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BB 2021, 1267
 

Im Blickpunkt

Abbildung 27

Ein auf den ersten Blick vielleicht profan anmutendes Thema beschäftigte jüngst das LAG Niedersachsen: Überstunden eines Arbeitnehmers. Bei näherer Betrachtung weist die sich darüber verhaltende Entscheidung des LAG Niedersachsen vom 6.5.2021 – 5 Sa 1292/20 (PM des LAG vom 10.5.2021) aber sehr wohl vielfältige, insbesondere auch europarechtliche Bezüge mit Blick auf eine jüngere Entscheidung des EuGH vom 14.5.2019 – C-55/18 auf. Das LAG Niedersachsen hatte über die Berufung gegen ein Teilurteil des ArbG Emden (9.11.2020 – 2 Ca 399/18) betreffend die Auslegung des § 618 BGB zur Erfassung und Kontrolle der Arbeitszeiten zu entscheiden. Kläger war ein Arbeitnehmer, der bis zum 30.9.2019 als Auslieferungsfahrer bei der Beklagten gearbeitet hatte. Der Kläger machte Überstundenvergütung für einen Zeitraum von 1,5 Jahren geltend. Als Grundlage für den geltend gemachten Anspruch stützte sich der Kläger auf von der Beklagten erstellte technische Zeitaufzeichnungen. Ob diese Aufzeichnungen zur Erfassung der vergütungspflichtigen Arbeitszeit erstellt worden waren, war zwischen den Parteien streitig. Das ArbG hatte der Klage insoweit stattgegeben. Zur Begründung hatte das ArbG ausgeführt, dass die Beklagte in europarechtskonformer Auslegung des § 618 BGB zur Erfassung und Kontrolle der Arbeitszeiten des Klägers verpflichtet gewesen sei. Da die Beklagte dieser Verpflichtung nach ihrem eigenen Vortrag nicht nachgekommen sei, reichten die vorgelegten technischen Aufzeichnungen als Indiz für die geleistete Arbeitszeit aus. Diese Indizien habe die Beklagte nicht, etwa durch Darlegung von Pausenzeiten, entkräften können. Diese Auffassung teilte das LAG nicht. Das LAG ist vielmehr der Ansicht, dass das vorgenannte Urteil des EuGH vom 14.5.2019 keine Aussagekraft für die Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess im Hinblick auf die Frage der Anordnung, Duldung oder Betriebsnotwendigkeit von Überstunden habe. Maßgeblich dafür sei vielmehr, ob der Arbeitnehmer dies beweisen könne. Dem EuGH komme keine Kompetenz zur Entscheidung über Fragen der Vergütung zu. Dies ergebe sich aus Art. 153 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Überstundenvergütung habe der Kläger daher nicht dargelegt. Das LAG hat die Revision zum BAG zugelassen, so dass eine zu erwartende Entscheidung des BAG zu der Entscheidung des EuGH, dass ein Arbeitgeber verpflichtet sei, sämtliche Arbeitsstunden zu erfassen und dessen Aussagekraft für einen Anspruch auf die Vergütung von Überstunden mit Interesse abzuwarten bleibt.

Dr. Christian Pelke, Redakteur Arbeitsrecht

 
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