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Licht und Schatten: Zum Referentenentwurf einer 10. GWB-Novelle

Abbildung 1

Der Referentenentwurf zur 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen enthält – nicht anders als die meisten früheren GWB-Novellen – eine ganze Reihe von durchaus disparaten Regelungen. Zum einen soll die 10. Novelle der Umsetzung einer EU-Richtlinie dienen, die im Wesentlichen Verfahrensfragen und Sanktionsbestimmungen zum Gegenstand hat (Richtlinie 2019/1 zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften). Zum anderen verfolgt der Entwurf das im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vereinbarte Ziel, das Wettbewerbsrecht insbesondere hinsichtlich der Anwendung seiner Missbrauchsverbote auf digitale Geschäftsmodelle effektiver zu machen. Daneben sieht der Entwurf Neuerungen im Bereich der Fusionskontrolle vor.

Erklärtes Ziel des Referentenentwurfs ist es, eine effektivere Kontrolle großer Digitalkonzerne zu ermöglichen. Der Entwurf sieht hierzu – teilweise unter Rückgriff auf Vorschläge, die im In- und Ausland in wissenschaftlichen Studien entwickelt wurden – verschiedene Neuregelungen vor:

In einem § 18 Abs. 3b GWB-E wird die Figur einer “Intermediationsmacht” eingeführt, mit der der Vermittlungsfunktion von Plattformen – etwa Handelsplattformen und Suchmaschinen – Rechnung getragen werden soll. Nötig erscheint ein solcher zusätzlicher Begriff nicht. Zahlreiche gegen Internetplattformen wie Amazon und Google geführte Verfahren zeigen, dass die Behörden keine Mühe haben, die Marktmacht von Plattformen mit dem übergreifenden Begriff der (markt-)beherrschenden Stellung zu erfassen. Die “Regelungstechnik” des Entwurfs erinnert an dieser Stelle an diejenige der 9. GWB-Novelle, bei der gleichfalls durch die eigentlich nicht erforderliche zusätzliche Einführung von Begriffen in das Gesetz (damals z. B. direkte und indirekte Netzwerkeffekte, Größenvorteile sowie innovationsgetriebener Wettbewerbsdruck in § 18 Abs. 3a GWB) der Eindruck von Modernität und gesetzgeberischer Aktivität erzeugt wurde.

Ein echter “Aufreger” ist dagegen die in § 19a GWB-E vorgesehene Neuregelung, mit der eine neue Kategorie von Unternehmen mit “überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb” geschaffen wird. Das Bundeskartellamt soll solchen Unternehmen künftig ohne Weiteres bestimmte Verhaltensweisen untersagen können, etwa die Begünstigung eigener Konzernunternehmen auf eigenen Handels- oder Vermittlungsplattformen. Normadressaten des § 19a GWB-E soll zudem auch die Behinderung von Wettbewerbern untersagt werden können – und zwar anders als nach dem bisher geltenden Recht auch dann, wenn sie selbst nicht marktbeherrschend sind, sofern die Behinderung nur “geeignet wäre, den Wettbewerbsprozess erheblich zu beeinträchtigen”.

Ungewöhnlich ist die in einer weiteren Bestimmung des § 19a GWB-E verfolgte Regelungstechnik, nach der einem Normadressaten “untersagt” werden können soll, “andere Unternehmen unzureichend über den Umfang, die Qualität oder den Erfolg der erbrachten oder beauftragten Leistung zu informieren. . .” Hier soll offenbar im Gewand einer Untersagungsnorm eine positive Handlungspflicht (Verpflichtung zu hinreichender Information) etabliert werden. Im Ganzen wirft § 19a GWB-E im Hinblick auf seine systematische Stellung (Verhältnis zu den etablierten Missbrauchstatbeständen) wie auch bezüglich der Auslegung zahlreicher Begrifflichkeiten mehr Fragen auf als er beantwortet.

Eine interessante Ergänzung des Missbrauchsrechts ist in § 20 Abs. 1a GWB-E vorgesehen: Hier wird – im Anschluss an Anregungen aus der Wissenschaft – für Konstellationen, in denen dem Zugang zu Daten aus wettbewerblicher Sicht eine besondere Bedeutung zukommt, unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht auf Datenzugang vorgesehen.

Im Bereich der Zusammenschlusskontrolle sieht der Entwurf einerseits eine Erleichterung für betroffene Unternehmen vor: Durch Anhebung der sog. zweiten Inlandsumsatzschwelle (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 zweiter Fall GWB) von 5 auf 10 Mio. Euro soll die Zahl der anzumeldenden Zusammenschlüsse um etwa 20 Prozent auf (danach) 1000 bis 1100 Fälle im Jahr sinken.

An anderer Stelle sieht der Entwurf aber eine Ausweitung der fusionskontrollrechtlichen Anmeldepflichten vor: Nach § 39a GWB-E soll das Bundeskartellamt künftig unter gewissen Voraussetzungen auch unterhalb des Bereichs der in § 35 GWB genannten Umsatzschwellen Unternehmen durch Verfügung dazu verpflichten dürfen, jeden Zusammenschluss mit anderen Unternehmen anzumelden, wenn “Anhaltspunkte dafür bestehen, dass durch künftige Zusammenschlüsse der Wettbewerb im Inland . . . eingeschränkt werden kann”. Die hier vorgesehene Regelung erscheint wegen ihrer tatbestandlichen Unbestimmtheit kritikwürdig.

Dass die geplante Novelle ganz unterschiedliche Anliegen verfolgt, ist für sich genommen nicht zu beanstanden. Eine große Rechtsmaterie wie das Kartellrecht bedarf an vielen Ecken und Enden der Pflege, und so muss der Gesetzgeber sich zur gleichen Zeit um die unterschiedlichsten Regelungsgegenstände kümmern. Freilich erscheinen nicht alle vorgesehenen neuen Bestimmungen in gleicher Weise überzeugend. Im Hinblick auf § 19a GWB-E – “Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb” – scheint im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens eine Überarbeitung angezeigt.

Prof. Dr. Daniel Zimmer ist Direktor des Instituts für Handels- und Wirtschaftsrecht der Universität Bonn. Von 2012 bis 2016 war er Vorsitzender der Monopolkommission.

 
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