieher.

Aber was dürfen wir noch hoffen? Bitte: wenigstens praktische Umsetzbarkeit! Klare Definitionen von Betrieb, Arbeitgeber, Headcount oder fulltime equivalents bei den Geltungsbereichen der Gesetze. Keine Schaffung von Bürokratiemonstern wie dem Entgelttransparenzgesetz. Vielleicht doch ein wenig von “one in one out”. Wie gesagt, die Hoffnung bleibt, denn es ist der neuen Regierung nicht untersagt, auch Gesetze zu beschließen, die nicht im GroKo-Vertrag angekündigt wurden.

Alexander R. Zumkeller, MBA, RA, Wirtschaftsmediator, ist Präsident des Bundesverbandes der Arbeitsrechtler in Unternehmen (www.bvau.de), der branchenübergreifenden, personenbezogenen und bundesweit tätigen Vereinigung für Arbeitsrechtler in Unternehmen. Nach 20 Jahren in Arbeitgeberverbänden, zuletzt als Geschäftsführer tätig, ist er seit 2007 bei ABB und heute dort Head of HR Policies ABB Deutschland, Deputy Global Head of Labour Relations sowie Global Lead CoE Labour Law.

 
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