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RIW 2019, I
Weigand 

Die Singapore Mediation Convention: Neue Impulse für die Internationale Wirtschaftsmediation

Abbildung 1

Im internationalen Wirtschaftsverkehr gibt es für deutsche Unternehmen kaum Alternativen zur Schiedsgerichtsbarkeit. Obwohl schon vor über 20 Jahren die Frage aufkam, ob denn ADR (und insbesondere die Mediation) in Deutschland eine Rolle spielen könnte (Weigand, BB 1996, 2106), haben die alternativen Streiterledigungsverfahren (außer der Schiedsgerichtsbarkeit) seither trotz gewichtiger Monographien (vgl. etwa Risse, Wirtschaftsmediation, 2003) kaum Fuß fassen können, und zwar weder im nationalen noch im internationalen Wirtschaftsverkehr.

In jüngerer Zeit hat nun die Wirtschaftsmediation frische Impulse erhalten. Bereits 2008 hat die EU eine entsprechende Richtlinie erlassen (RL 2008/52/EC, Abl. L 136 vom 24. 5. 2008), die der deutsche Gesetzgeber mit dem Mediationsgesetz von 2012 umgesetzt hat. Neben einer überwiegend positiven Aufnahme des Gesetzes (vgl. Risse, SchiedsVZ 2012, 244) gab es auch kritische Stimmen, etwa im Hinblick auf die fehlende Regelung zur Vollstreckbarkeit der abschließenden Mediationsvereinbarung (Goltermann/Hagel u. a., SchiedsVZ 2013, 41).

Inzwischen hat die UN eine neue Initiative ergriffen: Nachdem häufig beklagt wurde, dass Vereinbarungen am Ende einer Mediation (“Settlement Agreements”) anders als Schiedssprüche (die aufgrund der New York Convention von 1958 praktisch weltweit durchgesetzt werden können) nur mühsam im Ausland vollstreckbar sind, hat UNCITRAL auf Anregung der USA im Jahr 2014 mit der Ausarbeitung entsprechender Regelwerke begonnen. Ende 2018 wurden ein Modellgesetz zur Mediation sowie eine internationale Konvention von der UN-Vollversammlung angenommen. Da als Unterzeichnungsort Singapur bestimmt wurde, wird die Konvention meist als “Singapore Convention” bezeichnet. Anlässlich der Signing Ceremony am 7. 8. 2019 haben 46 Staaten (darunter China und die USA) die Konvention unterzeichnet (FAZ v. 8. 8. 2019, S. 16). Nach Ratifikation durch mindestens drei Staaten tritt das Abkommen in Kraft.

Inhaltlich orientiert sich das Abkommen an der New York Arbitration Convention (vgl. Hacke, “New York Convention II” to come, Dispute Resolution v. 24. 6. 2015, unter: www.disputeresolution-magazin. de.) In wenigen Artikeln werden die Voraussetzungen geregelt, unter denen eine Partei eines internationalen Settlement Agreement dieses in einem Mitgliedstaat der Konvention geltend machen kann. So kann ein Vollstreckungsgesuch gestellt oder eine “res iudicata”-Einrede z. B. in einem Gerichtsverfahren erhoben werden (Art. 3: General Principles). In Art. 5 sind (analog zur New York Convention) die Gründe aufgezählt, die man einem Settlement Agreement in einem staatlichen Verfahren entgegenhalten und so insbesondere die Vollstreckung verhindern kann.

Das bisherige Echo im Schrifttum ist zweigeteilt: In Europa und Amerika findet man kaum Stellungnahmen. In Deutschland gab es kritische Kommentare der deutschen UNCITRAL-Delegation (vgl. UN-Dokument A/CN.9/WG.II/WP.188) und der Bundesrechtsanwaltskammer (Stellungnahme Nr. 5 vom Januar 2018, unter: www.brak.de), sowie vereinzelte Berichte von Anwaltskanzleien (z. B. Bausch/Heetkamp, 26. 6. 2018, unter: www.luther.de). In Asien hingegen hat schon der Entwurf der Konvention eine enthusiastische Rezeption ausgelöst. So wird z. B. auf die lange Tradition der Mediation in China verwiesen (Terence Xu, China Business Law Journal v. 29. 8. 2018, unter: www.vantageasia.com), und es werden die Vorteile der Streiterledigung “without open confrontation” hervorgehoben (YIN v YANG, China Business Law Journal v. 15. 10. 2018, unter: www.vantageasia.com). Schon seit Längerem gibt es eigene institutionelle Mediationsregeln in Singapur (SIMC Mediation Rules, unter: www.simc.com.sg) und Hong Kong (unter: www.CEDR-Asia-Pacific.com). In China besteht die Erwartung, dass künftig die Bedeutung der Mediation im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr zunehmen wird (YIN v YANG, a. a. O.), insbesondere im Bereich der sog. Belt and Road Initiative (“Neue Seidenstraße”), und man wünscht sich sogar die Entwicklung eines “Chinese Standard of Mediation” als Unterstützung für das Wachstum chinesischer Unternehmen (Terence Xu, a. a. O.). Singapur hat schon 2017 durch ein neues Gesetz die Weichen in Richtung Mediation gestellt, um die eigene Rolle als “regional leader for dispute resolution” weiter auszubauen (Lim Seok Hui, Asia Business Journal v. 11. 9. 2018, unter: www.vantageasia.com).

Von dieser Aufbruchsstimmung ist in Deutschland nichts zu spüren. Fünf Jahre nach Inkrafttreten des Mediationsgesetzes hat eine Studie ergeben, dass Mediationsverfahren sich nach wie vor auf einem niedrigen Niveau bewegen (Masser/Engewald u. a., Evaluierung des Mediationsgesetzes, 14. 6. 2017, unter: www.bmjv. de). Während der Gesetzgeber die Hürden für die Qualifikation zum zertifizierten Mediator sehr hoch gesetzt hat (vgl. die ZmediatAusbV v. 21. 8. 2016), dürfte die jüngste Rechtsprechung zur strengen Haftung des Anwaltsmediators (BGH, Urt. v. 21. 9. 2017 mit krit. Anm. Baumann, SchiedsVZ 2018, 173) zusätzlich abschreckend wirken.

Diese Entwicklung sowie die starke Förderung der Wirtschaftsmediation im asiatischen Bereich sind Anlass zur Sorge. Insbesondere das spürbare Desinteresse seitens der deutschen Gesetzgebung ist für eine Exportnation völlig unverständlich. Wenn Deutschland und Europa im Bereich der Dispute Resolution weiterhin so passiv bleiben, ist zu erwarten, dass nicht nur die Wirtschaftsmediation keine wichtige Rolle spielen wird, sondern auch die traditionell starken europäischen Zentren der Schiedsgerichtsbarkeit gegenüber dem Rest der Welt an Bedeutung verlieren werden.

Dr. Frank-Bernd Weigand, LL.M. (London), Rechtsanwalt, Amberg

 
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