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K&R 2017, I
Schmidt-Kessel 

Die Novellierung der CPC-Verordnung – Belastung oder Chance für Webshops?

Abbildung 1

Prof. Dr. Martin Schmidt-Kessel, Bayreuth

Die Novelle zur Verbraucherschutzdurchsetzungsverordnung (EG) Nr. 2006/2004 (vulgo CPC-Verordnung) befindet sich nach der Einigung zwischen Rat und Parlament in der zweiten Junihälfte nunmehr auf der Zielgeraden. Reformiert wird ein etabliertes Netzwerk aus Verbraucherschutzbehörden, wobei dessen Grundstruktur ebenso unverändert bleibt wie die Funktionsweisen und Befugnisse der betreffenden Behörden. Unionsrechtlicher Hintergrund ist das sogenannte sekundärrechtliche Herkunftslandprinzip, das die Verantwortung für die administrative Beaufsichtigung von Unternehmen im Grundsatz dem jeweiligen Herkunftsland zuschreibt, während den Behörden des Staats der Leistungserbringung nur sehr begrenzte Zuständigkeiten verbleiben. Die umgekehrt dadurch erforderliche Verwaltungszusammenarbeit wird – unter anderem und wie bislang – auch schon durch die nun novellierte Verordnung ermöglicht.

Die politischen Reaktionen in Deutschland auf die Novelle sind geprägt von einer erheblichen Kritik seitens der Verbände des Onlinehandels und von Teilen der Internet-Community. Unter der Überschrift “Websperren für Online-Händler” oder ähnlichen Formulierungen wird freilich kritisiert, was weder neu noch in der vorliegenden Form wirklich problematisch ist. Für den grenzüberschreitenden Verbraucherschutz werden vielmehr die bisherigen Ermächtigungen vor allem konkretisiert. Wenn dabei – bezogen auf grenzüberschreitende Internetaktivitäten – nunmehr auch ausdrücklich die Löschung von Inhalten, die Zugangsbeschränkung oder die Löschung von Domain Names erwähnt werden, so wäre dies nur bei einem sehr engen Verständnis der bisherigen Regelung neu. Die Neufassung (inklusive der ausdrücklichen Erforderlichkeitsschwelle) ist vielmehr lediglich eine erfreuliche Klarstellung der bislang zumindest in der deutschen Begleitgesetzgebung – dem wenig bekannten EG-Verbraucherschutzdurchsetzungsgesetz – schon vorhandenen Befugnisse.

Auch im Übrigen sind derartige Befugnisse nicht neu. Da es sich bei Verstößen gegen Verbraucherschutzgesetze zugleich um Gefahren für die öffentliche Sicherheit im Sinne der Polizei- und Sicherheitsgesetzgebung der Länder handelt, ergeben sich entsprechende Befugnisse der Sicherheitsbehörden – möglicherweise mit Ausnahme der liberalen kleinen Generalklausel Bayerns in Art. 7 LStVG – zumindest aus den einschlägigen Generalklauseln. Das Spannungsverhältnis allgemeiner verbraucherschützender Generalklauseln zum rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot ist also dasselbe wie bei der polizeilichen Generalklausel. Dass diese Generalklauseln bislang kaum einmal zu Netzsperren o. ä. geführt haben, liegt nicht an einer bislang fehlenden Befugnis der einschlägigen Behörden, sondern primär an ihrer begrenzten Ausstattung und teilweise auch am begrenzten Durchsetzungsinteresse der politisch Verantwortlichen. Neu ist die Möglichkeit einer Websperre hingegen nicht.

In der Diskussion völlig zu kurz kommen hingegen die Chancen einer Ausweitung verbraucherschützender Verwaltungsverfahren für Unternehmen: Das laufende Verwaltungsverfahren könnte die Rechtsdurchsetzung – nach dem Vorbild des neuen § 32 e VI GWB – auch gegenüber Abmahnungen kanalisieren, indem der Kostenersatzanspruch nach § 12 UWG etwa während des laufenden Verwaltungsverfahrens ausgeschlossen würde. Ermahnungen von Verwaltungsbehörden, Missstände zu beseitigen, sind hingegen – jedenfalls außerhalb der Ordnungswidrigkeitentatbestände – vielfach ohne Kostenfolge für das Unternehmen. Gerade für Webshops besteht hier die Gelegenheit, das Verhältnis zwischen staatlicher Rechtsdurchsetzung und privaten Geschäftsmodellen der Abmahnkanzleien neu auszubalancieren. Das Verwaltungsverfahren bietet hier eine große Chance, die bei der Überarbeitung des EG-Verbraucherrechtsdurchsetzungsgesetzes nach dem Vorbild der Neuregelung im GWB genutzt werden sollte.

Wenn im größeren Umfang rechtsstaatliche Kritik an der aktuellen Situation des CPC-Netzwerkes angebracht erscheint, dann eher institutioneller Art: Rechtsstaatlich begegnet es großen Bedenken, ausgerechnet dem für die richterliche Unabhängigkeit verantwortlichen Justizministerium eine Generalklausel der Eingriffsverwaltung als Ermächtigungsgrundlage zuzuschreiben. Diese Konstruktion kommt der vom Landesverfassungsgericht Nordrhein-Westfalen verworfenen Kombination von Justiz- und Innenministerium sehr nahe. Es ist die Gewaltenteilung und nicht die Bestimmtheit, die hier gefährdet ist. Und es ist die nationale Regelungsebene und nicht die europäische, die Quelle dieser Gefahr ist. Auch hier besteht Handlungsbedarf im anstehenden nationalen Gesetzgebungsverfahren.

Prof. Dr. Martin Schmidt-Kessel, Bayreuth

 
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