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NUR 2022, 121
Wiegand 

Der deutsche Glasfaserboom: neue Herausforderungen für Kommunen und die Bundespolitik

Dr. André Wiegand*

Abbildung 1

Der Glasfaserausbau in Deutschland befindet sich im Umbruch. Glasfasernetze wurden in der anhaltenden Niedrigzinsphase zu begehrten Investitionsobjekten für Kapitalinvestoren. Nach Angaben der Branchenverbände stehen aktuell rund 50 Milliarden Euro an privatem Kapital für den Netzausbau bereit. In den letzten zwei bis drei Jahren sind neben den bundesweit ausbauenden großen Telekommunikationsunternehmen, Stadtnetzbetreibern („City Carriern“) und einzelnen bundesweit aktiven Glasfaserunternehmen viele weitere, von Großinvestoren gestützte, Glasfaseranbieter in den Markt eingetreten. Zum einen entstehen Anbieter, die Netze mit offenem Netzzugang („Open Access“), aber ohne eigene Endkundenprodukte bauen. Reine Vorleistungs- bzw. „Wholesale“-Netze stellen in diesem Umfang für Deutschland ein Novum dar. Zum anderen kommen viele neue vollintegrierte Anbieter auf den Markt. Diese neuen Unternehmen konzentrieren sich insbesondere auf Kommunen mittlerer Besiedlungsdichte, die keine große Kabelnetzabdeckung („Footprint“) aufweisen und in denen insbesondere die Deutsche Telekom noch keinen größeren Ausbau angekündigt hat.

Die Deutsche Telekom selbst setzt ihre Investitionsmilliarden aktuell sehr breit ein, um diesem neuen Wettbewerb entgegenzutreten. So werden in größeren Städten derzeit viele in der Regel mit Kabelnetzen versorgte Mietshäuser vollständig mit Glasfaseranschlüssen bis in die Wohnung („Fiber To The Home“, FTTH) ausgebaut. Außerhalb der Großstädte orientiert sich der Konzern neben eigenen Planungen auch an den Ausbauankündigungen des Wettbewerbs und versucht, diesem in Teilen zuvorzukommen.

Auf Kommunen in attraktiveren Lagen könnte damit in nächster Zeit das Luxusproblem zukommen, dass zwei Anbieter im Ort bzw. im Kreis in kurzer Zeitfolge hintereinander ausbauen wollen. Dies wirft aktuell die Frage auf, wie viele Glasfaserbündel in Gehwegen oberhalb anderer Versorgungsinfrastrukturen problemlos verlegt werden können. Die Bereitschaft, sich hier zu koordinieren und lokale Vorleistungsvereinbarungen zu treffen, ist bislang begrenzt. Der Ruf nach „Open Access“ verhallt jedoch in Zeiten, in denen die Claims erst noch abgesteckt werden.

In diese sich aufheizende Investitionsphase stößt das „Graue Flecken“-Förderprogramm, mit dem ab Januar 2023 ohne Aufgreifschwelle grundsätzlich alle VDSL-Gebiete förderfähig werden. Jetzt soll das Programm gemäß des neuen Eckpunktepapiers zur Gigabit-Strategie des Bundes um Priorisierungsvorgaben ergänzt werden. Wie jedoch eine vergabe- und beihilfenrechtlich konforme Ausbauförderung mit aufwendigen Markterkundungsverfahren enger mit einem dynamischen privaten Ausbau verzahnt werden kann, ist noch unklar. Eindeutiger sind die im Eckpunktepapier ausformulierten Strategien zur Beschleunigung der kommunalen Antragsverfahren. Der Bund kann hier jedoch nur unterstützen. Hauptproblem in den Kommunen bleibt der Personalmangel in den Ämtern. Nur mit mehr Personal kann der Corona-bedingte Rückstau an Genehmigungen bewältigt und der Genehmigungsprozess zukünftig beschleunigt werden.

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Geschäftsführender Partner der Unternehmensberatung Goldmedia Strategy Consulting.

 
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