Regulierung des Zahlungsverkehrs: nervige Zusatzanforderungen oder Vertrauensbasis?
Um für den europäischen Binnenmarkt ein Level Playing Field im Zahlungsverkehr sicherzustellen, ist ein detaillierter europäischer Rechtsrahmen unerlässlich.
PSD II, DORA, MiCA . . . im September 2022 dominieren bei der Regulierung des Zahlungsverkehrs die großbuchstabigen Abkürzungen für europäische Regulierungsvorhaben – Zeit, sich einige grundsätzliche Gedanken zu machen.
Aktuell stehen wir an einem Startpunkt: Das zentrale Rahmenwerk des europäischen Zahlungsverkehrs, die Payment Services Directive II (PSD II, ABlEU vom 23.12.2015, L 337, 35), wird derzeit im Rahmen eines Reviewprozesses evaluiert. Die Europäische Kommission wertet die Antwort der European Banking Authority (EBA) auf ihren “Call for Advice” sowie die von ihr beauftragten Umfragen und Interviews aus, um schnellstmöglich die Implementierung des Review zu ermöglichen. Außerdem werden Änderungen aufgrund des Digital Operational Resilience Act (DORA, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX%3A52020PC0595, Abruf: 21.9.2022) den Zahlungsverkehr betreffen. Die Verordnung entwirft ein Rahmenwerk mit Mindeststandards für technische Geräte und Anwendungen über alle Bereiche des Finanzmarkts; im Juni 2022 erfolgte diesbezüglich politische Einigung. Bereits jetzt ist absehbar, dass sich hieraus maßgebliche Auswirkungen auf die ZAIT, das Rundschreiben 11/2021 (BA) der BaFin, abrufbar unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Rundschreiben/dl_rs_1121_BA_ZAIT.html, Abruf: 21.9.2022), ergeben werden. Mit Spannung erwartet wird auch die finale Textversion eines weiteren Großprojekts der Kommission: der Markets in Crypto-Assets Directive (MiCA, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX%3A52020PC0593, Abruf: 21.9.2022). MiCA regelt erstmals die europäische Aufsicht über Kryptowerte sowie damit verbundene Finanzdienstleistungen und wird als Meilenstein zur Regulierung dieses innovativen Finanzmarktbereichs gesehen. Welche Auswirkungen MiCA für den Zahlungsverkehr konkret haben wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist, dass es bereits heute Forschungsarbeiten zur zukünftigen Architektur eines internationalen Zahlungsverkehrs mit Digitalwährungen gibt, die erahnen lassen, welches Potential darin steckt (Omlor/Birne, ZIP 2022, 1785–1792). Kurz: im Zahlungsverkehr stehen derzeit sämtliche Zeichen auf Wandel.
Der Motor für den anstehenden Wandel ist – bis auf wenige Ausnahmen – der europäische Gesetzgeber. Über die sog. “europäische” Regulierung, also diese Gesetzgebung “von weit weg” (aus Brüssel), wird teils lautstark geschimpft, und sie wird im schlimmsten Fall als furchtbare Qual gegeißelt. Tatsächlich liegt gerade diese Regulierung in unseren Händen und erfolgt nicht “von weit weg”: Die Weiterentwicklung der PSD II und die Ausarbeitung der Rahmenwerke DORA und MiCA werden von der Europäischen Kommission, den Vertretern der jeweiligen europäischen Aufsichtsbehörden sowie der nationalen Ministerien und der jeweiligen National Competent Authorities (NCA) vorangetrieben. Auch die Wirtschaft wurde aktiv in den Prozess eingebunden. Aus diesem Grund ist es auch “unsere” Regulierung. Gerade Deutschland übernimmt hier eine überaus aktive Rolle. Es ist an der Zeit, die von den Mitgliedstaaten der EU erarbeiteten gesetzlichen Rahmenbedingungen als gemeinsam geschaffene Vertrauensgrundlage für einen funktionierenden europäischen Binnenmarkt im Zahlungsverkehr anzunehmen.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) setzt den Wunsch des Gesetzgebers in die Praxis um: Fairer Wettbewerb und die Einführung innovativer, sicherer und digitaler Zahlungsdienste sollen ermöglicht werden. Das Potential der Regelungsbereiche (vgl. 4. ErwG PSD II und 2. Rec MiCA) kann sich nur auf Grundlage eines transparenten europäischen Rechtsrahmens entwickeln. Regulierung soll nicht quälen, sondern das Vertrauen aller Marktteilnehmer (Verbraucher wie Unternehmen) in digitale Zahlungsdienste und damit das Funktionieren der Märkte gewährleisten. Die BaFin sichert gemeinsam mit den anderen nationalen Aufsichtsbehörden ein einheitliches Vertrauensumfeld, in welchem auch innovative Geschäftsmodelle ihren Platz finden. Marktvertrauen ist ein hohes Gut, das nicht verspielt werden darf. Daher erwartet die Aufsicht auch von allen Marktteilnehmern, dass sie ihren Beitrag leisten und sich an diese vertrauensbildenden Regeln halten.
Ruth Ernst ist Leiterin des Referats Grundsatz ZAG-Aufsicht und Kryptoverwahrgeschäft bei der BaFin