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BB 2017, I
Voigt de Oliveira 

Neue Herausforderungen durch Digitalisierung – ein Weckruf für Stiftungsvorstände

Abbildung 1

Mit dem technischen Fortschritt ist es gemeinhin so: Er sorgt dafür, dass Dinge einfacher, schneller und effizienter werden. Und bewirkt dennoch – scheinbar paradoxerweise – in vielen Fällen zunächst das genaue Gegenteil: Was einst problemlos schien, führt nun zu neuen Aufgaben und zu beachtenden Pflichten.

Das gilt auch für die Digitalisierung und die Art und Weise, wie sie die Arbeit von Stiftungen verändert: früher analog, künftig digital. In der Praxis führt das zu neuen Aufgaben in der Kommunikation mit den Aufsichtsbehörden. Und es führt zu neuen Pflichten, die Entscheider in Stiftungen zu berücksichtigen haben. Entscheidende Frage: Sind die Stiftungsvorstände mit den neuen Regelungen vertraut? Aus unserer täglichen Arbeit lässt sich sagen: in weiten Zügen keineswegs. Höchste Zeit für einen Weckruf also.

Bereits in weniger als zwei Monaten treten zum 1.1.2018 Neuregelungen in Kraft, die die bisherigen steuerlichen Nachweis- und Dokumentationspflichten in einem Umfang verändern, dass man durchaus vom “Steuerrecht 4.0” sprechen könnte (vgl. dazu auch Voigt de Oliveira, StiftungsWelt 1/2017, 78–81). Ausschlaggebend hierfür sind das Steuermodernisierungsgesetz (StModG) sowie weitere Verwaltungsanweisungen, die bis in das Jahr 2014 zurückgehen. Oftmals unbeachtet haben die Finanzverwaltungen in der Vergangenheit “Nägel mit Köpfen gemacht”, die im Wesentlichen darauf hinauslaufen, dass die Richtigkeit, Vollständigkeit und Unveränderbarkeit aller steuerrechtlich relevanten Dokumente über mindestens sieben Jahre gewährleistet sein muss. So werden aus Belegvorlage- nunmehr Belegvorhaltepflichten, bei denen die entsprechenden Nachweise den Finanzbehörden zwar nicht vorgelegt, wohl aber – auch über möglicherweise längere Zeiträume – archiviert und jederzeit abrufbar gehalten werden müssen.

Für viele Stiftungen kann das bedeuten, dass möglicherweise beachtliche Investitionen in Ausstattung oder Personal getätigt – und dementsprechend in der Finanzplanung berücksichtigt werden müssen. So erwartet die Finanzverwaltung mit Beginn des Jahres 2018, dass jeder Steuerpflichtige ein geeignetes Internes Kontrollsystem Steuern (IKS Steuern) vorhält. Ein solches IKS soll sicherstellen, dass der Steuerpflichtige vor Versendung einer Steuererklärung alle notwendigen organisatorischen Maßnahmen unternommen hat, um seine steuerlichen Erklärungspflichten vollständig und zutreffend erfüllen zu können. Und die Verwaltung geht noch einen Schritt weiter: Mit einem Schreiben vom 23.5.2016 (IV A 3 – S 0324/15/10001, Anwendungserlass zur AO zu § 153, abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de, Abruf: 23.10.2017) zur Änderungsvorschrift des § 153 AO stellte das BMF klar, dass bereits eingereichte Steuerklärungen ohne weitergehende Konsequenzen leichter korrigiert werden können, wenn die Unternehmen ein geeignetes IKS Steuern implementiert haben. Mit anderen Worten: Die Zeiten könnten vorbei sein, in denen unvollständige Voranmeldungen oder Jahreserklärungen einfach so eingereicht werden konnten. Wer künftig seine fehlerhafte oder unvollständige Steuererklärung korrigieren will, wird sich einer Prüfung unterziehen müssen, ob es sich hierbei möglicherweise um eine grob fahrlässige Steuerverkürzung oder gar eine vorsätzliche Steuerhinterziehung handelt. Hat eine Stiftung hingegen ein wirksames IKS Steuern, kann von einem solchen Vorgehen abgesehen werden – wie in einem jüngst veröffentlichten Urteil des BGH in Strafsachen (BGH, 9.5.2017 – 1 StR 265/16, BB 2017, 1931 mit BB-Komm. Behr) betont wurde.

Eine für gemeinnützige Stiftungen besonders wichtige Neuerung ist darüber hinaus die Möglichkeit, künftig elektronische Spendenbescheinigungen auszustellen. Einen Schritt weiter gedacht ist die direkte Kommunikation der Stiftung mit dem FA des Spenders vorstellbar – mit entsprechender Berücksichtigung der Spende bei der nächsten Steuererklärung. In Zeiten der Digitalisierung ist davon auszugehen, dass Spender diesen für sie bequemen Service künftig voraussetzen und möglicherweise gar ihre Spendenbereitschaft an das Vorhandensein eines solchen Systems koppeln werden.

Die Nutzung dieses Spenderservices setzt allerdings voraus, dass die Stiftungen über die relevanten Daten des Spenders verfügen. Das wiederum bedeutet, dass in der Spenderdatei nicht nur Name und Anschrift hinterlegt sein müssen, sondern auch die Steuer-ID-Nummer des Spenders. An der Stelle kommt ein Nachteil der immer stärker vernetzten Welt zum Tragen: Sensible Daten sind der neue Rohstoff – und Rohstoffe rufen Unbefugte auf den Plan. Für Stiftungen bedeutet das, dass sie sich rechtzeitig Gedanken machen müssen über verstärkte Datensicherheit. In diesem Kontext ist u. a. auf die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hinzuweisen, die ab dem 25.5.2018 greifen wird. Sie gilt auch für Stiftungen und begründet neue Pflichten beim Datenschutz, wie beispielsweise den Aufbau eines geeigneten Compliance-Management-Systems. Bei Verstößen drohen empfindliche Bußgelder.

Das alles sind Änderungen, mit denen Stiftungen sich besser heute als morgen auseinandersetzen sollten. Dabei geht es nicht nur um die Zukunftssicherung, sondern durch die Ausweitung strafrechtlich relevanter Sachverhalte – im schlimmsten Fall sogar um die persönliche Haftung der Vorstände.

Sascha Voigt de Oliveira, RA/StB, ist Partner bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Berlin. Seit 1996 berät er im öffentlichen Sektor mit dem Fokus steuerbegünstigte Organisationen und Berufsverbände. Die Schwerpunkte seiner Steuerberatungstätigkeit liegen dabei in der Konzeption und Umsetzung von steueroptimierten Strukturierungsprojekten, Ausgliederungen, Verschmelzungen sowie Rechtsformwechseln. Seine fachlichen Schwerpunkte sind insbesondere nationales und internationales Gemeinnützigkeits- und Stiftungsrecht sowie Besteuerung von Verbänden und Körperschaften des öffentlichen Rechts. Er ist Leiter des bundesweiten KPMG-Netzwerks zur steuerlichen Beratung von steuerbegünstigten Körperschaften sowie Leiter des geschäftsübergreifenden Netzwerks “Stiftungen und NPO”.

 
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