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BB 2019, I
Jarass 

Jedes Bundesland kann die Grundsteuer nun einfach und zugleich fair erheben

Abbildung 1

Der Bundestag hat am 18. Oktober 2019 die Grundsteuerreform ohne nennenswerte Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf beschlossen, die erforderliche Zustimmung des Bundesrats gilt als sicher. Damit wird die Grundsteuerreform – wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert – noch 2019 in Kraft treten.

Das beschlossene Grundsteuermodell führt zu unsystematischen und widersprüchlichen Grundsteuern (s. BB 31/2019):

  • Für ein 150 m2 großes Neubau-Einfamilienhaus mit hohem Bodenrichtwert ist die Grundsteuer mehr als doppelt so hoch wie für eine gleich große Neubau-Wohnung mit gleicher anteiliger Grundstücksfläche und gleichem Bodenrichtwert, hingegen für das gleiche Altbau-Einfamilienhaus mit niedrigem Bodenrichtwert ein Viertel niedriger als für eine vergleichbare Altbau-Wohnung.

  • Bei einem Neubau-Einfamilienhaus mit niedrigem Bodenrichtwert gehen nur 14 % des Bodenwerts in den Grundsteuerwert ein, beim gleichen Altbau-Einfamilienhaus mit hohem Bodenrichtwert hingegen 70 %. Hingegen gehen bei einer Neubau-Wohnung nur 3 % des Bodenwerts in den Grundsteuerwert ein, bei der gleichen Altbau-Wohnung hingegen 35 %, und zwar bei Wohnungen – im Gegensatz zum Einfamilienhaus – jeweils unabhängig vom Bodenrichtwert.

“Herausgekommen ist ein Bewertungsverfahren, das – jedenfalls für Wohngrundstücke – zu systematischen Verzerrungen führt und damit den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an eine im Verhältnis der Grundstücke zueinander realitätsgerechte Abbildung des Verkehrswertes offensichtlich nicht genügt. . . . Die Eigentümer mit Grundstücken in geringwertigen Lagen zahlen folglich die Verschonung der Eigentümer in hochpreisigen Lagen mit”, so Prof. Hey von der Universität Köln in ihrer Stellungnahme zur Grundsteuerreform von September 2019.

Die beschlossene Grundsteuerreform eröffnet allerdings jedem Bundesland die Möglichkeit, bis spätestens Ende 2024 ein eigenes Grundsteuermodell zu beschließen.

Einfaches Grundsteuermodell (wie von Bayern vorgeschlagen) ist unfair

Die Reform der Grundsteuer sollte die Einfachheit der Besteuerung in den Mittelpunkt stellen. Nach dem bayerischen Grundsteuermodell bemisst sich die Grundsteuer nur nach Grundstücksfläche und Gebäudefläche. Dabei wird die Grundstücksfläche mit 0,02 €/m2 gewichtet, die Gebäudefläche von Wohnimmobilien mit 0,20 €/m2 und von Gewerbeimmobilien mit 0,40 €/m2. Die Grundstücksfläche spielt damit im bayerischen Modell in vielen Fällen nur eine untergeordnete Rolle.

Eine Grundsteuer nach diesem Flächenmodell wäre eine einfache Steuer, aber sie wäre nicht fair, weil hochpreisige und geringwertige Lagen gleich hoch besteuert würden. “Die Grundsteuer sollte so gestaltet werden, dass diejenigen, die aus kommunalen Leistungen größere Vorteile ziehen, zur Finanzierung der kommunalen Haushalte stärker herangezogen werden, wobei sich die kommunalen Leistungen in den Grundstückswerten ausdrücken”, so der Kompromissvorschlag des wissenschaftlichen Beirats beim BMF von September 2019. “Wertunterschiede zwischen Immobilien innerhalb von Städten (bei gegebener Gebäudefläche) resultieren vor allem aus Unterschieden in den Bodenpreisen. In der Bemessungsgrundlage der Grundsteuer könnten die nach Bodenrichtwerten gemessenen Grundstückswerte dann mit den Gebäudeflächen kombiniert und mit Gewichtungsfaktoren zusammengeführt werden”, so der Präsident des IFO-Instituts Prof. Fuest in seiner Stellungnahme zur Grundsteuerreform von September 2019.

Einfaches und zugleich faires Grundsteuermodell

Entsprechend sollte das einfache Grundsteuermodell modifiziert werden, indem die Grundstücksfläche mit dem Bodenrichtwert gewichtet wird und die Gebäudefläche pauschal mit den durchschnittlichen Normalherstellungskosten. Dieses Grundsteuermodell hat der wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium im September 2019 vorgeschlagen. Dadurch würde aus dem einfachen Grundsteuermodell ein einfaches und zugleich faires Grundsteuermodell. Die jeweilige Grundsteuer ergibt sich dann wie bisher durch Multiplikation mit der Grundsteuer-Messzahl und dem örtlichen Grundsteuer-Hebesatz.

Auch für land- und forstwirtschaftliches Vermögen (Grundsteuer A) könnte das faire Einfachmodell statt des im Gesetz vorgesehenen komplizierten und undurchschaubaren Systems genutzt werden.

Durch die Reform der Grundsteuer könnte es in Einzelfällen zumindest prozentual zu massiven Erhöhungen der Grundsteuerbelastung kommen. Deshalb könnte in Erwägung gezogen werden, in den ersten Jahren die Änderung der Grundsteuerbelastung zu begrenzen, so wie auch von Prof. Hey vorgeschlagen. Schlagartige Erhöhungen der Grundsteuerbelastung könnten dadurch vermieden werden.

Bei der vorgesehenen bundeseinheitlichen Grundsteuer-Messzahl müssen manche Gemeinden zur Erreichung der Aufkommensneutralität die Hebesätze massiv senken, andere massiv erhöhen. Massive Erhöhungen der Hebesätze sind vor Ort nur sehr schwer umzusetzen. Deshalb sollten die Länder länderspezifische Grundsteuer-Messzahlen festsetzen (was sie laut Grundsteuerreform dürfen), um die vor Ort erforderlichen Änderungen der Hebesätze zu verringern und so den Gemeinden die Umsetzung der Aufkommensneutralität zu erleichtern.

Fazit: Das vom Bundesgesetzgeber beschlossene Grundsteuermodell ist unsystematisch und widersprüchlich. Die beschlossene Grundsteuerreform eröffnet aber jedem Bundesland die Möglichkeit, stattdessen ein eigenes einfaches und zugleich faires Grundsteuermodell zu beschließen.

Prof. Dr. Lorenz J. Jarass, M. S. (Engineering, Stanford University), Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule RheinMain (Wiesbaden), Mitglied der Unternehmensteuerreformkommission. Basierend auf seinen Ideen wurde bei der Unternehmensteuerreform 2008 die Zinsschranke und die beschränkte Abzugsfähigkeit von Zins- und Lizenzgebührenzahlungen bei der Gewerbesteuer eingeführt sowie in 2018 die Lizenzschranke.

 
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