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BB 2018, I
Fleckenstein-Weiland 

“JStG 2018” – elektronische Marktplätze als verlängerter Arm der Finanzverwaltung beim Umsatzsteuerbetrug

Abbildung 1

Der Online-Handel boomt. Gegenüber dem Vorjahr stieg der Umsatz im 1. Halbjahr 2018 um 11,1 Prozent. Allein im 2. Quartal 2018 betrug der Umsatz laut Bundesverband E-Commerce und Versandhandel 15 600 Mio. Euro. Allerdings liegen seit geraumer Zeit vermehrt Anhaltspunkte dafür vor, dass es beim Handel mit Waren über das Internet unter Nutzung von elektronischen Plattformen verstärkt zu Umsatzsteuerhinterziehungen kommt, insbesondere beim Handel mit Waren aus Drittländern. Dem Fiskus entgehen hierdurch Umsatzsteuereinnahmen, und die steuerehrlichen Unternehmen haben gravierende Wettbewerbsnachteile. Daher ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass von den Finanzministern geforderte Maßnahmen gegen den Umsatzsteuerbetrug im Online-Handel nun mit dem “JStG 2018” in die Tat umgesetzt werden.

Allerdings sollen künftig alle Online-Händler, die ihre Waren auf Marktplätzen und Online-Plattformen vertreiben, – und eben nicht nur die Händler von Drittlandswaren – nach dem neuen § 22f UStG-E eine Bescheinigung über ihre steuerliche Registrierung beim Finanzamt beantragen. Der Betreiber des Marktplatzes hat die bescheinigten Informationen sowie den Ort des Beginns der Versendung, den Zeitpunkt und die Höhe des Umsatzes vorzuhalten. Falls die Händler ihrer Pflicht nicht nachkommen und auch keine Umsatzsteuer abführen, sollen in Zukunft weltweit ansässige private Betreiber von Online-Marktplätzen nach dem neuen § 25e UStG-E für die Umsatzsteuer haften. Die Haftung soll nur dann nicht greifen, wenn der Marktplatzbetreiber nachweisen kann, dass er seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist, also keine Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis davon hatte, dass der liefernde Unternehmer seinen steuerlichen Pflichten nicht oder nicht in vollem Umfang nachkommt. Wenn der Lieferant allerdings Unternehmer ist und keine Bescheinigung vorlegt oder wenn er Nichtunternehmer ist und unplausibel hohe Umsätze hat oder wenn der Betreiber eine Mitteilung vom Finanzamt erhält, wird die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen des Betreibers von der Verletzung der steuerlichen Pflichten durch den liefernden Unternehmer vermutet. Mit dieser Regelung wird das bestehende Vollzugsdefizit der Finanzverwaltung durch die private digitale Wirtschaft kompensiert, und der Betreiber hat als verlängerter Arm der Finanzverwaltung zu fungieren.

So begrüßenswert die Intention des Gesetzgebers ist, muss man sich doch fragen, ob das neue Haftungsmodell nicht über das Ziel hinausschießt. Schon mehren sich die Stimmen, dass die Regelung die Systematik der Umsatzsteuer missachte, nach der der Verbraucher die Steuerlast tragen soll und nicht ein verschuldensunabhängiger Dritter (Plattformbetreiber), der durch Haftung für die Umsatzsteuer einsteht. Dies verstoße gegen die Berufsfreiheit und den Gleichheitsgrundsatz. Zudem existiert mit Art. 14a MwStSystRL eine unionsweit einheitliche Regelung, die bis zum Jahr 2021 in nationales Recht umzusetzen ist. Hiernach wird für die als besonders betrugsanfällig geltenden Kleinbetragssendungen aus dem Drittland eine Lieferkette mit der Verkaufsplattform fingiert; ähnlich der geltenden Portalregelung bei elektronischen Dienstleistungen.

Daneben enthält das “JStG 2018” in umsatzsteuerlicher Hinsicht Regelungen zur Umsetzung der sog. E-Commerce-Richtlinie. So werden für kleine und mittlere Unternehmer, die elektronische Dienstleistungen an Nichtunternehmer erbringen, zum 1.1.2019 einige Vereinfachungen eingeführt. Erzielt der Unternehmer weltweit E-Commerce Umsätze von nicht mehr als 10 000 Euro pro Jahr, befindet sich der Ort der Leistung am Sitz des Leistenden. Erst bei Überschreitung dieser Lieferschwelle gilt das Empfängerortprinzip. Unternehmer können auf diese Lieferschwelle verzichten. Für Mini-One-Stop-Shop (MOSS) registrierte Unternehmer werden Rechnungen künftig nach den nationalen Regelungen ihres Sitzstaates ausgestellt. Deutsche Unternehmen müssen deswegen für MOSS-Umsätze keine Rechnungen mehr ausstellen, da im Regelfall keine Pflicht zur Rechnungstellung für sonstige Leistungen an Nichtunternehmer besteht. Auch der Nachweis für die Ansässigkeit der Kunden wird für Unternehmer mit einem Umsatz von nicht mehr als 100 000 Euro einfacher, da nur noch ein Beweismittel benötigt wird. Schließlich können künftig Drittlandsunternehmer auch dann in einem Mitgliedstaat den MOSS nutzen, wenn sie in diesem umsatzsteuerlich registriert sind. Die ebenfalls in der E-Commerce-Richtlinie enthaltenen umfassenden Änderungen im Bereich des Versandhandels sind jedoch erst zum 1.1.2021 in nationales Recht umzusetzen und dementsprechend noch nicht enthalten.

Schließlich setzt das “JStG 2018” auch die sog. Gutscheinrichtlinie um. In § 3 Abs. 13–15 UStG-E werden die unionsrechtlichen Definitionen für “Gutschein”, “Einzweck-Gutschein” und “Mehrzweck-Gutschein” übernommen. Bei einem Einzweck-Gutschein stehen Ort und Steuersatz der zugrunde liegenden Leistung bei Ausstellung fest, so dass der Gutscheinverkauf bereits zum Umsatz führt. Alle anderen Gutscheine sind Mehrzweck-Gutscheine, bei denen es erst bei Einlösung des Gutscheins zum Umsatz kommt, d. h. bei Erbringung der zugrunde liegenden Leistung. Bei diesen Neuregelungen stellen sich nicht nur zahlreiche Anwendungsfragen, die möglichst bald in einem BMF-Schreiben geklärt werden sollten. Vielmehr beschleicht einen auch das ungute Gefühl, dass der Einzweck-Gutschein der neue Topseller beim Umsatzsteuerkarussellbetrug werden könnte, da hier ja bekanntlich kleine leicht transportable oder sogar entmaterialisierte Gegenstände besonders beliebt sind.

Dr. Barbara Fleckenstein-Weiland, LL.M., RAin/StBin/FAinStR, ist Partnerin im Frankfurter Büro der Flick Gocke Schaumburg Partnerschaft mbB. Tätigkeitsschwerpunkte: Umsatzsteuer-, Energiesteuer-, Versicherungsteuer- und Zollrecht.

 
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