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BB 2022, I
Freiberg 

Umsetzung der Richtlinie zum Public Country by Country Reporting – viel Bürokratie, geringer Nutzen

Abbildung 1

Nur durch Berichterstattung trocknen Steueroasen nicht aus

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) arbeitet wieder mit Hochdruck an der Anpassung des deutschen Handelsgesetzbuchs (HGB). Bis zum 22.6.2023 ist die am 24.11.2021 verabschiedete Richtlinie (EU) 2021/2101, ABlEU vom 1.12.2021, L 429, 1) zum Public Country by Country Reporting (CbCR) in nationales Recht zu übernehmen. Inhaltlich geht es um die Verankerung einer Verpflichtung zur Offenlegung von länderbezogenen Ertragsteuerinformationen, also ein CbCR durch bestimmte Unternehmen und Zweigniederlassungen, im HGB. Da eine inhaltliche Festlegung und Entscheidung über das “Ob” bereits mit Verabschiedung der Richtlinie erfolgte und eine nationale Abweichung nur in den Grenzen der bestehenden Gestaltungsspielräume möglich ist, geht es um das “Wie”. Betroffen von der Pflicht zur Informationsbereitstellung für nach dem 21.6.2023 beginnende Geschäftsjahre sind nach der EU-weiten Einigung im Inland ansässige konzernunverbundene Unternehmen sowie oberste Mutterunternehmen, deren (Konzern-)Umsatzerlöse zweier aufeinanderfolgender Geschäftsjahre jeweils einen Betrag von 750 Mio. Euro übersteigen. Innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres besteht die Pflicht zur öffentlichen Information über das Berichtssubjekt sowie zu den (Geschäfts-)Aktivitäten in mutmaßlichen Steueroasen, quantifiziert – aber ohne Vorgabe eines Verhältnisses oder einer Gewichtung – nach Anzahl der Mitarbeiter, Umsatz, Gewinn sowie geschuldeter und gezahlter Ertragsteuer. In Abgrenzung zu der sich für deutsche Unternehmen bereits aus der nach den §§ 138a AO ff. bestehenden Rechenschaftspflicht gegenüber dem Fiskus, an die auch etwaige Besteuerungsfolgen geknüpft sind, wurde mit der Public-CbCR-Richtlinie eine weitere öffentliche Berichtspflicht geschaffen, über deren Erfüllung bezogen auf das “Ob” der Abschlussprüfer im Bestätigungsvermerk informieren soll. Die zusätzliche Bürde für die betroffenen Unternehmen, aber auch für die Adressaten wird im Wesentlichen auf folgende Annahmen gestützt:

  • Mit der Verpflichtung auf eine öffentliche Transparenz soll eine Selbstregulierung erfolgen. Es wird unterstellt, dass Unternehmen sich aus Steueroasen zurückziehen, wenn über die Aktivitäten in solchen berichtet werden muss.

  • Der Erfüllungsaufwand für die Unternehmen ist gering, da es bereits die Rechenschaftspflicht gegenüber dem Fiskus, also ein Non-Public CbCR, gibt.

Die jahrelange Befassung mit der Verpflichtung auf ein EU Public CbCR erfolgte nach dem Leitgedanken einer Lenkungswirkung der öffentlichen Information über die Verteilung von Gewinnen und Steuerzahlungen zu einer sachgerechten und fairen Besteuerung unternehmerischer Tätigkeiten. Die bloße Redepflicht geht aber nicht zwangsläufig mit einer Verhaltensänderung – ohne eine Wertung zu treffen, ob diese überhaupt erforderlich ist – einher. Zu informieren ist im Rahmen einer Rückschau über eine abgelaufene Periode mit einem Zeitversatz von bis zu zwölf Monaten, in Ausnahmefällen wird über eine Schutzklausel ein Aufschub von fünf Jahren gewährt. Die Fakten können mit einer begleitenden Kommunikation in das gewünschte Licht gerückt, der Adressat mindestens aber zu einer bestimmten Interpretation verleitet werden. Gewünscht ist gleichwohl eine prospektive Disziplinierung des steuergestaltenden Verhaltens. Inwieweit diese Pflicht zur Transparenz auch zu einem “Weniger” an (Steuer-)Gewinnverlagerung führt, lässt sich empirisch (noch) nicht messen. Inhaltlich stellt sich darüber hinaus die Frage der Vereinbarkeit mit dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), wenn Geschäftsaktivitäten in den Niederlanden oder in Irland, die Teil des europäischen Binnenmarkts sind, in einem EU Public CbCR, als “nicht steuerehrlich” gebrandmarkt werden.

Der tatsächliche Informationswert und die Erreichung des gewünschten Ziels einer Selbstregulierung durch eine Pflicht zur Transparenz sind nicht nachgewiesen. Sicherheit besteht aber im Hinblick auf die zusätzlichen Kosten. Unabhängig von der Ausgangsfrage, ob es überhaupt eigener Vorgaben für ein EU Public CbCR bedarf, ist die Umsetzung über eine Richtlinie nicht überzeugend. Die gegenüber dem Fiskus bestehende Berichtspflicht ist im (nicht-harmonisierten) nationalen Steuerrecht angelegt, eine Umsetzung über eine Richtlinie kann bestenfalls, wird aber im Regelfall nicht zu einer Konsistenz führen. Die betroffenen Unternehmen haben daher künftig zwei CbCR-Berichte aufzustellen: Einer richtet sich an den Fiskus, der andere an die interessierte (?) Öffentlichkeit. Im theoretischen Ideal braucht man nur einen Bericht, der den unterschiedlichen Adressaten zur Verfügung gestellt wird. Wegen der fehlenden Konsistenz der Anforderungen kann kein Gleichklang erzielt werden, und es stellen sich zwangsläufig Zweifelsfragen im Zuge der nationalen Umsetzung. Wenn ein Level Playing Field geschaffen werden soll, also eine grenzüberschreitende Vergleichbarkeit über unterschiedliche Berichtssubjekte sichergestellt sein soll, bedarf es einer unionsweit geltenden Verordnung. Verzichtet man auf standardisierte Vorgaben, bietet es sich an, auf die nationalen Vorgaben für den Non-Public CbCR abzustellen. Der Ansatz über eine Richtlinie, deren Umsetzung nationale Fragen aufwirft, ist nicht überzeugend und erzeugt bürokratischen Mehraufwand. Eine Kommentierungsfrist von gerade mal einem Monat für den Referentenentwurf vom 30.9.2022 (abrufbar unter https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Offenlegung_Vertragssteuerinformationen.html?nn=6705022, Abruf: 10.11.2022) wirkt leider auch nicht akzeptanzerhöhend. Eine durchgreifende Verordnung wäre für die gewünschte Erreichung der Ziele 12 (Nachhaltige/r Konsum Produktion) und 16 (Frieden und Gerechtigkeit) der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (abrufbar unter https://www.bmz.de/de/agenda-2030, Abruf: 14.11.2022) besser geeignet. Die bestehenden Zweifel an der Wirksamkeit der Vorgaben geben wenig Anlass zu Optimismus. Allgemein anerkannt gilt der Leitsatz: Tue Gutes und rede darüber. Die Gültigkeit des Umkehrschlusses ist nicht belegt, anders gewendet: Nur durch Berichterstattung trocknen Steueroasen nicht aus, tut man also nichts Gutes.

Dr. Jens Freiberg, WP, ist Head of Capital Markets der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft an den Standorten Düsseldorf und Frankfurt a. M., Mitglied im Beirat des “Betriebs-Berater”, Mitglied des Fachausschusses Berichterstattung (FAB) des Instituts der Wirtschaftsprüfer e. V., Mitglied im Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaftslehre e. V. sowie Mitglied des IFRS Interpretation Committee.

 
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