Ein bitterer Tag für Compliance
Amtsträger-Bestechung ist der Mega-Fluch korrupter Staaten. Sie zernagt Rechtsstaatlichkeit und vergiftet seriöses Regierungshandeln.
Am 10.2.2025 hat US-Präsident Trump ein Dekret unterzeichnet, das darauf abzielt, Korruptionsermittlungen auf Basis des FCPA zu stoppen. Dies betrifft im Kern inneramerikanische korruptionsstrafrechtliche Ermittlungen wegen der Bestechung ausländischer Amtsträger. Die Begründung für diese epochale Kehrtwende des oft als vorbildlich bezeichneten FCPA durch Präsidialerlass liest sich zum Fremdschämen: die nationale Sicherheit hänge davon ab, strategische Geschäftsvorteile zu erlangen, “sei es bei kritischen Mineralien, Tiefseehäfen oder anderen wichtigen Infrastrukturen oder Vermögenswerten”. Die Anwendung des FCPA “für routinemäßige Geschäftspraktiken in anderen Ländern” – das steht da wirklich so – schade zudem aktiv der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit und verschwende Strafverfolgungsressourcen.
Das ist ein trauriger Tag für die globalen, jedenfalls westlich orientierten Bemühungen rechtsstaatlich ausgerichteter Nationen um integres Wirtschaften und für die Akzeptanz souveräner Entscheidungswege anderer Nationen: Die Anordnung stellt eine Abkehr von der seit langem vertretenen Ansicht dar, dass internationale Korruptionsbekämpfungsmaßnahmen den US-Unternehmen zugutekommen, indem sie gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen und die Rechtsstaatlichkeit stärken. Sie stellt einen grundlegenden Bruch mit einem langjährigen überparteilichen US-Konsens über die Rolle der Vereinigten Staaten bei der Bekämpfung der internationalen Korruption dar. Dieser Konsens war nicht nur innenpolitisch, sondern auch global bedeutend, wobei die Vereinigten Staaten multilaterale Bemühungen vorantrieben, um andere Länder als Partner in die Korruptionsbekämpfung einzubeziehen.
1977 verabschiedet, hat der FCA bereits viele Jahrzehnte auf dem Buckel. In seinem Gefolge trat 1997 das OECD-Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr in Kraft. Die Korruption war ständiger Schwerpunkt der nationalen Sicherheitsstrategien aller US-Regierungen: George W. Busch erklärte im Jahr 2002, dass “Korruption schwache Staaten anfällig für terroristische Netzwerke und Drogenkartelle innerhalb ihrer Grenzen machen kann”. Im Jahr 2010 erkannte die Obama-Regierung in ähnlicher Weise an, dass Korruption ein “schwerwiegendes Hindernis für die Entwicklung der globalen Sicherheit” darstellt. Selbst die erste Trump-Administration stellte noch 2017 in ihrer nationalen Sicherheitsstrategie fest, dass “Terroristen und Kriminelle dort gedeihen, wo Regierungen schwach sind, Korruption grassiert (sic!) und das Vertrauen in die staatliche Institution gering ist”. Schon damals (nochmals: unter der ersten Trump-Administration!) wurde eine vorrangige Maßnahme zur Bekämpfung der Korruption im Ausland festgelegt, in dem “wirtschaftliches und diplomatisches Instrumentarium eingesetzt wird, um korrupte ausländische Beamte ins Visier zu nehmen, um mit Ländern zusammenzuarbeiten, die ihre Fähigkeit zur Korruptionsbekämpfung verbessern, damit US-Unternehmen in einem transparenten Geschäftsklima fair konkurrieren können”.
Dem ist nichts hinzuzufügen. Unverändert nichts. Die Bestechung ausländischer Amtsträger trifft ins Herz einer um Integrität und Rechtsstaatlichkeit bemühten Wirtschaft. Mehr noch als eine ebenfalls seit Jahrzehnten pönaliserte b2b-Bestechung im rein geschäftlichen Verkehr ist die Amtsträger-Bestechung der Mega-Fluch korrupter Staaten. Sie zernagt Rechtsstaatlichkeit und vergiftet seriöses Regierungshandeln.
Den FCPA-Kampf dagegen mit einem Federstrich für die US-Wirtschaftspolitik aushebeln zu wollen, ist ernüchternd, skrupellos, bananenrepublikanisch – und nicht zuletzt auch naiv: Denn just in den letzten Jahrzehnten hat eine Vielzahl von Staaten auf der Welt für ihre eigene Jurisdiktion die Bestechung von Amtsträgern (und oft gleichgestellt: von Parlamentariern) ebenfalls konsequent unter harte Strafen gestellt. Die durch Trump nun ermutigte zukünftige Bestechungstätigkeit US-amerikanischer Unternehmen bei ausländischen Amtsträgern zur Stärkung US-amerikanischer Auslandsgeschäfte wird also in exakt jenem Ausland vielerorts auf wuchtige Strafbarkeiten stoßen, die zu staatsanwaltlichen Ermittlungen, Vermögensbeschlagnahmen und vergaberechtlichen Auftragssperren führen dürften. Hinzu kommt das strafrechtliche Risiko, da sich im Hinblick auf die notwendigen US-amerikanischen Entscheidungsprozesse auf Board-Level und Geldflüsse durch den US-amerikanischen CFO auch nationalrechtliche Teilnahme-Delikte wie Anstiftung und Beihilfe für das amerikanische C-Level denken lassen. Das domestic law amerikanischer Vertriebsregionen verschwindet ja nicht mit dem Papierwedeln eines US-Präsidenten.
Abgesehen davon ist das Signal global betrachtet natürlich verheerend. Wir haben in der Compliance viel erreicht; jetzt muss man um vieles fürchten.
Man muss also abwarten, ob die US-Wirtschaft diesen skrupellosen Freibrief der eigenen Regierung im internationalen Geschäft wirklich annehmen will und wird. Besuche ausländischer Messen, ausländische Geschäftstermine, aber auch private Urlaube im Ausland können sonst überraschend in die Konfrontation mit einem internationalen Haftbefehl münden.
Prof. Dr. Thomas Klindt, RA/FAVerwR, ist Partner bei Noerr PartG mbB und leitet dort den Bereich Produkthaftung und Product Compliance. Er lehrt europäisches Produkt- und Technikrecht an der Universität Bayreuth. Zudem u. a. Mitglied im Herausgeberbeirat der Zeitschrift zum Innovations- und Technikrecht (InTeR) sowie Mitherausgeber der Zeitschrift Recht Automobil Wirtschaft (RAW), beide Deutscher Fachverlag GmbH.