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CB 2022, I
Förster 

Great cases – do not always – produce bad law

„Eine der positiven Folgen des Wirecard-Skandals“

Wird ein Geschäftsführer, Vorstand, Beirat, Aufsichtsrat oder anderer unternehmensleitender Manager von dem von ihm geleiteten Unternehmen wegen eines Schadens infolge einer behaupteten Verletzung ihn treffender Leitungspflichten in Anspruch genommen, ist damit oft die wirtschaftliche Existenz des Managers bedroht. Abgesehen von der finanziellen Komponente drohen Image- und Reputationsschäden, gelegentlich auch strafrechtliche Konsequenzen.

Es verwundert daher nicht, dass der Manager anwaltlichen Rat zu seiner Verteidigung einholt. Wegen der regelmäßig großen wirtschaftlichen Bedeutung und der komplexen Sach- und Rechtslage sind allerdings auch die damit verbundenen Kosten nicht unerheblich. In dieser Situation sollte dem Manager die D&O-Versicherung, die das Unternehmen gerade für den Fall seiner Inanspruchnahme und zu seiner Absicherung abgeschlossen hat, helfen.

Die Überraschung ist dann in der Regel groß, wenn der D&O-Versicherer die Übernahme der Abwehrkosten ablehnt, weil z. B. eine „arglistige“ vorvertragliche Auskunfts- oder „wissentliche“ Pflichtverletzung vorliegen soll.

Dann bleibt dem Manager nur die Deckungsklage gegen den Versicherer, die allerdings wiederum Kosten verursacht und überdies Zeit in Anspruch nimmt, währenddessen der Manager seine Verteidigung gegen die gegen ihn erhobenen Schadensersatzansprüche oder in dem gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren fortlaufend selbst finanzieren muss.

Nun ist es selbstredend das gute Recht des Versicherers, die Frage der Deckung sorgfältig zu prüfen und gegebenenfalls auch die Deckung abzulehnen. Allerdings ist die Übernahme von Rechtsanwaltskosten für den Manager oft von entscheidender, wenn nicht gar existenzieller Bedeutung. Er muss sich darauf verlassen können, dass selbst bei extremen Vorwürfen seiner Gegner (zumindest vorläufig) die Abwehrkosten vom D&O-Versicherer übernommen werden. Anderenfalls ist die Rechtsschutzfunktion der D&O-Versicherung – eine Hauptleistungspflicht des D&O-Versicherers aus dem Versicherungsvertrag – für den Manager in der Praxis wertlos.

Losgelöst vom Einzelfall sind daher im Ergebnis die Entscheidungen des OLG Frankfurt vom 12. 8. 2021 (Az.: 7 U 19/21) zur Deckung der Abwehrkosten des Wirecard-Vorstandes Markus Braun sowie vom 4. 8. 2021 (Az.: 7 W 13/21) zur Deckung der Verteidigungskosten im Strafverfahren gegen den früheren Wirecard-Chefbuchhalter Stephan von Erffa zu begrüßen. Das OLG Frankfurt hat den betroffenen Versicherer im Rahmen dieser Verfahren zur (vorläufigen) Abwehrdeckung verpflichtet.

In den vereinbarten Versicherungsbedingungen war (wie nicht unüblich) vereinbart worden, dass im Falle einer Inanspruchnahme wegen einer Vorsatztat jedenfalls Abwehrdeckung zu gewähren ist, bis eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung (oder ein Geständnis) vorliegt, aus dem sich die Tatsachen ergeben, welche die wissentliche Pflichtverletzung belegen. Diese „weitreichende Zusage“ des (zumindest vorläufigen) Versicherungsschutzes gelte auch bei der Frage, ob die versicherte Person „vorsätzlich“ die Anzeigepflichten gegenüber dem Versicherer verletzt habe, wenn – wie hier – die vorgeworfene Tathandlung zugleich die (vorsätzliche) Verletzung von Anzeigepflichten begründen soll.

Im Spannungsfeld zwischen strafrechtlich relevant handelnden und zu Unrecht mit deliktischen Vorwürfen konfrontierten Managern – so das OLG Frankfurt – habe der Versicherer dem Bedürfnis des redlich, zu Unrecht beschuldigten Managers nach bestmöglicher Absicherung in der D&O-Versicherung vor existenzvernichtenden juristischen Auseinandersetzungen durch die Zusage von Verteidigungskosten den Vorrang eingeräumt, so dass sich der Manager „im Zweifel“ bei Streit über die erhobenen Vorwürfe zunächst auf die Rechtsschutzfunktion verlassen kann.

Dass D&O-Versicherer den versicherten Managern zukünftig den Versicherungsschutz nicht mehr so einfach wegen eines bloß behaupteten „vorsätzlichen“ Verhaltens verwehren können, ohne dass diese Qualifizierung (zuvor) durch ein Gericht erfolgte, ist eine der positiven Folgen des Wirecard-Skandals. Great cases – do not always – produce bad law.

Abbildung 1

Oliver Förster LL. M. (UC Hastings), Rechtsanwalt und Partner in der Kanzlei HUTH DIETRICH HAHN Rechtsanwälte PartGmbB, Attorney-at-Law, CA, USA, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Fachanwalt für Steuerrecht Diplom Finanzwirt. Neben M&A-Transaktionen und dem Gesellschafts- sowie vertraglichen Wirtschaftsrecht bilden die Vertretung von Managern in Haftungsfällen (D&O-Haftung) sowie die Prozessführung (Litigation und Arbitration) Schwerpunkte seiner Tätigkeit.

 
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