Seite 75 Teil 3 Das Risikomanagement und die (Rechts-)Folgen der Risikobewertung
Das Risikomanagement bildet den sog. zweiten Einzelschritt der Risikoanalyse und verkörpert
„den von der Risikobewertung unterschiedenen Prozess der Abwägung strategischer Alternativen in Konsultation mit den Beteiligten unter Berücksichtigung der Risikobewertung und anderer berücksichtigenswerter Faktoren und gegebenenfalls der Wahl geeigneter Präventions- und Kontrollmöglichkeiten“ 482 ,
der insoweit der Risikobewertung nachfolgt. Das Risikomanagement stellt demgemäß der verobjektivierten, funktional hiervon getrennten 483 , wissenschaftlichen Risikobewertung die notwendigen Handlungsinstrumente zur Seite, 484 um in komplexen, von spezifizierten Wissen in Bezug auf Kausalität und Wirkung geprägten Entscheidungssituationen angemessen reagieren und das lebensmittelrechtliche Primärziel eines hohen Maßes an Schutz für das Leben und die Gesundheit der Menschen aus Art. 5 Abs. 1 BasisVO erreichen zu können. 485 Risikomanagement ist ausweislich der entsprechenden Legaldefinition des Art. 3 Nr. 12 BasisVO also kein (rein) wissenschaftlicher, sondern vielmehr ein politischer Prozess, in den freilich die Ergebnisse der Risikobewertung Eingang finden, darüber hinaus aber auch andere berücksichtigenswerte Faktoren, die miteinander und gegeneinander abzuwägen sind, was gleichzeitig bedeutet, dass Risikomanagementmaßnahmen (möglicherweise) nur partiell wissenschaftlich begründbar sind bzw. nicht zwangsläufig die logische Folge der fundierten wissenschaftlichen Grundlegung darstellen. 486
Dieser relevante Umstand, der prima facie durchaus als ein inkonsequenter Bruch innerhalb des wissenschaftszentrierten Ansatzes der BasisVO bezeichnet werden könnte, liegt in den unterschiedlichen Zielsetzungen der beiden Verfahrensabschnitte begründet. Denn während der Risikobewertung die Gewinnung fundierter wissenschaftlicher Ergebnisse immanent ist, dient das
Nachdem in diesem Zusammenhang zunächst – in einem ersten Schritt – die Risikomanagemententscheidung bzgl. des Ob des Tätigwerdens zu treffen ist, 490 ist sodann – in einem zweiten Schritt – eine Auswahl über diejenigen risikosteuernden Maßnahmen bzw. die sog. strategischen Alternativen vorzunehmen, 491 die durchaus ein breites Spektrum aufweisen. 492 So reichen die entsprechenden Handlungsoptionen von bloßen Empfehlungen über den Entschluss, weitere Nachforschungen anzustellen, auf Rechtsetzungsebene bis hin zu dem Erlass konkreter Rechtsvorschriften bzw. auf Rechtsdurchsetzungsebene betreffende Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen in Vollzug zu setzen. 493 Weiterhin stellt auch die Information oder Warnung der Öffentlichkeit eine relevante und in der BasisVO unmittelbar geregelte 494
482 | 482 So die Legaldefinition des Risikomanagements aus Art. 3 Nr. 12 BasisVO. |
483 | 483 Die Legaldefinition des Risikomanagements aus Art. 3 Nr. 12 BasisVO manifestiert ausdrücklich, dass es sich hierbei um einen „von der Risikobewertung unterschiedenen Prozess“ handelt; siehe hierzu bereits die Ausführungen unter Teil 2.B. I. |
484 | 484 Fuchs, Lebensmittelsicherheit in der Mehrebenenverwaltung, S. 76; Simon, Kooperative Risikoverwaltung im neuen Lebensmittelrecht, S. 112f. |
485 | 485 Ähnlich bereits Röhrig, Risikosteuerung im Lebensmittelrecht, S. 105; Simon, Kooperative Risikoverwaltung im neuen Lebensmittelrecht, S. 113. |
486 | 486 Gelbert, Die Risikobewältigung im Lebensmittelrecht, S. 57; Gorny, Kommentar zur VO (EG) Nr. 178/2002, Rn. 212. |
487 | 487 Groß, Die Produktzulassung von Novel Food, S. 373; Fuchs, Lebensmittelsicherheit in der Mehrebenenverwaltung, S. 76; Burchardi, Die Vereinbarkeit der europäischen Vorschriften zur Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel mit dem Welthandelsrecht, S. 101. |
488 | 488 So auch Erwägungsgrund 19 der BasisVO: „Es wird allgemein anerkannt, dass die wissenschaftliche Risikobewertung allein in manchen Fällen nicht alle Informationen liefert, auf die sich eine Risikomanagemententscheidung gründen sollte, und dass auch noch andere für den jeweils zu prüfenden Sachverhalt relevante Faktoren wie beispielsweise gesellschaftliche, wirtschaftliche und ethische Gesichtspunkte, Traditionen und Umwelterwägungen wie auch die Frage der Kontrollierbarkeit zu berücksichtigen sind.“. |
489 | 489 Roth, Die allgemeine Lebensmittelüberwachung als Instrument des Verbraucherschutzes, S. 70; Simon, Kooperative Risikoverwaltung im neuen Lebensmittelrecht, S. 113. |
490 | 490 Siehe hierzu im Detail die nachfolgenden Ausführungen unter Teil 3.A. |
491 | 491 Siehe hierzu im Detail die nachfolgenden Ausführungen unter Teil 3.B. |
492 | 492 Vgl. hierzu auch Burchardi, Die Vereinbarkeit der europäischen Vorschriften zur Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel mit dem Welthandelsrecht, S. 102; Thilo Ortgies, Rechtliches Risikomanagement im Lebensmittelrecht, S. 273f. |
493 | 493 Thilo Ortgies, Rechtliches Risikomanagement im Lebensmittelrecht, S. 274; Gelbert, Die Risikobewältigung im Lebensmittelrecht, S. 57. |
494 | 494 So bspw. Art. 10 BasisVO sowie das in Art. 50ff. BasisVO manifestierte Schnellwarnsystem. |
495 | 495 Thilo Ortgies, Rechtliches Risikomanagement im Lebensmittelrecht, S. 274; Rathke, in: Sosnitza/Meisterernst (ehem. Zipfel/Rathke), Art. 3 BasisVO, Rn. 80a. |
496 | 496 Vgl. auch Simon, Kooperative Risikoverwaltung im neuen Lebensmittelrecht, S. 113. |