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BB 2017, I
Wenzel 

Das neue Entgelttransparenzgesetz bringt Firmen in ernsthafte Schwierigkeiten

Abbildung 1

Anfang Juli ist das Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern (Entgelttransparenzgesetz – EntgTranspG) in Kraft getreten. Das Gesetz, das dazu beitragen soll, die statistisch errechnete Lohnlücke zwischen männlichen und weiblichen Beschäftigten zu schließen, wurde erst nach monatelangem Ringen in der Koalition verabschiedet und ist nach wie vor stark umstritten. Vor allem Wirtschaftsexperten haben von Anfang an vor hohem bürokratischen Aufwand für die Arbeitgeber gewarnt. Einige Stimmen erklärten das Gesetz für überflüssig, und wieder andere kritisierten, dass es kleinere Betriebe nicht erfasst und sich damit für viele Arbeitnehmerinnen überhaupt nichts ändert.

Doch was immer ein Unternehmen von dem neuen Gesetz halten mag: Mit der Unterschrift des Bundespräsidenten ist es für alle Firmen mit mehr als 200 Mitarbeitern Realität. Und darauf sind die Betriebe äußerst schlecht vorbereitet, wie eine Studie der Unternehmensberatung EY ebenso wie die Erfahrung aus der Praxis zeigt. Diesen Umstand sollten die Firmen keineswegs auf die leichte Schulter nehmen. Denn ihnen drohen Einbrüche bei der Mitarbeitermotivation, Auseinandersetzungen mit dem Betriebsrat, Gerichtsprozesse und nicht zuletzt ein gravierender Imageverlust.

Laut der EY-Studie, für die Personalverantwortliche in Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern in den Branchen Finance, Maschinenbau, Automotive sowie Chemie/Pharma befragt wurden, haben lediglich 35 % der Firmen bereits Untersuchungen zur Lohngleichheit von männlichen und weiblichen Beschäftigten durchgeführt. D. h.: Die meisten von ihnen wissen nicht, ob sie Frauen und Männer für die gleiche Arbeit gleich bezahlen. Genau das können sie sich ab sofort nicht mehr leisten.

So fordert das neue Gesetz Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten auf, regelmäßig ihre Gehaltsstrukturen auf die Einhaltung der Entgeltgleichheit zu überprüfen. Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten, die lageberichtspflichtig sind, müssen zudem künftig regelmäßig über den Stand der Gleichstellung und der Entgeltgleichheit berichten. Diese Berichte sind dem Lagebericht der Gesellschaft als Anhang beizufügen und im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Hinzu kommt der individuelle Auskunftsanspruch. Dieser sieht vor, dass in Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht erhält zu erfahren, nach welchen Kriterien ihr bzw. sein Gehalt festgelegt wird. Zudem muss jeder Angestellte ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes auf Anfrage hin Auskunft darüber erhalten, wie viel eine Vergleichsgruppe des anderen Geschlechts verdient.

Der individuelle Auskunftsanspruch ist die größte Herausforderung des Gesetzes. Obwohl das den in der EY-Studie befragten HR-Leitern auch bewusst ist, fühlen sie sich mit über 70 % ausreichend dafür gerüstet. M. E. bestehen daran erhebliche Zweifel. Denn in der Praxis zeigt sich, dass nur wenige Unternehmen in der Lage sind, den geforderten Datenabgleich auf Knopfdruck zu erstellen, oftmals aufgrund nicht vorhandener oder veralteter Systeme. So kann kaum eine Firma alle entscheidenden Kriterien für die Höhe der Vergütung eines Mitarbeiters abrufen – meist fehlen u. a. Informationen über seine individuelle Leistung, seine Mitarbeiterverantwortung, aber auch die Verfügbarkeit entsprechender Fach- und Führungskräfte auf dem Arbeitsmarkt.

Dringend müssen die Unternehmen daher klären, wie eine Vorgehensweise für die geforderte Datenermittlung und Auskunftserteilung erfolgen soll, die vor den Mitarbeitern ebenso wie vor Gericht Bestand hat. Denn auch wenn sich erst noch zeigen muss, wie die gängige juristische Praxis im Umgang mit dem neuen Gesetz aussehen wird, ist eine überzeugende Systematik von Anfang an notwendig. Auf keinen Fall wird es reichen, einem Antragsteller schlicht mitzuteilen, dass er z. B. 3 % weniger verdient als die Vergleichsgruppe. Viel mehr muss das Unternehmen den Unterschied stichhaltig begründen. Festgelegt werden muss zudem, wie das Unternehmen mit möglichen Gehaltsunterschieden umgehen will. Das Gesetz selbst enthält keine ausdrückliche Anspruchsgrundlage des Arbeitnehmers auf Erhöhung seines Arbeitsentgeltes. Findet ein Arbeitnehmer heraus, dass er weniger verdient als die Vergleichsgruppe, ist ihm eine Gehaltserhöhung also keinesfalls sicher.

Dennoch dürfen Unternehmen die Gefahren, die von transparent gemachten Gehaltsunterschieden ausgehen, keinesfalls unterschätzen: Studien zeigen, dass die Zufriedenheit von Mitarbeitern, die wissen, dass sie unterdurchschnittlich bezahlt werden, deutlich sinkt und dass sie das Unternehmen häufiger verlassen. Auf der anderen Seite verringert sich auch die Motivation der Leistungsträger, wenn dem Unternehmen die Möglichkeit der Leistungsdifferenzierung genommen wird. So darf das Gesetz auch auf keinen Fall zu Gleichmacherei führen. Gerade auch um eine wirklich leistungsabhängige Vergütung weiterhin zu ermöglichen, müssen die berücksichtigten Kriterien sehr genau geprüft, dokumentiert und nachvollziehbar kommuniziert werden.

Hinzu kommt: Stellt das Unternehmen im Rahmen des betrieblichen Prüfverfahrens fest, dass geschlechtsspezifische Entgeltunterschiede bestehen, fordert das Gesetz geeignete Maßnahmen zu deren Beseitigung – im schlimmsten Fall kann also eine komplette Überarbeitung bzw. Neuausrichtung des Mitarbeitervergütungssystems notwendig werden. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist es überraschend, dass nur wenige Unternehmen die neuen Anforderungen als Problem erkannt haben. Umso wichtiger ist es, dass die verantwortlichen Personalmanager jetzt schnell aktiv werden.

Jörg Wenzel, Senior Manager und Vergütungsexperte bei der Unternehmensberatung EY.

 
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