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CB 2018, I
Fladung 

Compliance der Zukunft im Koalitionsvertrag

Mit der Abkehr vom Opportunitätsprinzip kommt ein starkes Unternehmenssanktionsrecht

Abbildung 1

“Wir wollen sicherstellen, dass Wirtschaftskriminalität wirksam verfolgt und angemessen geahndet wird. Deshalb regeln wir das Sanktionsrecht für Unternehmen neu.” Mit diesen zwei Sätzen beginnt der Unterabschnitt “Pakt für den Rechtsstaat” des Koalitionsvertrags der 19. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages zwischen der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU), der Christlich-Sozialen Union in Bayern (CSU) und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), der nach der Bundestagswahl 2017 ausgehandelt und am 7. Februar 2018 geschlossen wurde. Anlässe für dieses Vorhaben boten sich mit Diesel-Gate, Cum Ex-Geschäfte & Co. ausreichend.

Lange hatte die sog. Große Koalition für diesen Koalitionsvertrag gebraucht, nachdem der Versuch der Regierungsbildung zwischen CDU/ CSU mit den Grünen und der FDP gescheitert war. So viel Zeit ging ins Land, dass sich ein eigener Begriff für diese Vor-Regierungsform im Sprachgebrauch etablierte: die sog. Prä-GroKo war geboren! Mit Spannung wurde daher auch erwartet, welche Veränderungen hinsichtlich des Themas Compliance auf die Unternehmen zukommen werden. Hatte man doch bereits in der Vergangenheit unter dem Schlagwort “Unternehmensstrafrecht” etliche Versuche unternommen, eine Strafbarkeit von Unternehmen einzuführen (vgl. dazu etwa die Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden von Fladung in CB 2013, 380).

Den Begriff des Unternehmensstrafrechts sucht man im aktuellen Koalitionsvertrag allerdings vergeblich. Dennoch findet sich der Grundgedanke der Verschärfung der strafrechtlichen Unternehmenshaftung unter dem Begriff “Unternehmenssanktion” wieder. Ausgangspunkt für die Zurechnung zum profitierenden Unternehmen soll dabei das Fehlverhalten seiner Mitarbeiter sein. In der Konsequenz sieht die Koalition eine Abkehr vom bisher allein einschlägigen Ordnungswidrigkeitenrecht und dessen Opportunitätsprinzip vor. Künftig wird damit die Verfolgung des Unternehmens nicht mehr im Ermessen der Behörde liegen. Ziel ist eine bundesweit einheitliche Rechtsanwendung, so dass die Sanktionierung des Unternehmens zukünftig die Regel sein wird (Legalitätsprinzip).

Ganz nach dem erfolgreichen Vorbild des Kartellrechts und der zum Mai anwendbaren EU-Datenschutz-Grundverordnung ist im Koalitionsvertrag auch schon ein klarer Sanktionsrahmen formuliert: Die Höhe der Geldsanktion ist an der Wirtschaftskraft des Unternehmens zu orientieren. Bei Unternehmen mit mehr als 100 Millionen Euro Umsatz bedeutet dies – nach derzeitiger Vorstellung – eine Höchstgrenze von zehn Prozent des Umsatzes. Damit würde dem letzten Zweifler im Unternehmen die Bedeutung der Wirtschaftskriminalitätsbekämpfung deutlich vor Augen geführt werden.

Gleichzeitig lassen die Formulierungen im Koalitionsvertrag darauf schließen, dass eine Haftungserleichterung für die unternehmerischen Bemühungen für die Einhaltung von Recht und Gesetz in Aussicht gestellt wird. Dieses Anreizsystem wäre ebenfalls nicht neu. Dabei fällt dem geneigten Leser des Koalitionsvertrags auf, dass das Wort “Compliance” nicht mit einer einzigen Silbe erwähnt wird. Vielmehr bemühte man sich, um eine ordentliche Umschreibung der Kernpunkte eines Compliance-Systems. Konkrete und nachvollziehbare Zumessungsregeln für sog. “Unternehmensgeldsanktionen” sollen geschaffen werden. Ergänzt wird dies durch die Absichtserklärung, dass klare Verfahrensregelungen für mehr Rechtssicherheit der betroffenen Unternehmen sorgen sollen, und dass spezifische Regelungen über Verfahrenseinstellungen zu schaffen sind.

Einen wesentlichen Compliance-Aspekt nennt der Koalitionsvertrag dann jedoch doch noch: Internal Investigation. Für Internal Investigation sind ausdrücklich gesetzliche Vorgaben vorgesehen, die insbesondere beschlagnahmte Unterlagen und Durchsuchungsmöglichkeiten umfassen. In diesem Zusammenhang wird davon gesprochen, gesetzliche Anreize zur Aufklärungshilfe durch Internal Investigations und zur anschließenden Offenlegung der hieraus gewonnenen Erkenntnisse zu setzen (sog. “naming and shaming”). Insgesamt wird mit dem Koalitionsvertrag durchaus ein neuer Weg zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität beschritten. Compliance der Zukunft zeichnet sich dabei durch die Einführung eines Unternehmenssanktionsrechts aus.

Armin Fladung, RA, C.O., DSB, ist beratend mit dem Schwerpunkt Compliance, Arbeitsrecht und Datenschutz tätig. Als Geschäftsführer des CAD – Institut für Compliance, Arbeitsrecht und Datenschutz ist er Teil der Schriftleitung des CB.

 
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