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RdF 2018, 177
Stibi 

Neues IASB Discussion Paper: Wird das Eigenkapital (diesmal) exakt vermessen?

Ein eindeutiges Konzept zur Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital ist wünschenswert, bedarf aber eines robusten Praxistests.

Abbildung 1

Im Juni hat der IASB das Discussion Paper DP/2018/1 „Financial Instruments with Characteristics of Equity“ vorgelegt. Dahinter verbirgt sich der (erneute) Versuch einer eindeutigen Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital. Diese Schnittstelle ist von zentraler Bedeutung, stellt sie doch die Basis für die Beurteilung der finanziellen Position der Unternehmen dar. In Deutschland kommen auch Erinnerungen an 2008 auf: Mit einer Sonderregelung in IAS 32 stellte der IASB damals sicher, dass durch den Inhaber kündbare Anteile unter bestimmten Voraussetzungen nicht als Fremdkapital zu behandeln sind und damit Personengesellschaften, Genossenschaften und ggf. gar GmbH Eigenkapital ausweisen können.

Das Thema ist ein Dauerbrenner der IFRS-Rechnungslegung. Die Diskussionen des IASB reichen deutlich weiter zurück, und auch nach 2008 gab es Ansätze, die Abgrenzung (partiell) zu reformieren. Unverändert ist die Definition des Eigenkapitals im Framework als Residualgröße, also als der Betrag, der nach Abzug der Schulden von den Vermögenswerten verbleibt. Dazu passend definiert IAS 32 ein Eigenkapitalinstrument als Anspruch auf das Residualvermögen. Jetzt wird es kompliziert: Für die Definition einer Finanzschuld benötigt IAS 32 beinahe eine Seite! Und hieran müssen alle Finanzinstrumente gemessen werden, die der Markt entwickelt hat und die mehr oder weniger komplex die Merkmale des Eigen- und Fremdkapitals kombinieren. Das ist nicht zu kritisieren, erlauben diese doch eine effiziente Finanzierung unter Berücksichtigung der Risikoneigung der Investoren. In diesem Zusammenhang stellt der IASB klar, dass die bisherige Abgrenzung in IAS 32 (entgegen anderen Standards) nicht im Verdacht steht, an der Finanzmarktkrise beteiligt zu sein. Und: IAS 32 sei gar ein Standard, der recht gut funktioniere!

Wo ist dann der Handlungsdruck, der ein Discussion Paper von fast 150 Seiten rechtfertigt? Nach Auffassung des IASB erlauben die vorhandenen Definitionen keine eindeutige oder überzeugende Klassifizierung. Als Beleg werden zutreffend Einzelsachverhalte genannt, etwa Verpflichtungen, die durch eigene Eigenkapitalinstrumente erfüllt werden, Optionen von Minderheiten zur Andienung von Anteilen an Tochterunternehmen (NCI-Puts) oder die „Fixed-for-fixed“-Bedingung. Im Falle der Anteile mit Kündigungsrecht des Inhabers sei die Klassifizierung eindeutig, das Ergebnis aber nicht überzeugend, sodass es 2008 der Sonderregelung bedurfte.

Zur Lösung der Problematik schlägt der IASB ein neues Konzept zur Bestimmung einer Finanzschuld vor. Er folgt damit dem z. B. in IFRS 10 (Control-Konzept) oder IFRS 15 (Umsatzrealisierung) eingeschlagenen Weg, zentrale Bilanzierungskonsequenzen auf ein grundlegendes Konzept zu stützen. Abgeleitet von den Bedürfnissen der Adressaten liegt demnach eine Finanzschuld vor, wenn eines oder beide der folgenden Merkmale erfüllt sind:

  • unentziehbare vertragliche Verpflichtung zur Übertragung von Cash oder anderen finanziellen Vermögenswerten zu festgelegten Zeitpunkten vor der Liquidation des Unternehmens (timing-feature),

  • unentziehbare vertragliche Verpflichtung zur Übertragung eines Werts unabhängig von den ökonomischen Ressourcen des Unternehmens (amount-feature).

Dieses Konzept würde auf den ersten Blick viele der bisherigen (akzeptierten) Klassifizierungen beibehalten und für einzelne Zweifelsfälle eine eindeutige Lösung bieten. Daher ist der Ansatz diskussionswürdig. Allerdings zeigt der zweite Blick, dass es so einfach nicht ist: Anteile mit Kündigungsrecht des Inhabers z. B. würden (auch) nach diesem Konzept als Finanzschuld klassifiziert. Um ein solches (unerwünschtes) Ergebnis zu vermeiden, bedürfte es also weiterhin einer Ausnahme. Damit wird das grundlegende Prinzip aber prompt in Frage gestellt! Weiterhin zeigt sich, dass neue Konzepte bei ihrer Anwendung Probleme bringen, die vorher nicht erkannt wurden (s. IFRS 15). Zudem sind die Kosten von Prozessanpassungen bei der Würdigung einzubeziehen.

Schon aus diesen Gründen sind IASB und Rechnungsleger gut beraten, die Vorschläge zu diskutieren und hinsichtlich ihrer Praxistauglichkeit zu prüfen. Vielleicht kann eine Lösung aus einer begrenzten Neuregelung bestehen, die die vom IASB ohnehin vorgeschlagenen Anhangangaben stärker ins Visier nimmt und die Informationsbedürfnisse der Adressaten gleichwohl berücksichtigt. Für Kommentierungen bleibt Zeit bis zum 7.1.2019.

Prof. Dr. Bernd Stibi, WP/StB, ist Fachleiter Rechnungslegung und Prüfung des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) in Düsseldorf.

 
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