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NUR 2018, 193
Haucap 

Netzentgelte als Mittel der Sozialpolitik?

Prof. Dr. Justus Haucap*

Abbildung 1

Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung wird eine Reform der Netzentgelte für die Stromnetze avisiert. Konkret möchte die Bundesregierung „mit einer Reform der Netzentgelte die Kosten verursachergerecht und unter angemessener Berücksichtigung der Netzdienlichkeit verteilen und bei Stromverbrauchern unter Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit mehr Flexibilität ermöglichen“. Entsprechend bringen sich die Interessenverbände in Stellung. So forderte etwa der Verbraucherzentrale Bundesverband jüngst, das Netzentgelt weit überwiegend auf den Arbeitspreis als leistungsabhängige Preiskomponente zu stützen. Damit solle „eine faire Kostenverteilung bei den Netz- und Stromkosten vor allem für Geringverbraucher und einkommensschwache Haushalte erreicht werden“.

Auch wenn die Forderung populär klingen mag, ist sie weder gerecht noch fördert sie eine effiziente Nutzung der Stromnetze. Daher sollten sich die Netzentgelte an Effizienzkriterien ausrichten und nicht zum Mittel der Sozialpolitik werden. Dafür gibt es andere Mittel.

Durch technologische Entwicklungen und politische Vorgaben sind zukünftig erhebliche Veränderungen in Stromerzeugung und -verteilung zu erwarten. Diese Veränderungen haben Implikationen für die optimale Regulierung der Netznutzungsentgelte. Für die Stromerzeugung ist zum einen davon auszugehen, dass der Anteil der dezentralen Stromerzeugung durch Photovoltaik (die sog. verteilte Erzeugung) weiter zunehmen wird. Dies liegt erstens an der weiteren technologischen Entwicklung, welche die Kosten der Solarstromerzeugung weiter senkt, zweitens an verbesserten Rahmenbedingungen etwa im Bereich des Mieterstroms und drittens an neuen Koordinationsmechanismen, welche etwa durch Blockketten- bzw. „Blockchain“-Technologien möglich werden. Zum anderen sinken die Kosten der Stromspeicherung durch Batterien seit Jahren deutlich. In Zukunft wird zumindest für einige dezentrale Stromerzeuger die sog. Netzparität auch für die Stromspeicherung erreicht werden, so dass es günstiger ist, selbst erzeugten Strom zu speichern und später selbst zu nutzen als überschüssigen Strom in das Netz einzuspeisen und bei Dunkelheit dann Netzstrom zu beziehen.

Mit diesen Entwicklungen verändert sich auch die Funktion insbesondere der Verteilnetze drastisch. Während die Verteilnetze – wie der Name schon suggeriert – traditionell Strom von zentralen Erzeugern hin zu dezentralen Verbrauchsstellen verteilt haben, werden Verteilnetze zukünftig immer mehr – neben der klassischen Verteilfunktion – zusätzlich auch die Funktion ökonomischer Plattformen haben, die dezentrale Anbieter und Nachfrager zusammenbringen. Wenn aber Verteilnetze immer mehr auch zur Einspeisung genutzt werden, ist es folgerichtig, dass auch die Netzentgelte nicht allein von den Nachfragern getragen werden, sondern auch von den Erzeugern. In der Tat haben viele europäische Staaten bereits eine sog. G-Komponente (wobei G für „Generation“, also Erzeugung, steht) eingeführt. Die Entwicklung der Elektromobilität, welche perspektivisch auch Speicherfunktionen übernehmen kann, wird diesen Trend noch einmal befördern. Und gerade aus sozialpolitischen Erwägungen heraus wäre es nur konsequent, Stromeinspeiser an den Kosten der Netznutzung zu beteiligen.

Zugleich bekommen die Verteilnetze für die sog. aktiven Verbraucher, welche Strom je nach Fluktuation ihrer eigenen Erzeugung mal einspeisen, mal speichern und mal entnehmen, immer mehr den Charakter einer Versicherung, welche lediglich in Notfällen (wenn etwa die Speicher entleert sind und witterungsbedingt kein eigener Strom erzeugt werden kann) in Anspruch genommen wird. Genau wie aber Versicherungen nicht nur im Schadensfall Gebühren erheben, sollten daher auch die Netznutzungsentgelte eine höhere fixe und eine geringere verbrauchsabhängige Komponente enthalten. Eine solche Entgeltstruktur spiegelt zudem auch die Kostenstruktur der Netze mit hohen Fixkosten und geringen variablen Kosten besser wider. Die fixe Komponente könnte sich dabei nach der individuellen Jahreshöchstlast richten, um auch Gerechtigkeitsaspekte hinreichend zu berücksichtigen.

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Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (Düsseldorf Institute for Competition Economics, DICE) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

 
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