Zeitenwenden
Liebe Leserinnen und Leser,
vor mittlerweile drei Jahren erreichte mich ein Anruf von David Saive, der ein Projekt vorgestellt hat, das ihm sehr am Herzen lag. Er wollte eine Zeitschrift gründen, die nicht nur – aber auch – das Transportrecht in den Blick nimmt, sondern die gesamte Logistik mit ihren rechtlichen, aber eben auch ihren tatsächlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Von der Idee war ich sofort überzeugt und habe gerne zugesagt, als Herausgeber mitzuwirken. Nach einigen Diskussionen und Treffen hatte das Kind dann auch seinen Namen: LogR – Logistik und Recht.
Nun darf ich heute das Editorial für die letzte Ausgabe des Jahres 2024 schreiben, in dem bereits der dritte Jahrgang der LogR erscheint. Die Ausweitung der Perspektive und die ganzheitliche Betrachtung von zentralen Themen des Transportwesens haben der Debatte dabei gutgetan. Themen, für die die ausschließlich rechtswissenschaftliche Diskussion weitgehend blind ist, finden hier ihren Platz. Die Disruption von Lieferketten, die Einführung von KI in weiten Teilen des Transportwesens, Nachhaltigkeit, Diversität, Digitalisierung und andere zentrale Faktoren lassen sich im Recht und aus der juristischen Perspektive nur schwer oder gar nicht oder zumindest nicht in der gebotenen Breite darstellen.
Diese Ausweitung der Perspektive wird in Zukunft noch deutlich wichtiger werden. Die Welt hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt, und in vielen Bereichen ist sie kaum wiederzuerkennen. Handelsbeschränkungen, Strafzölle, bürokratische Anforderungen an Unternehmen, Verlagerungen von Lieferketten, technologische und wirtschaftliche Verschiebungen von Einflusssphären, neue digitale Entwicklungen und letztlich auch geänderte Erwartungen von Menschen an ihren Arbeitsplatz und die Arbeit als Solches erfordern schnelle und entschlossene Handlungen und Entscheidungen von allen Beteiligten, die aber unter der Bedingung erheblicher Unsicherheit zu treffen sind. Unsicherheit, die nicht zuletzt auch durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine erheblich zugenommen hat. Und auch die Wahlen in den USA, deren Ergebnis weniger Kontinuität und mehr Unsicherheit sowohl im wirtschaftlichen Bereich als auch auf politischer Ebene erwarten lassen, werden Folgen haben, die den weltweiten Handel und die Logistik betreffen werden.
Worauf wird sich die Logistikbranche also in Zukunft einstellen müssen? Wo liegt disruptives Potenzial? Die Dekarbonisierung zum Beispiel wird erhebliche Investitionen in der Branche erfordern. Die Autonomisierung nicht nur von LKW, sondern auch von Binnen- und Seeschiffen wird ähnliche Umwälzungen mit sich bringen, die auch die Einführung des Standardcontainers in den 1970er Jahren mit sich gebracht hat. Eine politisch immer weiter auseinanderdriftende Welt, in der auch Polverschiebungen stattfinden, erfordert immer schnellere Anpassungsleistungen der Logistik. All die Themen, die die LogR sich auf die Fahnen (und das Cover) geschrieben hat, Lieferketten, Transport, Finanzierung, Versicherung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit werden die Transportbranche weiterhin verändern und neu prägen und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Das wird nicht immer ohne Verluste erfolgen können. Es soll aber auch die positive Perspektive nicht fehlen. Bereits seit der frühesten Antike waren es Handel und Transport, der Wohlstand, Vielfalt, Erkenntnis und Wissen, aber auch politische Einigung und Versöhnung ehemaliger Feinde in die entlegensten Teile der Welt gebracht haben. Alle Versuche, den Handel und den Transport und ihre positiven Entwicklungen einzuschränken, waren allenfalls von vorübergehender Natur. Am Ende, da bin ich sehr zuversichtlich, wird sich die Erkenntnis durchsetzen, dass Kooperation die effizienteste Form der Interaktion ist.
Es ist also nicht nur eine Form der Selbstvergewisserung, wenn ich nun schreibe, dass die LogR vor ihrer Entstehung gefehlt hat und nun kaum mehr wegzudenken ist, sondern ein Faktum. Da David Saive allen Beteiligten stets dankt für ihre Mitwirkung und ihren Beitrag zum Fortbestand dieses Werks, möchte ich es nun übernehmen, David Saive zu danken für seine Vision, die er unermüdlich und mit unendlicher Energie auch gegen Widerstände, insbesondere aber auch mithilfe der Unterstützung des Verlags, Gleichgesinnter und vieler Menschen, die an der Zeitschrift mitwirken, in die Tat umgesetzt hat. Sie wird auch weiter gebraucht. Die Themen jedenfalls werden uns nicht ausgehen.
Andreas Maurer