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BB 2018, I
Campos Nave 

Quo vadis, Iran? – Vertragstreue sichert (nicht) immer die Wirtschaftsfähigkeit

Abbildung 1

Pacta sunt servanda – dieser fundamentale Grundsatz des Vertragsrechts wird bereits im ersten Semester einer juristischen Ausbildung gelehrt und ist Bestandteil jedes juristischen Denkens. Die Bindungskraft von abgeschlossenen Verträgen ordnet Rechtsbeziehungen und schafft den für die Wirtschaft erforderlichen Rechtsfrieden und die notwendige Planungssicherheit für Investitionen.

Mit Abschluss des sogenannten “Atomabkommens” mit der Republik Iran im Jahr 2015 wurde nicht nur eine politische Grundlage zwischen den am Abkommen beteiligten Staaten geschaffen, sondern ebenso ein Fundament und ein Vertrauenstatbestand für Unternehmen aus diversen Wirtschaftsordnungen, im Iran zu investieren. Auf der Grundlage des abgeschlossenen Atomabkommens durften Unternehmen darauf vertrauen, dass dieses Abkommen die verlässliche Grundlage für wirtschaftliche Entscheidungen sein wird. Solange keine Vertragspartei die ihr obliegenden Pflichten verletzt, würde das Abkommen Bestand haben. Damit wäre es die Grundlage für Unternehmensentscheider, Investitionen im Iran zu tätigen. Konsequenterweise hat sodann eine Vielzahl von insbesondere deutschen und europäischen Unternehmen ab 2016 zum Teil erhebliche Investitionen im Iran getätigt. Der Iran bot sich den ausländischen Investoren als verheißungsvoller Markt an. Eine Volkswirtschaft mit rund 80 Mio. gut ausgebildeten und konsumfreudigen Einwohnern und eine Wirtschaft, die völlig veraltete Produkte nutzte, war aufnahmefreudig für Waren und Dienstleistungen zur Modernisierung der Wirtschaft. Dabei war das “Made in Germany” bei iranischen Wirtschaftspartnern sehr begehrt und öffnete viele Türen. Die begehrten Wirtschaftsgüter wurden schwerpunktmäßig von deutschen mittelständischen “hidden champions” produziert und sollten demnach der deutschen Wirtschaft einen Wachstumsschub versetzen, wie dieser in der Vergangenheit durch die Öffnung von China und Indien für ausländische Investoren erfolgt ist. Demnach lag eine sehr vielversprechende Ausgangslage für Investitionsentscheidungen zugunsten des Iran vor. Eine erhebliche Anzahl von deutschen Unternehmen sah darin die Chance, diesen bislang gesperrten Wirtschaftsraum unternehmerisch anzugehen. Es wurden Geschäftskontakte aufgebaut bzw. vertieft, Produktionsstätten errichtet und Konzepte zur Entwicklung der im Iran dringend benötigten Konsumgüter und Maschinen entworfen. Sicherlich ist die Bewertung zutreffend, dass durch die vermehrten Wirtschaftsbeziehungen und Investitionen ein Beitrag zur Stabilität in der Region geleistet wurde.

Diese Entwicklung endete überraschend mit dem Rückzug der USA aus dem abgeschlossenen Atomabkommen. Die hierfür seitens des US-Präsidenten angeführte Begründung “der Iran-Deal ist in seinem Kern defekt. Dieser schreckliche, einseitige Deal hätte nie abgeschlossen werden dürfen.” vermag in seiner Einfachheit nicht recht zu überzeugen. Bislang konnte dem Iran noch keine Verletzung der Regelungen des Atomabkommens nachgewiesen werden. Die nunmehr im August wieder in Kraft getretenen Sanktionen und die Verschärfung der Sanktionen, die im November 2018 erfolgen werden, trifft die Unternehmen und die Unternehmensentscheider mit ungeahnter Wucht. Die USA sind mit weitem Abstand der wichtigste Handelspartner von Deutschland. Das entsprechende Iran-Geschäft macht lediglich einen kleinen Bruchteil des übergroßen USA-Geschäfts von Deutschland aus. Unternehmenslenker entscheiden sich daher im Zweifel für den großen US-Markt und gegen das sich im Aufbau befindliche iranische Plangeschäft. Der Grundsatz “Pacta sunt servanda” gilt eigentlich für sämtliche Vertragsbeziehungen. Im gegenwärtigen Fall zeigt sich jedoch, dass bei Verträgen mit großen Wirtschaftsmächten der vorbenannte fundamentale Vertragsgrundsatz häufig keine verlässliche Bindung entfaltet. Die einseitig seitens der USA getroffene Entscheidung führt bei den Abkommensstaaten, die diese Entscheidung nicht mitgetragen haben, ebenfalls zu höchst nachteiligen Auswirkungen auf die Unternehmen. Da letztlich Geschäftsbeziehungen stets ein funktionierendes Finanzwesen erfordern, führen Maßnahmen, die Finanztransfers unterbinden, zum faktischen Ausschluss von sonstigen Transaktionen.

Nicht nur die Großbanken, die sich bereits vor der Abkehr vom Atomabkommen nicht an Finanztransaktionen mit und im Zusammenhang mit dem Iran beteiligt haben, sondern auch Sparkassen und genossenschaftliche Banken haben spätestens zum 30. Juni 2018 Finanzgeschäfte eingestellt. Unternehmen können zwar im weiten Umfang derzeit Waren und Dienstleistungen an den Iran verkaufen. Gleichwohl werden Zahlungen, die aus dem Iran nach Deutschland gelangen, nicht mehr von deutschen Finanzinstituten angenommen. Konsequenterweise müssen daher Geschäfte mit dem Iran eingestellt werden, obgleich diese nicht von den eigentlichen Sanktionen erfasst werden. Die im Vertrauen auf das bestehende Atomabkommen getätigten Investitionen erweisen sich damit weitgehend als wertlos. Trotz vertraglicher Grundlagen, die diese Wirkungen für die gegenwärtige Situation nicht vorsehen, fragen sich Unternehmenslenker nach der Verlässlichkeit von politisch abgeschlossenen Abkommen. Diese Frage scheint berechtigt und wird durch die “Normative Kraft des faktischen Handelns” flankiert.

Dr. José A. Campos Nave, EMBA (A&C), RA/FAStR/FAGesHaR, ist Geschäftsführender Partner bei Rödl & Partner. Er ist im Rahmen seiner Länderverantwortung zuständig u. a. für die Büros in Teheran, Dubai, Nairobi und Johannesburg.

 
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