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Sicherheit, Gefahr, Risiko und Vorsorge im Lebensmittelrecht: Ein Beitrag zur Klärung von Begrifflichkeiten und Konzeption in der BasisVO [Verordnung (EG) Nr. 178/2002] (2025), S. Seite 236—Seite 238 
Teil 6 Zusammenfassung der Ergebnisse – Thesen 
Alexander Thomas Lang 

Seite 236 Teil 6 Zusammenfassung der Ergebnisse – Thesen

Im Rahmen der vorstehenden Untersuchung wurde deutlich, dass die in der BasisVO verwendeten, höchstrelevanten Rechtsbegriffe im Zusammenhang mit der Risikoanalyse, der Lebensmittelsicherheit und der Vorsorge auch mehr als zwei Dekaden nach dem Erlass des Rechtsaktes zwar noch mit erheblichen Auslegungs- und Applikationsproblemen belegt sind, bei entsprechender Lesart allerdings doch eine in sich stimmige Anwendung ermöglichen. Diese hier entwickelte Konzeption lässt sich in folgenden Hauptaussagen (Thesen) zusammenfassen:

These 1:

Der Risikobegriff aus Art. 3 Nr. 9 BasisVO beinhaltet ipso iure keine Eingriffsschwelle zum behördlichen oder unternehmerischen Tätigwerden, 1723 sondern beschreibt als Ergebnis der Risikobewertung gemäß Art. 3 Nr. 11 BasisVO lebensmittelbedingte Risiken lediglich in ihrer Gesamtheit, 1724 um dem Risikomanagement eine wissenschaftlich fundierte Entscheidungsgrundlage zur Verfügung zu stellen 1725 .

These 2:

Das staatlicherseits zu vollziehende lebensmittelrechtliche Risikomanagement auf Grundlage des Art. 6 Abs. 3 BasisVO stellt eine vornehmlich politische Entscheidung dar, die sich vor dem Hintergrund des wissenschaftszentrierten Ansatzes der BasisVO allerdings auf eine wissenschaftliche Basis stützen muss und sich insbesondere aufgrund des in Art. 5 Abs. 1 BasisVO statuierten Primärziels eines hohen Maßes an Schutz für das Leben und die Gesundheit der Menschen vorrangig und zwingend daran zu orientieren hat, ob gesundheitliche Auswirkungen zu befürchten sind. 1726 Sog. andere berücksichtigenswerte Faktoren finden in solche Entscheidungen nur insoweit Eingang, wie sie nicht durch gesundheitsbeeinträchtigende Auswirkungen überlagert werden, können gleichwohl allerdings den Ausgangspunkt für strengere oder weitergehende Anforderungen bilden. 1727

These 3:

Die Schwelle zur Verpflichtung des staatlichen respektive lebensmittelunternehmerischen Tätigwerdens im Zusammenhang mit

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lebensmittelbedingten Risiken bedarf konkretisierter tatbestandlicher Anforderungen, die sich als sog. qualifizierte Risiken 1728 in den entsprechenden Vorschriften der BasisVO wiederfinden und insoweit, auch mit Blick auf deren Rechtsfolgen, eine abgestufte Systematik aufweisen.

These 4:

Die jeweiligen materiellen Komponenten des Risikobegriffes aus Art. 3 Nr. 9 BasisVO in Form der Gesundheitsbeeinträchtigung und des Art. 14 Abs. 2 lit. a i.V.m. Abs. 4 BasisVO in Form der Gesundheitsschädlichkeit weisen einen unterschiedlichen Bedeutungsgehalt auf, 1729 da es sich bei Letzterer um eine materiell gesteigerte Gesundheitsbeeinträchtigung handelt. 1730

These 5:

Das Merkmal der Verzehrsungeeignetheit aus Art. 14 Abs. 2 lit. b i.V.m. Abs. 5 BasisVO beinhaltet ein normativ statuiertes, sachliches Risiko, 1731 welches ausschließlich an objektive respektive gegenständliche Umstände (konkret: an eine stoffliche Veränderung oder alternativ eine Kontamination des Lebensmittels) anknüpft, die sich – ohne selbst eine solche tatbestandlich vorauszusetzen – nach lebensnaher Erfahrung ad hoc zu einer Gesundheitsschädlichkeit entwickeln können 1732 . 1733

These 6:

Vorläufige Risikomanagementmaßnahmen der zuständigen staatlichen Stellen in sog. Vorsorgefällen 1734 können unmittelbar auf Art. 7 BasisVO gestützt werden, der insoweit eine taugliche Befugnisgrundlage sui generis darstellt und dem diesbezüglich eine stark politisch geprägte Entscheidung 1735 zugrunde liegt, welche sich von dem wissenschaftszentrierten Ansatz der BasisVO insoweit abhebt, so lange (noch) keine fundierte wissenschaftliche Risikobewertung möglich 1736 ist.

These 7:

Die Abgrenzung zwischen der (wahrscheinlichen) Gesundheitsschädlichkeit i.S.d. Art. 14 Abs. 2 lit. a i.V.m. Abs. 4 BasisVO und

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der Möglichkeit gesundheitsschädlicher Auswirkungen i.S.d. Art. 7 Abs. 1 BasisVO erfolgt einerseits zwar anhand des Kriteriums der wissenschaftlichen Unsicherheit, 1737 unterliegt andererseits aber – soweit diese besteht – einer gerichtlich überprüfbaren Beurteilungsprärogative der zuständigen Behörden, denen im Falle der Dezision in Richtung des einen oder anderen Regelungsregimes eine diesfällige Begründungspflicht hinsichtlich der jeweiligen Anforderungen obliegt. 1738

These 8:

Die konkretisierten Risikobegriffe 1739 im Rahmen der Art. 10, 50, 53, 14 und 19 BasisVO 1740 weisen eine große Nähe und Vergleichbarkeit zu den im Rahmen des deutschen Polizeirechts verwendeten Gefahrenbegriffen 1741 auf, da sie (erstens) die jeweilige Eintrittswahrscheinlichkeit mit den gesundheitlichen Auswirkungen in Funktion setzen und hierbei (zweitens) eine qualifizierte Eingriffs- respektive Tätigkeitsschwelle beinhalten, indem sie entweder allein, alternativ oder kumulativ gesteigerte prognostische bzw. materielle Anforderungen an das konstatierte Risiko stellen, sowie (drittens) in diesbezüglich eigens präzisierte Rechtsfolgen münden.

These 9:

Die Behandlung entsprechender Vorsorgefälle nach Maßgabe des Art. 7 BasisVO weist eine große Ähnlichkeit zu dem Umgang mit sog. Risiken im Rahmen des deutschen, technischen Sicherheitsrechts auf, indem beiderlei mit wissenschaftlich-epistemischen Ungewissheiten 1742 und den diesfälligen gesellschaftlichen Bedürfnissen 1743 nach einer Reglementierung operieren und diese ambivalenten Pole einer verhältnismäßigen, rechtskonformen Regulierung zuführen müssen, die in ihren (Rechts-)Folgen deutlich weniger vorgezeichnet sind als im Falle polizeilicher Gefahren respektive konkretisierter Risiken i.S.d. einschlägigen Vorschriften der BasisVO 1744 .

1723

1723 Siehe hierzu die Schlussfolgerungen unter Teil 3.C.

1724

1724 Siehe hierzu die Schlussfolgerungen unter Teil 2.B.IV., unter Teil 2.C. sowie unter Teil 3.C.

1725

1725 Siehe hierzu die Schlussfolgerungen unter Teil 2.C. a.E. sowie unter Teil 3.C.

1726

1726 Siehe hierzu vornehmlich die Schlussfolgerungen unter Teil 3.C.

1727

1727 Siehe hierzu vornehmlich die Zusammenfassung und Schlussfolgerungen unter Teil 3.B.IV.3.

1728

1728 Solche konkretisierten bzw. qualifizierten Risikobegriffe finden sich (explizit) in Art. 10 BasisVO (siehe unter Teil 3.B.III.3.a.), in Art. 50 BasisVO (siehe unter Teil 3.B.III.3.b.), in Art. 53 BasisVO (siehe unter Teil 3.B.III.4.), sowie (implizit) in Art. 14 BasisVO (unter Teil 4) und Art. 19 BasisVO (unter Teil 3.B.II.2.).

1729

1729 Hierauf hindeutend bereits die Schlussfolgerungen unter Teil 2.A.VI. und Teil 2.B.IV.

1730

1730 Siehe hierzu die Schlussfolgerungen unter Teil 4.B.IV. sowie unter Teil 4.D.

1731

1731 Siehe hierzu die Schlussfolgerungen unter Teil 4.D.

1732

1732 Siehe hierzu die Schlussfolgerungen unter Teil 4.C.III.

1733

1733 Siehe hierzu die Schlussfolgerungen unter Teil 4.D.

1734

1734 Siehe hierzu die Ausführungen unter Teil 5.A.

1735

1735 Siehe hierzu die Ausführungen unter Teil 5.B. I. und II.

1736

1736 Siehe hierzu die Schlussfolgerungen unter Teil 5.C.

1737

1737 Siehe hierzu die Ausführungen unter Teil 5.A. I.

1738

1738 Siehe hierzu die Schlussfolgerungen unter Teil 5.C.

1739

1739 Nicht jedoch der originäre Risikobegriff aus Art. 3 Nr. 9 BasisVO, siehe hierzu vorstehende These 1.

1740

1740 Siehe hierzu bereits vorstehende These 3.

1741

1741 Siehe hierzu die Ausführungen unter Teil 1.C.

1742

1742 Siehe hierzu (in Bezug auf das deutsche, technische Sicherheitsrecht) die Ausführungen unter Teil 1.C. I. und II., sowie (in Bezug auf Art. 7 BasisVO) die Ausführungen unter Teil 5.A.

1743

1743 Siehe hierzu (in Bezug auf das deutsche, technische Sicherheitsrecht) die einleitenden Ausführungen zu Teil 1.C. und (in Bezug auf Art. 7 BasisVO) die Ausführungen unter Teil 5.B. I. und II.

1744

1744 Siehe hierzu (in Bezug auf das deutsche, technische Sicherheitsrecht) die Ausführungen unter Teil 1.C.III. und (in Bezug auf Art. 7 BasisVO) die Ausführungen unter Teil 5.B.III. und IV.

 
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