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INTER 2016, 128
Schucht 

Aktuelle Rechtsfragen im Recht des GS-Zeichens

RA Dr. Carsten Schucht*

I. Einleitung

Genuiner Bestandteil des deutschen Produktsicherheitsrechts ist das Recht des GS-Zeichens. In Bezug genommen wird damit der Abschnitt 5 des Gesetzes über die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt (Produktsicherheitsgesetz – ProdSG) vom 8.11.20111 im Allgemeinen und werden die §§ 20-23 ProdSG im Besonderen.2 Was diese Bestimmungen anbelangt, die im Übrigen ohne Vorbild im europäischen Produktsicherheitsrecht sind und damit eine Sonderstellung im deutschen Produktsicherheitsrecht einnehmen,3 wird eine Vielzahl praktisch wichtiger Rechtsfragen aufgeworfen, die eine vertiefte Auseinandersetzung verdienen. Das GS-Zeichen steht für „geprüfte Sicherheit“ und ist insbesondere von der das EU-Recht prägenden CE-Kennzeichnung abzugrenzen. Im Unterschied zur CE-Kennzeichnung, welche de lege lata eine reine Selbsterklärung des Herstellers ist,4 handelt es sich beim GS-Zeichen um ein echtes Qualitätszeichen und Gütesiegel, welches getesteten Produkten im deutschen Markt vollumfängliche Sicherheit attestiert und diese damit zugleich aus der Masse der Konkurrenzprodukte herausstechen lässt.

Im Folgenden sollen zunächst die Grundzüge des Rechts des GS-Zeichens mitsamt der praktisch wichtigen Auslegungshilfen vorgestellt werden (dazu II.), bevor die relevanten Rechtsfragen in den Fokus des Interesses gerückt werden sollen (dazu III.). Ein Fazit soll abschließend die wesentlichen Ergebnisse zusammenfassen (dazu IV.).

II. Regelungsrahmen

1. Recht des GS-Zeichens

Mit Blick auf das Recht des GS-Zeichens in den §§ 20 ff. ProdSG ist das Augenmerk insbesondere auf die wesentlichen Weichenstellungen zu richten. Insoweit wird in § 20 ProdSG zunächst geregelt, in welchen Fällen ein Produkt GS-Zeichen-fähig ist. Voraussetzung ist die Verwendungsfertigkeit des Produkts, § 20 Abs. 1 ProdSG. Wann ein Produkt verwendungsfertig ist, ist in § 2 Nr. 27 ProdSG definiert. Danach liegt die Verwendungsfertigkeit vor, wenn Produkte „bestimmungsgemäß verwendet werden können, ohne dass weitere Teile eingefügt zu werden brauchen“, § 2 Nr. 27 Hs. 1 ProdSG. Darüber hinaus sind Produkte gemäß § 2 Nr. 27 Hs. 2 ProdSG auch auch dann verwendungsfer¬InTeR 2016 S. 128 (129)tig, wenn alle Teile, aus denen sie zusammengesetzt werden sollen, zusammen von einer Person in den Verkehr gebracht werden (lit. a)), sie nur noch aufgestellt oder angeschlossen zu werden brauchen (lit. b)) oder sie ohne die Teile in den Verkehr gebracht werden, die üblicherweise gesondert beschafft und bei der bestimmungsgemäßen Verwendung eingefügt werden (lit. c)). Vor diesem Hintergrund sind z. B. Ersatzteile wie Austauschmotoren oder Transformatoren mangels Verwendungsfertigkeit nicht GS-Zeichen-fähig.5 Welche Produkte nicht GS-Zeichen-fähig sind, ist wiederum in § 20 Abs. 2 ProdSG geregelt. Danach kommt die Zuerkennung des GS-Zeichens nicht in Betracht, wenn das verwendungsfertige Produkt mit der CE-Kennzeichnung versehen ist und die Anforderungen an diese CE-Kennzeichnung mit denen gemäß § 21 Abs. 1 ProdSG mindestens gleichwertig sind. In § 21 ProdSG werden die wichtigen Anforderungen an die Zuerkennung des GS-Zeichens statuiert, wobei neben der Inbezugnahme der §§ 3, 6 ProdSG (Abs. 1 S. 1 Nr. 1) sowie der „Anforderungen anderer Rechtsvorschriften hinsichtlich der Gewährleistung des Schutzes von Sicherheit und Gesundheit von Personen“ (Abs. 1 S. 1 Nr. 2) die Fertigungsüberwachung gemäß § 21 Abs. 5 S. 1 ProdSG nicht übersehen werden darf. Sodann regelt § 22 ProdSG genuine Pflichten der Hersteller (Abs. 1–4) und Importeure (Abs. 5), bevor sich § 23 ProdSG mit den GS-Stellen und den Anforderungen an die Befugniserteilung durch die Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik (ZLS) als Befugnis erteilende Behörde befasst.6

2. Auslegungshilfen

Schließlich darf nicht übersehen werden, dass der praktische Vollzug des Rechts des GS-Zeichens auch durch Veröffentlichungen einerseits des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) und andererseits der ZLS geprägt wird.

Was den LASI anbelangt, handelt es sich um ein Gremium, das der Konferenz der Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales (Arbeits- und Sozialministerkonferenz) zugeordnet ist. Im Anschluss an die Leitlinien zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz hat der LASI mit Blick auf das Inkrafttreten des ProdSG am 1.12.2011 im Jahr 2013 Leitlinien zum Produktsicherheitsgesetz herausgegeben.7 Die Leitlinien sollen ausweislich des Vorworts eine Entscheidungshilfe im Rahmen der Auslegung des ProdSG darstellen. Sie sind umgekehrt nicht rechtsverbindlich. Im vorliegenden Kontext ist die Leitlinie 21/1 hervorzuheben, da sie sich mit der Auslegung des § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ProdSG befasst.8

Die ZLS wiederum veröffentlicht auf ihrer Webseite9 auch Informationen mit Relevanz für das Recht des GS-Zeichens, und zwar in der Form von Beschlüssen im Rahmen der eingerichteten Erfahrungsaustauschkreise bzw. von FAQs. Daneben existiert eine von der ZLS geführte Liste, welche – jeweils nicht-abschließend – erstens nicht-GS-Zeichen-fähige Produkte, zweitens GS-Zeichen-fähige Produkte und drittens sog. Trivialprodukte, die nicht GS-Zeichen-fähig sind, aufführt (derzeit mit Stand vom 28.1.2016).10

III. Einzelfragen

Im Folgenden ist auf ausgewählte Fragen aus dem Recht des GS-Zeichens einzugehen, die jeweils produktsicherheitsrechtlich belastbaren Lösungen zuzuführen sind. Im Einzelfall soll auch auf produkthaftungsrechtliche Bezüge aufmerksam gemacht werden.

1. Rechtsverbindlichkeit der Erweiterung des Kreises nicht GS-Zeichen-fähiger Produkte durch sog. Trivialprodukte

Was die bereits erwähnte ZLS-Liste anbetrifft, ist der Fokus auf die sog. Trivialprodukte zu richten. Sie sollen Produkte abbilden, welche nicht GS-Zeichen-fähig sind. Exemplarisch seien Autoalarmanlagen, Briefwaagen, Einkaufskörbe, Frisbee-Scheiben und Fußmatten genannt. Dabei findet diese Ausnahme keine rechtliche Verankerung in § 20 Abs. 2 ProdSG. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit der betreffenden Liste.

Die Liste der Trivialprodukte wird de lege lata auf § 33 Abs. 2 Nr. 4 ProdSG gestützt.11 Danach werden vom Ausschuss für Produktsicherheit (AfPS) „Empfehlungen hinsichtlich der Eignung eines Produkts für die Zuerkennung des GS-Zeichens“ ausgesprochen. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll damit eine Eingrenzung der GS-Zeichen-fähigen Produkte „im Rahmen einer freiwilligen Selbstbeschränkung“ erfolgen, um die Glaubwürdigkeit des GS-Zeichens zu stärken.12 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die rechtliche Regelung in § 20 ProdSG durch die Liste der Trivialprodukte nicht unterlaufen werden kann.

Im Übrigen ließe sich ein rechtsverbindliches Konzept der Trivialprodukte auch nicht mit den Voraussetzungen für die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt sowie für das Ausstellen von Produkten in den §§ 3 ff. ProdSG in Einklang bringen; denn es wäre nur dann überzeugend, wenn diese (Trivial-)Produkte aufgrund einer Bagatellklausel auch nicht am Prüfungsmaßstab des ProdSG im Allgemeinen und der §§ 3, 6 ProdSG im Besonderen zu messen wären. Eine solche Ausnahme vom sachlichen Anwendungsbereich des ProdSG existiert indes nicht. Aus diesem Grund ist die Bereitstellung der Trivialprodukte auf dem deutschen Markt nur dann rechtmäßig, wenn jedenfalls die allgemeinen Anforderungen an die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt gemäß § 3 ProdSG eingehalten werden. Wenn und soweit es sich zugleich um Verbraucherprodukte handelt, sind darüber hinaus die besonderen Anforderungen an die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt aus § 6 ProdSG zu erfüllen.

2. Bestimmung der anderen sicherheitsrelevanten Rechtsvorschriften gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 2 ProdSG

Voraussetzung für die Zuerkennung des GS-Zeichens ist gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ProdSG, dass das geprüfte Baumuster „den Anforderungen anderer Rechtsvorschriften hinsichtlich der Gewährleistung des Schutzes von InTeR 2016 S. 128 (130)Sicherheit und Gesundheit von Personen entspricht“. Damit wird zunächst Bezug genommen auf die Regelung in § 1 Abs. 4 ProdSG, wonach das ProdSG im Allgemeinen und die §§ 3, 6 ProdSG im Besonderen nicht gelten sollen, „soweit in anderen Rechtsvorschriften entsprechende oder weiter gehende Vorschriften vorgesehen sind“. Vor diesem Hintergrund tritt das ProdSG etwa im Verhältnis zu den spezifischeren Gesetzen über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln (EMVG)13 oder über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz – MPG) zurück. Diese Rechtsvorschriften sind im Rahmen des Rechts des GS-Zeichens indes de lege lata nur beachtlich, wenn und soweit sie sicherheitsrelevant sind. Auch wenn damit prima facie eine klare Bestimmung der relevanten Rechtsvorschriften vorgenommen zu sein scheint, besteht in zwei Hinsichten Rechtsunsicherheit. Dabei geht es erstens um die Bedeutsamkeit kennzeichnungsrechtlicher Bestimmungen über § 6 ProdSG hinaus und zweitens um die Reichweite der Inbezugnahme.

a) Keine Einbeziehung formeller Anforderungen

Zunächst ist die Rechtsfrage zu klären, ob das produktsicherheitsrechtliche Kennzeichnungsrecht über den von § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ProdSG in Bezug genommenen § 6 ProdSG hinaus beachtlich ist. Für die Relevanz etwaiger Kennzeichnungsbestimmungen spricht zunächst, dass die Anforderungen aus § 6 ProdSG laut Gesetzesbegründung zwar „überwiegend formaler Natur“ sein sollen, „aber gleichwohl direkt oder indirekt zur Sicherheit des Produkts bzw. zu dessen Verwendung“ beitragen sollen. Ausdrücklich genannt werden in diesem Zusammenhang auch „Angaben zur Identifikation des Produkts“.14 Bei Zugrundelegung der genetischen Auslegung lässt sich folglich ohne Weiteres die Ansicht vertreten, dass das Kennzeichnungsrecht stets eine Rolle im Verfahren der Zuerkennung des GS-Zeichens spielen soll. Überzeugend ist diese Auffassung freilich nicht mehr, wenn auch die teleologische Auslegung in die Überlegungen einbezogen wird. Produktsicherheitsrechtsdogmatisch rechnet das Kennzeichnungsrecht zu den formellen und damit nicht-sicherheitsrelevanten Anforderungen an die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt. Kennzeichnungsrechtliche Vorgaben sind insoweit strikt von den materiellen Anforderungen zu unterscheiden, welche sich bei Zugrundelegung des nach wie vor geltenden Konzepts namens „New Approach“ („Neue Konzeption“) grds. in grundlegenden Sicherheitsanforderungen bzw. wesentlichen Anforderungen manifestieren. Diese Anforderungen dienen dezidiert dem Schutz der produktsicherheitsrechtlichen Schutzgüter im Allgemeinen und dem Schutz von Sicherheit und Gesundheit von Personen im Besonderen. Die inzwischen an das Maßnahmen- und Regelungspaket namens „New Legislative Framework“ (NLF)15 angepassten produktsicherheitsrechtlichen Verordnungen und Richtlinien16 führen in der jeweiligen Regelung über die formale Nichtkonformität deutlich vor Augen, dass das Kennzeichnungsrecht zu diesen formellen Anforderungen rechnen soll; denn in der Richtlinie 2014/35/EU (sog. EU-Niederspannungsrichtlinie)17 oder in der Verordnung (EU) Nr. 2016/425 (sog. PSA-Verordnung)18 etwa werden nicht nur Verstöße gegen die CE-Kennzeichnung, sondern auch gegen die Vorgaben zur Angabe der Hersteller- bzw. Einführerdaten zur formalen Nichtkonformität gerechnet.19

b) Reichweite der Inbezugnahme

Sodann kann die Frage aufgeworfen werden, wie weit die Inbezugnahme mit Blick auf die „Anforderungen anderer Rechtsvorschriften“ reicht. Im Ergebnis führt kein Weg an der Auslegung vorbei, wonach § 21 Abs. 1 Nr. 2 ProdSG ausnahmslos sämtliche sicherheitsrelevanten Bestimmungen erfasst.20 Gegenstand der GS-Prüfung sind damit materielle Anforderungen produktsicherheitsrechtlicher Provenienz, die wiederum insbesondere vom umweltbezogenen Produktrecht abzugrenzen sind, zu dem etwa das Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (Elektro- und Elektronikgerätegesetz – ElektroG) oder die Verordnung zur Beschränkung der Verwendung gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten (Elektro- und Elektronikgeräte-Stoff-Verordnung – ElektroStoffV)21 rechnet.22

3. Reichweite der Verwendungs- und Werbeverbote

Gemäß § 22 Abs. 2 S. 1 ProdSG darf der Hersteller „das GS-Zeichen nur verwenden und mit ihm werben, wenn ihm von der GS-Stelle eine Bescheinigung“ gemäß § 21 Abs. 2 ProdSG ausgestellt wurde und solange die Anforderungen gemäß § 21 Abs. 1 ProdSG erfüllt sind. Darüber hinaus besteht ein Verwendungs- und Werbeverbot auch dann, „wenn ihm eine Bescheinigung (…) nicht ausgestellt wurde oder wenn die GS-Stelle die Zuerkennung (…) entzogen oder (…) ausgesetzt hat“, § 22 Abs. 2 S. 2. ProdSG. Im Übrigen darf der Hersteller gemäß § 22 Abs. 4 ProdSG „kein Zeichen verwenden oder mit keinem Zeichen werben, das mit dem GS-Zeichen verwechselt werden kann“. Die genannten Bestimmungen knüpfen an die Rechtslage unter dem Gesetz über technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte (Geräte- und Produktsicherheitsgesetz – GPSG) vom 6.1.200423 an, wobei die damalige Regelung weitaus kürzer ausfiel; denn das entsprechende Verwendungs- und Werbeverbot war allein an die fehlende Erfüllung der Voraussetzungen gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 GPSG a. F. (= § 21 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1–4 ProdSG) gekoppelt.

Vor diesem Hintergrund stellt sich insbesondere die Frage, was genau unter dem Rechtsbegriff der Verwendung gemäß § 22 Abs. 2 ProdSG zu verstehen ist; denn der Rechtsbegriff der Werbung bzw. des Werbens wirft in praxi – soweit ersichtlich – keine Schwierigkeiten auf: Das Werbeverbot zielt insbesondere auf zum Kauf animierende produktbezogene Angaben in entsprechenden Druckerzeugnissen, Online-Shops oder Aufsteller im Einzelhandel.

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a) Konkretisierung des Rechtsbegriffs der Verwendung

Was die Bestimmung des Verwendungsverbots anbelangt, ist zunächst hervorzuheben, dass allein die Hersteller Adressaten des Verbots sind. Umgekehrt werden damit die Einführer und Händler nicht von dem betreffenden Verbot erfasst. Aus deren Perspektive führen die verwaltungsrechtlichen Verbote in § 22 Abs. 2 ProdSG folglich zu keinen Beschränkungen im Produktvertrieb. Mit Blick auf den Hersteller wiederum dürfte kein Streit darüber bestehen, dass er im Falle eines aktivierten Verwendungsverbots daran gehindert wird, GS-gekennzeichnete Produkte weiterhin auf dem Markt bereitzustellen. M.a.W. wird er den Produktvertrieb einstellen müssen. Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob der Hersteller auch dazu verpflichtet ist, bereits an den Handel abgegebene Produkte mit GS-Zeichen zurückzunehmen. Im Ergebnis wird eine solche Pflicht zur Rücknahme aus dem Handel zu verneinen sein; denn sie ginge weit über ein Verwendungsverbot hinaus, zumal die Produkte nach erfolgter Abgabe nicht mehr in der Verantwortungssphäre bzw. Verfügungsgewalt des Herstellers sind. Für diese Sichtweise spricht auch ein Papier, welches nach wie vor auf der Webseite der ZLS verfügbar ist, auch wenn es erstmals unter der Geltung des GPSG veröffentlicht wurde. Danach soll es ungeachtet der Ungültigkeit des GS-Zeichen-Zertifikats aus formellen Gründen zulässig sein, Produkte mit dem GS-Zeichen in Verkehr zu bringen, wenn erstens kein Verstoß gegen die materiellen Voraussetzungen vorliegt und die in Rede stehenden Produkte zweitens „zu dem Zeitpunkt hergestellt und mit dem GS-Zeichen versehen wurden, zu dem auch das GS-Zeichen noch gültig war“. Umgekehrt soll sich fehlende Compliance mit den materiellen Anforderungen (nunmehr gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1–4 ProdSG) insoweit auswirken, als der Hersteller die betreffenden Produkte insbesondere „nicht mehr auf Neuware anbringen“ bzw. „nicht mehr an Verbraucher oder an Händler/Gewerbetreibende“ veräußern dürfe. Darüber hinaus muss das GS-Zeichen auch vom betroffenen Altbestand im Lager und von im Laden befindlicher Ware entfernt werden.24 Bei verständiger Würdigung dieser Auslegungshilfe erstreckt sich das Verwendungsverbot mithin nur auf solche Produkte, die noch in der Verantwortungssphäre bzw. Verfügungsgewalt des Herstellers sind, sodass mit „Laden“ in diesem Kontext namentlich eigene Verkaufsräume des Herstellers gemeint sein dürften. Auch wenn die Verwendungsverbote mit dem Inkrafttreten des ProdSG ausgeweitet wurden, spricht weiterhin vieles gegen Auswirkungen, die sich auf in der Vergangenheit auf dem Markt bereitgestellte und seinerzeit rechtmäßig mit dem GS-Zeichen versehene Produkte erstrecken; denn zu berücksichtigen ist nicht zuletzt die Regelung in § 26 Abs. 4 S. 1 ProdSG, woraus sich folgern lässt, dass – auch mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – insbesondere der Rückruf und die Rücknahme Marktüberwachungsmaßnahmen darstellen, mit denen marktüberwachungsbehördlich auf ernsten Risiken reagiert werden soll,25 zumal die Marktüberwachungsbehörden in diesem Szenario zur vorherigen Durchführung einer angemessenen Risikobewertung verpflichtet sind, § 26 Abs. 4 S. 2 ProdSG.26 Diese genuin marktüberwachungsrechtlichen Wertungen des Gesetzgebers dürfen ersichtlich nicht durch im Recht des GS-Zeichens verankerte Verwendungsverbote unterlaufen werden, die eo ipso eine Pflicht der Hersteller zur Rücknahme der betroffenen Produkte aus dem Handel mit sich bringen (und die z. B. durch einen Verstoß gegen die formellen Kennzeichnungsbestimmungen gemäß § 6 ProdSG aktiviert werden können).

b) Verschärfung der Verbote durch das Ordnungswidrigkeitenrecht

Zu beachten ist im vorliegenden Kontext zudem, dass der schuldhafte Verstoß gegen die Verwendungs- und Werbeverbote gemäß § 22 Abs. 2 S. 2, Abs. 4 ProdSG den Tatbestand der Ordnungswidrigkeit gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 9 ProdSG verwirklicht, der mit einer Geldbuße bis zu 100.000 € sanktioniert werden kann, § 39 Abs. 2 ProdSG. Keinen Ordnungswidrigkeitentatbestand erfüllt hingegen, wer gegen das Verbot gemäß § 22 Abs. 2 S. 1 ProdSG verstößt.

4. Entzug und Aussetzung der GS-Zeichen-Zuerkennung im Spannungsfeld zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht

Das Recht des GS-Zeichens weist eine Besonderheit auf, die in der Rechtspraxis von Bedeutung ist und daher nicht übersehen werden darf: Die Bestimmungen in den §§ 20 ff. ProdSG sind zwar Bestandteil des öffentlichen Sicherheitsrechts; dies ändert aber nichts daran, dass das Rechtsverhältnis zwischen den GS-Stellen einerseits und den Warenherstellern andererseits dem Privatrecht zuzuordnen ist. Insoweit wird grds. ein Gutachterauftrag abgeschlossen, der als Werkvertrag gemäß § 631 Abs. 1 BGB qualifiziert wird.27 Flankiert wird der Werkvertrag typischerweise von einer Prüf- und Zertifizierordnung der GS-Stelle. Vor diesem Hintergrund besteht eine Schnittstelle zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht, die im Kontext der Sanktionen bei fehlender Compliance mit den Anforderungen an die Zuerkennung des GS-Zeichens im Allgemeinen und der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Sanktionen im Besonderen eine Rolle spielt.

a) Zulässigkeit privatautonomer Gestaltungsspielräume

Aufgrund der Notwendigkeit privatrechtlicher Regelungen sehen die – dem Privatrecht zuzuordnenden – Prüf- und Zertifizierordnungen der GS-Stellen, die typischerweise zugleich notifizierte Stellen (notified bodies) i. S. d. § 2 Nr. 20 ProdSG sind, spezifische Regelungen für den Fall vor, dass Zertifikate im Allgemeinen insbesondere einschränkt, ausgesetzt, für ungültig erklärt, widerrufen oder entzogen werden sollen. In diesem Zusammenhang werden zugleich die tatbestandlichen Voraussetzungen für die betreffenden Maßnahmen geregelt. Im produktsicherheitsrechtlichen Zertifizierungsrecht nehmen die notifizierten Stellen damit insbesondere Bezug auf die Regelungen in § 16 Abs. 3, 4 ProdSG, welcher produktsicherheitsrechtlich Pflichten der notifizierten Stellen regelt. Die genannten Pflichten beziehen sich auf Einschränkung, Aussetzung und Zurückziehung bereits erteilter Konformitätsbescheinigungen. In diesem Zusammenhang ist anerkannt, dass es sich um keine Befugnisnormen für die notifizierten Stellen handelt. Vielmehr müssen die Konformitätsbewertungsstellen diesen öffentlich-rechtlichen Pflichten im Rahmen ihrer vertrag¬InTeR 2016 S. 128 (132)lichen Beziehungen zum jeweiligen Auftraggeber (Hersteller) nachkommen.28

Entsprechend trifft auch das Recht des GS-Zeichens Regelungen für den Fall, dass ein mit einem GS-Zeichen versehenes Produkt später nicht mehr die gesetzlichen Anforderungen erfüllt. In diesem Zusammenhang können die GS-Stellen das GS-Zeichen-Zertifikat entweder entziehen (§ 21 Abs. 5 S. 2 ProdSG) oder die Zuerkennung aussetzen (§ 21 Abs. 5 S. 4 ProdSG). Dabei muss das GS-Zeichen entzogen werden, wenn „die Anforderungen für die Zuerkennung des GS-Zeichens nachweislich nicht mehr erfüllt“ sind. Bei begründeten Zweifeln kann die GS-Zeichen-Zuerkennung hingegen ausgesetzt werden. Ebenso wie bei den Pflichten der notifizierten Stellen erfolgt die Umsetzung der betreffenden öffentlich-rechtlichen Pflichten der GS-Stellen mittels der privatrechtlichen Instrumente, sodass weder Entzug noch Aussetzung der Zuerkennung des GS-Zeichens auf der Grundlage des § 21 Abs. 5 S. 2, 4 ProdSG erfolgen kann.

Fraglich ist, ob der produktsicherheitsrechtliche Rahmen dergestalt abschließend ist, dass Entzug und Aussetzung der GS-Zeichen-Zuerkennung erstens nur unter den genannten Voraussetzungen erfolgen und zweitens nicht von weiteren Sanktionen wie z. B. einer Einschränkung oder Ungültigkeitserklärung flankiert werden. Für eine abschließende Regelung im öffentlichen Recht spricht ungeachtet dessen, dass es die Zulässigkeit privatrechtlicher Regelungen ebenso voraussetzt wie anerkennt, zum einen der Telos des Regelungsrahmens; denn eine solche Sichtweise kann darauf gestützt werden, dass das in sich geschlossene Recht des GS-Zeichens mit unterschiedlichen tatbestandlichen Anforderungen an Entzug und Aussetzung einerseits und einer Reihe unterschiedlicher Sanktionsmechanismen andererseits kaum vereinbar wäre. Zum anderen kann die Gesetzesbegründung dergestalt ausgelegt werden, dass der Gesetzgeber mit der Regelung in § 21 Abs. 5 ProdSG privatrechtlichen Ergänzungen keinen Raum bieten wollte; denn dort wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Aussetzung als mildere Alternative im Vergleich zum Entzug des GS-Zeichens eingeführt werden sollte.29 Diese gesetzgeberischen Bemühungen wären unnötig gewesen, wenn öffentlich-rechtlich weder ein numerus clausus zulässiger Sanktionen existiert hätte noch wenn die Anforderungen an die Sanktionen im Belieben der GS-Stellen gestanden hätten. Auf der anderen Seite war die Zulässigkeit unterschiedlicher Gründe für das Erlöschen eines GS-Zeichen-Zertifikats schon unter der Geltung des GPSG anerkannt, obwohl damals eben nur der Entzug der GS-Zeichen-Zuerkennung in § 7 Abs. 2 S. 2 GPSG a. F. ausdrücklich anerkannt war. Ausdruck fand diese Sichtweise insbesondere in dem schon erwähnten und nach wie vor beachtlichen ZLS-Papier aus dem Jahr 2010. Dort wird darauf hingewiesen, dass GS-Zeichen-Zertifikate eben nicht nur entzogen oder ausgesetzt, sondern auch ungültig oder zurückgezogen werden können. Als Beispiel für das Zurückziehen eines GS-Zeichen-Zertifikats werden ein Vertragsverstoß im Allgemeinen und ausbleibende Zahlungen im Besonderen genannt.30 Auch wenn diese Sichtweise insbesondere unter Berücksichtigung der Auslegungsergebnisse der in Rede stehenden Normen keineswegs zwingend ist, dürften in der Tat die besseren Gründe für weiterhin bestehende Spielräume privatautonomer Regelsetzung sprechen: Erstens verbietet die Regelung in § 21 Abs. 5 ProdSG keine weitergehenden privatrechtlichen Regelungen, sondern setzt die Existenz eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen GS-Stelle und Hersteller sogar voraus. Zweitens wäre angesichts des betreffenden ZLS-Papiers zu erwarten gewesen, dass der Gesetzgeber einen insoweit entgegenstehenden Willen jedenfalls in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebracht hätte. Dies jedoch ist nicht der Fall, sodass die skizzierten Nachteile privatautonomer Ausfransungen des öffentlich-rechtlichen Regelungsrahmens für das GS-Zeichen weiterhin hinzunehmen sein werden, zumal sie im Einklang mit der geltenden ZLS-Verwaltungspraxis stehen. Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass die öffentlich-rechtlichen Regelungen zu Entzug und Aussetzung der GS-Zeichen-Zuerkennung (mitsamt der tatbestandlichen Voraussetzungen) nur einen unverhandelbaren Mindeststandard formulieren, der privatrechtlichen Ergänzungen nicht entgegensteht.

Unabhängig von der Zulässigkeit privatautonomer Gestaltungsspielräume im Bereich des § 21 Abs. 5 S. 2, 4 ProdSG können die GS-Stellen ohne Weiteres privatrechtliche Regelungen zu etwaigen Pflichtverletzungen des Warenherstellers treffen und insoweit z. B. Vertragsstrafen vorsehen. Solche privatrechtlichen Regelungen zwischen GS-Stelle und Hersteller sind am Maßstab des Privatrechts im Allgemeinen und der AGB-Kontrolle gemäß den §§ 305 ff. BGB im Besonderen zu messen.

b) Nachweislichkeit und begründete Zweifel

Öffentlich-rechtlich ist geregelt, dass das GS-Zeichen-Zertifikat dann zu entziehen ist, wenn „die Anforderungen für die Zuerkennung des GS-Zeichens nachweislich nicht mehr erfüllt“ sind. Die tatbestandlichen Voraussetzungen sind damit denkbar streng; denn der Nachweis fehlender Compliance ist insbesondere von begründeten Zweifeln zu unterscheiden, welche zur Aussetzung der Zuerkennung des GS-Zeichens führen können. Die Nachweislichkeit i. S. d. § 21 Abs. 5 S. 2 ProdSG wird im Ergebnis mit Sicherheit bzw. Gewissheit in Bezug auf den Umstand der nicht mehr erfüllten Anforderungen gleichzusetzen sein. Nicht ausreichend ist öffentlich-rechtlich folglich ein (begründeter) Verdacht. Bezugspunkt der Prüfung sind (ausschließlich) die Anforderungen aus § 21 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1–4 ProdSG. Auch wenn der Bezugspunkt fraglos hinreichend bestimmt ist, ist in praxi vielfach unklar, wann genau die betreffenden Anforderungen nicht mehr erfüllt sind. Diesbezüglich kann sich z. B. die Frage stellen, ob bereits ein (einziger) Verstoß oder auch wenige Compliance-Verstöße in Bezug auf mit dem GS-Zeichen gekennzeichnete Ware ausreichen, um den Nachweis nicht erfüllter Anforderungen führen zu können. Nichts anderes gilt für die zu treffenden Vorkehrungen, die gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 ProdSG gewährleisten, „dass die verwendungsfertigen Produkte mit dem geprüften Baumuster übereinstimmen“ sollen; denn wie stark müssen insoweit die im Rahmen der Fertigungsüberwachung festgestellten Abweichungen sein, damit der Entzug des GS-Zeichens gemäß § 21 Abs. 5 S. 2 ProdSG in Betracht kommt? Die Beispiele führen deutlich vor Augen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Verlust der GS-Zeichen-Zuerkennung nur vordergründig klar sind; denn erst bei der Rechtsanwendung werden die Schwierig¬InTeR 2016 S. 128 (133)keiten sichtbar. De facto werden praktische Auslegungsspielräume nicht geleugnet werden können, zumal Gerichtsentscheidungen, welche die genannten Voraussetzungen zu konkretisieren geeignet sind, soweit ersichtlich fehlen. Gleichwohl lässt sich festhalten, dass der Wortlaut des § 21 Abs. 5 S. 2 ProdSG einem strengen Maßstab das Wort redet: Die erforderliche Nachweislichkeit kann schlechterdings nicht angenommen werden, wenn lediglich vereinzelte oder geringfügige Non-Konformitäten zu beobachten sind. Aus diesem Grund genügt es z. B. auch nicht, wenn inhaltlich unveränderte technische (harmonisierte) Normen überraschend inhaltlich anders als zuvor ausgelegt werden.

Wenn die Aussetzung demgegenüber nur an das Vorliegen begründeter Zweifel „an der rechtmäßigen Zuerkennung des GS-Zeichens“ gekoppelt ist, ist die Schwelle signifikant niedriger. Allerdings ist auch insoweit darauf hinzuweisen, dass öffentlich-rechtlich nicht jeglicher Zweifel zur Aussetzung berechtigen soll. Vielmehr müssen die Zweifel begründet sein. Wann Zweifel in diesem Sinne begründet sind, wird in § 21 Abs. 5 S. 4 ProdSG nicht näher ausgeführt. Aus diesem Grund dürften bei Zugrundelegung systematischer Auslegung Anleihen bei der Bestimmung des begründeten Verdachts i. S. d. § 26 Abs. 2 S. 1 ProdSG genommen werden können. In diesem Zusammenhang stellen die oben bereits erwähnten LASI-Leitlinien zum Produktsicherheitsgesetz darauf ab, dass hinreichende Anhaltspunkte vorliegen müssen, die insbesondere auf spezifische Mitteilungen, Informationen oder eigene Erkenntnisse zurückgehen können.31 Bezogen auf die Zuerkennung des GS-Zeichens können sich Zweifel z. B. aus den Erkenntnissen der Fertigungsüberwachung oder auch aus produktbezogenen Mitteilungen etwa im Schnellwarnsystem RAPEX32 ergeben.

5. Bedeutung innerhalb des geltenden Produktrechts

Das GS-Zeichen ist zwar in erster Linie ein produktsicherheitsrechtliches Institut, kann sich aber daneben auch im privatrechtlichen Produkthaftungsrecht auswirken. Aus diesem Grund ist die Bedeutung der Zuerkennung des GS-Zeichens aus einer übergeordneten produktrechtlichen Perspektive in den Fokus des Interesses zu rücken.

a) Produktsicherheitsrechtliches Kriterium bei der Sicherheitsbeurteilung

Produktsicherheitsrechtlich stellt sich zunächst die Frage, welche Bedeutung einem zuerkannten GS-Zeichen zukommt; denn im Unterschied zur Rechtslage unter dem GPSG kennt das ProdSG nicht mehr die Vermutungswirkung des GS-Zeichens: Gemäß § 8 Abs. 2 S. 4 GPSG a. F. sollte von produktsicherheitsrechtlicher Compliance ausgegangen werden, wenn technische Arbeitsmittel oder verwendungsfertige Gebrauchsgegenstände mit dem GS-Zeichen versehen waren. Auch wenn diese Vermutungswirkung widerleglich war, ging doch eine unübersehbare Signalwirkung damit einher, welche den Marktüberwachungsbehörden die gesetzliche Privilegierung GS-gekennzeichneter Produkte in Erinnerung rief.33 Ungeachtet des ersatzlosen Wegfalls34 sollte das GS-Zeichen – ausweislich der Gesetzesbegründung – mit dem Inkrafttreten des ProdSG gestärkt werden.35 Schon angesichts dieses Ergebnisses genetischer Auslegung kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass das GS-Zeichen eine beachtliche Rolle bei der produktsicherheitsrechtlichen Bewertung spielen muss, ob ein entsprechend ausgelobtes Produkt die Anforderungen der §§ 3 ff. ProdSG erfüllt oder nicht. Hinzu kommt, dass das mit der Zuerkennung des GS-Zeichens verbundene Sicherheitsurteil einer (unabhängigen) GS-Stelle gerade nicht nur zeitpunktbezogen (= Prüfung des Baumusters) ist, sondern untrennbar mit einer laufenden Fertigungsüberwachung gemäß § 21 Abs. 5 S. 1 ProdSG verbunden ist.36 Im Übrigen darf in diesem Zusammenhang der europarechtliche Überbau nicht übersehen werden; denn Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 3 VO (EG) Nr. 765/2008 sieht vor, dass die europäischen Marktüberwachungsbehörden „Prüfberichte oder Konformitätsbescheinigungen“, die von akkreditierten Konformitätsbewertungsstellen ausgestellt wurden, „in gebührendem Maße“ berücksichtigen sollen.37

b) Produkthaftungsrechtliche Grenzen in Bezug auf Entwicklungs- und Konstruktionsfehler

Produktrechtlich ist daneben der Bedeutung des GS-Zeichens im außervertraglichen Produkthaftungsrecht auf den Grund zu gehen. Aus einer genuin produkthaftungsrechtlichen Perspektive ist zu prüfen, ob und wenn ja, inwieweit die Zuerkennung eines GS-Zeichens Schutz vor der Zahlung von Schadensersatz und ggf. Schmerzensgeld gegenüber geschädigten Produktnutzern bietet. Bedeutung erlangen kann das GS-Zeichen dabei im Rahmen von Entwicklungsfehlern einerseits und von Konstruktionspflichten bzw. -fehlern andererseits. Ein Entwicklungsfehler liegt gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG vor, wenn „der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller das Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte“.38 Zu Recht hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 2013 entschieden, dass allein der Umstand eines zuerkannten GS-Zeichens nicht zur Annahme eines Entwicklungsfehlers führt. Entscheidend ist vielmehr, ob „die potenzielle Gefährlichkeit des Produkts unter Zugrundelegung des im Zeitpunkt seiner Inverkehrgabe objektiv zugänglichen Gefahrenwissens nicht hätte erkannt werden können“.39 Dementsprechend führt die Zuerkennung des GS-Zeichens auch nicht zu einem veränderten bzw. reduzierten produkthaftungsrechtlichen Maßstab in Bezug auf die Konstruktion eines Produkts. Vielmehr beanspruchen insoweit die vom BGH zuletzt im „Airbag“-Urteil niedergelegten Leitlinien Geltung, die einerseits auf den „im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produkts neuesten Stand der Wissenschaft und Technik“ abstellen und andererseits die Grenzen der Serienreife und der erfolgreichen Erprobung anerkennen.40

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IV. Fazit

Weil das GS-Zeichen im deutschen Wirtschaftsverkehr praktisch überaus bedeutsam ist, darf die Relevanz des rechtlichen Rahmens für das GS-Zeichen nicht unterschätzt werden. Die §§ 20 ff. ProdSG spielen nicht nur für die Bestimmung der gesetzlichen Anforderungen an die Zuerkennung des GS-Zeichen eine Rolle. Darüber hinaus regeln sie auch an die Hersteller adressierte Verwendungs- und Werbeverbote sowie die Voraussetzungen an Entzug und Aussetzung der Zuerkennung des GS-Zeichens. Die Praxis zeigt, dass gerade in den pathologischen Fällen über Reichweite bzw. Auslegung einzelner Bestimmungen aus dem Recht des GS-Zeichens gestritten wird. Ursächlich für etwaige Rechtsunsicherheiten ist nicht zuletzt die vorhandene Schnittstelle zwischen den Bestimmungen im öffentlich-rechtlichen Produktsicherheitsrecht einerseits und dem Privatrecht mit Blick auf die Rechtsverhältnisse zwischen GS-Stellen und Warenherstellern andererseits.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die von der Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik geführte Liste der sog. Trivialprodukte keine Stütze in § 20 Abs. 2 ProdSG findet. Vor diesem Hintergrund handelt es sich um eine zwar auf das ProdSG gestützte, im Ergebnis aber nicht rechtsverbindliche Empfehlung. Richtigerweise sind sodann formelle Anforderungen (jenseits von § 6 ProdSG bei Verbraucherprodukten) kein Gegenstand des Prüfprogramms gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ProdSG. Die Reichweite der Verwendungsverbote in § 22 Abs. 2 ProdSG darf wiederum nicht überspannt werden. Gegenstand des Verbots ist vor allem die aktive (weitere) Abgabe von GS-gekennzeichneten Produkten. Eine Rücknahme aus dem Handel ist dagegen nicht mehr erfasst; denn das Verbot bezieht sich auf die Verantwortungssphäre des Herstellers, zu der auch der Lagerbestand oder im Einzelfall eigene Verkaufsräume rechnen können. Was den Entzug und die Aussetzung des GS-Zeichens anbelangt, regelt § 21 Abs. 5 S. 2, 4 ProdSG den Sachverhalt nicht abschließend, sodass Spielräume für privatrechtliche Regelungen (in Bezug auf Sanktionen und tatbestandliche Voraussetzungen) existieren. Öffentlich-rechtlich setzt die Nachweislichkeit in Bezug auf die nicht erfüllten Anforderungen Gewissheit über die fehlende Compliance voraus, wobei die besseren Gründe im Ergebnis für einen strengen Maßstab sprechen, sodass etwa vereinzelte Non-Konformitäten jedenfalls öffentlich-rechtlich keinen Entzug der GS-Zeichen-Zuerkennung rechtfertigen können. Schließlich stellt die Existenz eines GS-Zeichen-Zertifikats nach wie vor ein beachtliches Kriterium für die Frage produktsicherheitsrechtlicher Compliance insbesondere mit den §§ 3, 6 ProdSG im Marktüberwachungsverfahren dar. Produkthaftungsrechtlich wiederum dürfen die Grenzen des GS-Zeichens nicht übersehen werden; denn die insoweit statuierten (strengen) Anforderungen an die Konstruktion sind unabhängig von der Existenz etwaiger Zertifikate im Allgemeinen und von der Zuerkennung des GS-Zeichens im Besonderen.

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1

BGBl. I. S. 2178, ber. 2012 I S. 131.

2

Zur Reform des Rechts des GS-Zeichens Schucht, StoffR 2013, 29 ff.; siehe auch Kapoor/Klindt, NVwZ 2012, 719 (722 f.); Schucht, DVBl. 2013, 760 (763).

3

Klindt, in: ders., ProdSG, 2. Aufl. 2015, § 20, Rn. 6.

4

Vgl. zur aktuellen Rechtsprechung zum CE-Kennzeichen Menz/Schucht, maschinenrichtlinie aktuell III/2013, 19 f.

5

Geiß/Doll, Das Produktsicherheitsgesetz, 2. Aufl. 2012, S. 101.

6

Siehe zu § 33 ProdSG Geiß/Doll (Fn. 5), S. 101, 103.

7

Leitlinien zum Produktsicherheitsgesetz, hrsg. v. Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik, 3. Aufl. 2013.

8

Leitlinien zum Produktsicherheitsgesetz, hrsg. v. Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik, 3. Aufl. 2013, Leitlinie 21/1, S. 28.

9

http://www.zls-muenchen.de/ (zuletzt abgerufen am 31.7.2016).

10

http://www.zls-muenchen.de/ (zuletzt abgerufen am 31.7.2016).

11

Geiß/Doll (Fn. 5), S. 101.

12

Vgl. BT-Drs. 17/6276, S. 51 f.

13

Vgl. zum EMV-Recht Schucht, NVwZ 2014, 262 ff.

14

Zum Ganzen BT-Drs. 17/6276, S. 46.

15

Zum NLF Kapoor/Klindt, EuZW 2008, 649 ff.; dies., EuZW 2009, 134 ff.; siehe auch Schucht, EuZW 2014, 848 ff.

16

Zum sog. Alignment Package Kapoor/Menz, BPUVZ 2014, 390 ff.; Schucht, CCZ 2016, 126 ff.

17

Vgl. hierzu Schucht, InTeR 2014, 149 ff.

18

Vgl. hierzu Schucht, EuZW 2016, 407 ff.

19

Vgl. Art. 22 Abs. 1 lit. a), b), f) Richtlinie 2014/35/EU; Art. 41 Abs. 1 lit. a), b), f) VO (EU) Nr. 2016/425.

20

So auch Leitlinien zum Produktsicherheitsgesetz, hrsg. v. Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik, 3. Aufl. 2013, Leitlinie 21/1, S. 28.

21

Vgl. zur RoHS-Richtlinie Ahlhaus/Mayer, StoffR 2011, 209 ff.

22

Klindt, in: ders. (Fn. 3), § 21, Rn. 10.

23

BGBl. I S. 2, ber. S. 219; vgl. hierzu Klindt, GPSG, 2007; ders., NJW 2004, 465 ff.; Geiß/Doll, GPSG, 2005; Wilrich, GPSG, 2004.

24

Zum Ganzen FAQ 10-01, hrsg. v. der Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik, Stand: 4.1.2010.

25

Vgl. Schucht, in: Klindt, ProdSG, 2. Aufl. 2015, § 26, Rn. 160, 164.

26

Zum europarechtlichen Hintergrund des § 26 Abs. 4 ProdSG Schucht, in: Klindt (Fn. 25), § 26, Rn. 2, 246.

27

Vgl. zum vergleichbaren Vertrag zwischen Hersteller und notifizierter Stelle Rehmann, in: ders./Wagner, MPG, 2. Aufl. 2010, Einf. Rn. 30, m. w. N.; Kapoor, in: Klindt, 2. Aufl. 2015, Einl. §§ 9-19, Rn. 24.

28

Kapoor, in: Klindt (Fn. 27), § 16, Rn. 14.

29

BT-Drs. 17/6276, S. 47.

30

FAQ 10-01, hrsg. v. der Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik, Stand: 4.1.2010.

31

Leitlinien zum Produktsicherheitsgesetz, hrsg. v. Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik, 3. Aufl. 2013, Leitlinie 26/2, S. 29 f.

32

RAPEX steht für Rapid Exchange of Information System.

33

Schucht, StoffR 2013, 29 (31).

34

Vgl. zum Wegfall der Vermutungswirkung Polly/Lach, BB 2012, 71 (73; Schucht, StoffR 2013, 29 (30 f.).

35

BT-Drs. 17/6276, S. 46; siehe zur Stärkung des GS-Zeichens auch Klindt, PHi 2011, 42 (46).

36

Schucht, NVwZ 2015, 852 (857).

37

Näher Schucht, NVwZ 2015, 852 (856 f.).

38

Vgl. zum Entwicklungsfehler Molitoris, in: Heussen/Hamm, Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, 11. Aufl. 2016, § 27, Rn. 117

39

BGH, NJW 2013, 1302 (1302); vgl. hierzu auch Molitoris/Klindt, NJW 2014, 1567 (1569); Schucht, BB 2016, 456 (457 f.).

40

BGH, NJW 2009, 2952 (2953); ausführlich hierzu Klindt/Handorn, NJW 2010, 1105 ff.

 
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