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Sicherheit, Gefahr, Risiko und Vorsorge im Lebensmittelrecht: Ein Beitrag zur Klärung von Begrifflichkeiten und Konzeption in der BasisVO [Verordnung (EG) Nr. 178/2002] (2025), S. Seite 210, Seite 211 
D. Schlussfolgerungen 
Alexander Thomas Lang 

D. Schlussfolgerungen

Auf Grundlage der vorstehenden Untersuchung des zweigliedrig ausgestalteten lebensmittelrechtlichen Nicht-Sicherheitsbegriffes aus Art. 14 Abs. 2 BasisVO lassen sich profunde Erkenntnisse hinsichtlich dessen tatbestandlicher Struktur formulieren, die eine Einordnung desselben in das wissenschaftszentrierte System der Risikoanalysen genauso ermöglichen, wie eine entsprechende Synchronisation mit dem Risikobegriff aus Art. 3 Nr. 9 BasisVO. Hierzu sei zunächst respektive nochmals auf die unterschiedlichen Voraussetzungen einer Gesundheitsschädlichkeit und einer Verzehrsungeeignetheit hingewiesen:

Während erstere eine klar auswirkungsorientiere Ausgestaltung 1499 erfahren hat, mit der zwangsläufig eine epistemische Unsicherheit betreffs der dazugehörigen, auch wissenschaftlichen Erhebungen einhergeht, erfordert die Annahme der Gesundheitsschädlichkeit keine vollständige, insoweit praktisch auch schwer zu bewerkstelligende, vollständige, positive Feststellung der gesundheitsschädlichen Effekte, sondern lediglich eine (prognostische) Wahrscheinlichkeit, 1500 welche mit diesen durchaus in Funktion gesetzt werden kann. 1501

Demgegenüber knüpft zweitere (also die Verzehrsungeeignetheit) an gegenständliche Umstände, namentlich an eine Kontamination bzw. eine stoffliche Veränderung, des Lebensmittels, die sich – so die verordnungsgeberische Wertung – im Falle des Vorliegens, mithin erfordern diese konsequenterweise sodann eine positive Feststellung, 1502 jederzeit zu einer Gesundheitsschädlichkeit entwickeln können 1503 .

Beide Alternativen des Nicht-Sicherheitsbegriffes stellen demzufolge qualifizierte bzw. konkretisierte lebensmittelbedingte Risiken dar, im Detail: die Gesundheitsschädlichkeit ein in materieller Hinsicht qualitativ gesteigertes Risiko, 1504 die Verzehrsungeeignetheit ein normativ manifestiertes sachliches Ri Seite 210 siko, welches Agenzien im Sinne des Art. 3 Nr. 14 BasisVO, somit risikopotente Umstände in Bezug nimmt, 1505 die (freilich unter Berücksichtigung des beabsichtigten Verwendungszwecks) jederzeit, mittelbar oder unmittelbar zu einer Gesundheitsbeeinträchtigung oder gar zu einer Gesundheitsschädlichkeit umschlagen können, 1506 insoweit aber augenfällig und klar regelwidrig sind 1507 .

Daraus (bzw. soweit die bisherigen Untersuchungen reichen) ergibt sich ein in sich doch stimmiges Bild des Systems der lebensmittelrechtlichen Risikobewältigung, welches in dem Risikobegriff aus Art. 3 Nr. 9 BasisVO seinen Ausgangspunkt nimmt, da eben mittels diesem bzw. auf Grundlage von entsprechenden Risikobewertungen nach Art. 3 Nr. 11 BasisVO sämtliche lebensmittelbedingte Risiken eingehend betrachtet und beschrieben 1508 und auf diese Weise ganz heterogene Risikomanagementmaßnahmen gemäß Art. 6 Abs. 3, Art. 3 Nr. 12 BasisVO ermöglicht werden 1509 . Art. 14 BasisVO kanalisiert in diesem Zusammenhang solche Risikomanagementmaßnahmen hin zu einem strikten Verkehrsverbot, weist dabei jedoch (auch unter Einbeziehung des unionalen Hygienerechts 1510 sowie des – für die bundesdeutsche Ebene geltenden – § 12 LFGB) schon für sich eine abgestufte Gestaltung auf, die sich wie folgt darstellt:

Soweit (erstens) entweder Verstöße gegen hygienerechtliche Vorschriften oder gegen § 12 LFGB erblickt werden, folgt daraus einerseits eine Verpflichtung für den Lebensmittelunternehmer diese abzustellen, gegebenenfalls andererseits für die zuständigen staatlichen Stellen adäquate Maßnahmen auf Grundlage der Art. 137, 138 KontrollVO zu ergreifen, die unter Berücksichtigung des Einzelfalles und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes neben weiteren Mitteln auch ein Verkehrsverbot legitimieren können. Solche (unhygienischen oder ekelerregenden) Umstände lassen bereits nach lebensnaher Betrachtung – und dies entspricht insoweit auch der verordnungsgeberischen Wertung – mitunter möglicherweise eine Ausweitung auf die Lebensmittel selbst befürchten, als dass eine Kontamination bzw. stoffliche Veränderung eintreten kann,

sodass (zweitens) für jene, die eine Verzehrsungeeignetheit begründen und demzufolge wiederum zu einer Gesundheitsschädlichkeit kippen können, bereits ein striktes Verkehrsverbot nach Art. 14 Abs. 1 BasisVO greift,

Seite 211 welches gleichwohl (drittens) im Falle einer wahrscheinlichen Gesundheitsschädlichkeit gilt.

Der Begriff der Gesundheitsschädlichkeit aus Art. 14 Abs. 2 lit. a BasisVO weist insofern eine starke konzeptionelle Nähe zu dem deutschen polizeirechtlichen Gefahrenbegriff auf, 1511 da beiden eine klare Erheblichkeits- bzw. Aktivierungsschwelle genauso immanent ist, 1512 wie das Hineinmünden in eine ausschließliche und nicht weiter bzw. besonders rechtfertigungsbedürftige 1513 Gefahren- respektive (qualitativ konkretisierte) Risikoabwehr, 1514 im Falle letzterer in Form eines unbedingten Verkehrsverbotes. Eine solche Ähnlichkeit lässt sich demgegenüber nicht für die Verzehrsungeeignetheit aus Art. 14 Abs. 2 lit. b BasisVO erblicken, die zwar ebenso zu einem strikten Verkehrsverbot führt, allerdings ausschließlich an regelwidrige Umstände anknüpft. 1515

1499

1499 Siehe hierzu die vorstehenden Ausführungen unter Teil 4.B. I.

1500

1500 Siehe hierzu die vorstehenden Ausführungen unter Teil 4.B.II.

1501

1501 Siehe hierzu die vorstehenden Ausführungen unter Teil 4.B.III.

1502

1502 Siehe hierzu die vorstehenden Ausführungen unter Teil 4.C. I.

1503

1503 Siehe hierzu die Schlussfolgerungen unter Teil 4.C.III.

1504

1504 Siehe hierzu die Schlussfolgerungen unter Teil 4.B.IV.

1505

1505 Siehe hierzu die vorstehenden Ausführungen unter Teil 4.C. I.

1506

1506 Siehe hierzu die Schlussfolgerungen unter Teil 4.C.III.

1507

1507 Siehe hierzu die vorstehenden Ausführungen unter Teil 4.C. I. sowie die Schlussfolgerungen unter Teil 4.C.III.

1508

1508 Siehe hierzu die Schlussfolgerungen unter Teil 2.C.

1509

1509 Siehe hierzu bereits die Ausführungen unter Teil 3.B.

1510

1510 Auf eine detaillierte Betrachtung des unionalen Hygienerechts wurde im Rahmen der hiesigen Darstellung freilich verzichtet.

1511

1511 Dies in Anknüpfung an die und Fortsetzung der Schlussfolgerungen unter Teil 4.B.IV.

1512

1512 Zur tatbestandlichen Ausgestaltung des deutschen polizeirechtlichen Gefahrenbegriffes siehe bereits die Ausführungen unter Teil 1.C. I. und II.

1513

1513 Siehe Möstl, LMuR 2022, 513, 514.

1514

1514 Zur Gestaltung der ausschließlich auf die Beseitigung der Gefahr bzw. die (Wieder-)Herstellung störungsfreier Zustände gerichteten Rechtsfolge des polizeirechtlichen Gefahrenbegriffes siehe bereits die Ausführungen unter Teil 1.C.III.

1515

1515 Siehe hierzu insgesamt die vorstehenden Ausführungen unter Teil 4.C.

 
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