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Neuer Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers: ISA-Anwendung mit Sinn und Verstand

Abbildung 1

Manche postulieren, die Welt der Prüfungsstandards in Deutschland wäre in Ordnung, würde man hierzulande schlichtweg die International Standards on Auditing (ISA) zur Anwendung gelangen lassen. Solche Forderungen müssen – jedenfalls den mit der Materie halbwegs Vertrauten – in (erhebliches!) Erstaunen versetzen, verkürzt diese Sichtweise doch radikal und blendet sie weite Teile der Rechtswirklichkeit aus. Ignoriert wird vor allem, dass zu dieser Rechtswirklichkeit auch handelsrechtliche und europarechtliche Vorgaben zur Abschlussprüfung gehören, die erstens entweder in Konflikt mit Einzelregelungen der ISA stehen oder zweitens Zusatzanforderungen enthalten, die in den ISA gar nicht erst angesprochen werden. Drittens ist auch das Interesse der Adressaten der Abschlussprüfung nicht zu vergessen, wenn es darum geht, wie explizit oder implizit in den ISA enthaltene Optionen ausgeübt werden sollen, ohne dass die Regelung dann mit dem hier einschlägigen Recht konfligiert. Einfach ist vielleicht bequem – gut wird es aber dadurch noch lange nicht.

Das IDW ist daher den Apologeten simpler Rezepturen nicht gefolgt. Ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit differenzierter Lösungsansätze ist die IDW PS 400er-Reihe zum Bestätigungsvermerk:

Die entsprechenden Standards hat der Hauptfachausschuss (HFA) des IDW jüngst verabschiedet. IDW PS 400 neue Fassung (n. F.) dient als regelmäßig anzuwendender Basisstandard, während IDW PS 401 (Wesentliche Prüfungssachverhalte, vor allem bei Unternehmen von öffentlichem Interesse – PIE), IDW PS 405 (Modifizierungen des Prüfungsurteils) und IDW PS 406 (Hinweise im Bestätigungsvermerk) unter bestimmten Bedingungen ergänzend zu beachten sind.

Bei der Entwicklung dieser Standards waren vor allem zwei, nicht gänzlich konfliktfreie Aspekte so gut wie möglich – d. h. im Sinne einer Optimierung unter Nebenbedingungen – miteinander in Einklang zu bringen: Zum einen ist die grenzüberschreitende Verkehrsfähigkeit deutscher Bestätigungsvermerke durch eine möglichst enge Anlehnung an die ISA, konkret an die Standards zum Auditor Reporting (ISA 700 ff.), herzustellen. Grundsätzlich bilden also künftig die ISA die Grundlage der deutschen Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung (GoA).

“Möglichst eng” und “grundsätzlich” heißt aber eben nicht um jeden Preis und immer. Denn zum anderen sind weitere rechtliche Anforderungen an Form und Inhalt der Berichterstattung zu beachten. Im Konfliktfall haben Letztere (selbstverständlich) Vorrang bzw. sie sind als über die ISA hinausgehende Regelungen zusätzlich beachtlich – Internationalität kann Rechtmäßigkeit nicht ausstechen! Dabei erschöpfen sich die im Inland maßgeblichen Rechtsvorgaben nicht nur in den Vorschriften des HGB, sondern beinhalten in weiten Teilen auch europarechtliche Regelungen. Jene entfalten ihre Relevanz vor allem für die Prüfung von sog. Public Interest Entities (PIE), d. h. von kapitalmarktorientierten Unternehmen sowie Banken und Versicherungen. Kämen insoweit “nur” die ISA zur Anwendung, würde etwa die von § 322 Abs. 3 S. 1 HGB für einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk geforderte Aussage zur Einwendungsfreiheit unter den Tisch fallen oder blieben nicht notierte Banken und Versicherungen von der europarechtlich zwingenden sog. Key Audit Matter-Berichterstattung ausgespart. Wiederum: Dies macht die Dinge natürlich komplexer, ist aber unverzichtbar.

Daneben ist der HFA bei der Diskussion zur künftigen Struktur des Bestätigungsvermerks in einem augenfälligen Punkt nicht dem Leitbild der internationalen Standards gefolgt, obwohl es in diesem Fall rechtlich durchaus möglich gewesen wäre. ISA 700 sieht (grundsätzlich) vor, dass im Falle zusätzlicher, über den Abschluss (d. h. im Wesentlichen Bilanz, GuV und Anhang) hinausgehender Prüfungsgegenstände die einzelnen Prüfungsgegenstände jeweils in gesonderten Abschnitten und damit voneinander separiert abgehandelt werden. Dies würde dementsprechend auch für einen gesonderten Prüfungsgegenstand in Gestalt des Lageberichts gelten. Sowohl aus dem Blickwinkel der Informationsvermittlung als auch des Vorgehens in der Abschlussprüfung weisen indessen beide Berichtsinstrumente bzw. Prüfungsgegenstände eine starke Komplementarität und vielfältige Wechselbeziehungen auf. Daher hat sich der HFA letztlich für eine integrierte Darstellung entschieden, d. h. für beide Prüfungsgegenstände werden die Urteile sowie die Beschreibung der jeweiligen Verantwortlichkeiten zusammengefasst. Auch hier zeigt sich, dass die Existenz internationaler Standards nicht als Ermutigung zum Verzicht auf eigenes Denken missverstanden werden sollte.

Wem vorstehende Belege für die Notwendigkeit nationaler Anpassungen oder Erweiterungen noch nicht ausreichen: Die ISA sehen den Stellenwert des Lageberichts nicht nur im Aufbau des Bestätigungsvermerkes anders, sie ignorieren schlechterdings seine Existenz – mit anderen Worten: Vorgaben für seine Prüfung sucht man in den ISA vergeblich. Gleiches gilt z. B. für die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems. Hier bedarf es also angesichts vom Gesetzgeber angeordneter Prüfungspflicht ebenfalls nationaler Prüfungsstandards.

Um es abschließend auf einen Nenner zu bringen: Orientierung an den ISA ist in einer globalisierten Welt sinnvoll, aber bitte mit Verstand und Augenmaß!

Dr. Klaus-Peter Feld, WP/StB, ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied und Chief Development Officer des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW). Seit 2007 ist er Technical Advisor im Board der International Federation of Accountants (IFAC), seit 2009 deutscher Vertreter bei der Global Accounting Alliance (GAA). 2011 wurde er in den Beirat der DATEV berufen. Darüber hinaus ist er Lehrbeauftragter für Accounting Advisory an der Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf.

 
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