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Kodifizierte Garantiepraxis – oder: URDG-Garantien reloaded

Abbildung 1

Die ISDGP erhöhen die Rechtssicherheit bei URDG-Garantien!

“What's sauce for the goose is sauce for the gander.” Was gut ist für das eine, ist auch gut für das andere – so könnte man es frei übersetzen. In diesem Sinne hat die Internationale Handelskammer (ICC) nun für die auf Anfordern zahlbaren Garantien nachgezogen. Was mit der International Standard Banking Practice (ISBP 745) seit Jahren für die den Einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen für Dokumentenakkreditive (ERA 600) unterfallenden Akkreditive gut war, trifft nun entsprechend hinsichtlich der kürzlich verabschiedeten International Standard Demand Guarantee Practice for URDG 758 (ISDGP) für auf Anfordern zahlbare Garantien zu, für die die Einheitlichen Richtlinien für auf Anfordern zahlbare Garantien (URDG 758) gelten. Endlich auch ein kodifizierter Standard der Garantiepraxis mit ICC-Gütesiegel!

Wie die ISBP 745 für Akkreditive gewährleisten die ISDGP für Garantien auf Anfordern eine praxisorientierte Abwicklung. Ihren Zweck werden die ISDGP sicherlich nicht verfehlen, einen international einheitlichen Standard zu dokumentieren, der als Auslegungshilfe bei der Abwicklung von Garantien dient. Was für ein geschickter Schachzug der ICC-Bankenkommission, erst gar keinen Zweifel an der – fortbestehenden – Praxistauglichkeit der URDG 758 selbst aufkommen zu lassen, indem sie bei den Überlegungen über ein mögliches Update nicht den Weg einer Revision der URDG 758 gewählt hat, sondern hierzu (nur) eine kodifizierte Standardpraxis für Garantien auf Anfordern entwickelt hat! Schließlich gibt es auch keine sachliche Notwendigkeit für eine inhaltliche Überarbeitung der URDG 758, die sich in der Praxis bewährt haben. “Never change a winning team.”

Wer erinnert sich nicht daran, dass Georges Affaki, der “geistige Vater” und einer der Kommentatoren der URDG, 1992, dem Jahr des Inkrafttretens ihrer ersten Fassung, von den Experten der deutschen Bankenwelt belächelt wurde. “Brauchen wir nicht!”, lautete das einhellige Credo seinerzeit.

Ja, stimmte im Prinzip und trifft auch heute noch zu. Diese Ansicht kommt jedoch in ihrer Auswirkung einem vermeidbaren Verbotsirrtum gleich. Dass man irgendetwas nicht wirklich braucht – wie z. B. eine Servolenkung bei einem Fahrzeug – bedeutet nicht, dass man es nicht doch besser nutzen sollte. Die Servolenkung steht hier symbolisch für die URDG. “Servus” – der Diener. Die URDG navigieren die Beteiligten einer Garantie sicher durch die Turbulenzen des internationalen Garantiegeschäfts – und mit den ISDGP noch effektiver.

Heute belächelt niemand mehr die URDG, auch wenn er sie nicht unbedingt aktiv befürwortet; sonst würde er auch seine Reputation aufs Spiel setzen. Denn bei einer Analyse der URDG 758 zeigt sich trotz der teilweisen Unterschiede zu Garantien auf Anfordern nach deutschem Recht, die nicht den URDG 758 unterfallen, dass darin zu einem großen Teil das festgelegt worden ist, was hinsichtlich vieler Einzelaspekte den Auffassungen der führenden deutschen Bankjuristen in der deutschen Fachliteratur sowie der höchstrichterlichen Rechtsprechung entspricht. Im internationalen Geschäft kann man jedoch nicht von einer weltweit übereinstimmenden Auffassung ausgehen.

Die URDG 758 haben auch ohne die jetzt eingeführten ISDGP weltweit ständig an Akzeptanz gewonnen und sind u. a. von der Internationalen Vereinigung Beratender Ingenieure (FIDIC) und der Weltbank übernommen worden. Sie werden von der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) unterstützt und von unterschiedlichen nationalen Gesetzgebern als Basis für ihre eigenen Mustergarantien genommen. Der internationale Wirtschaftsverkehr käme zwar aus der Sicht des deutschen Rechts auch ohne die URDG aus; aber die Rechtsklarheit, die durch dieses Regelwerk geschaffen wird, bietet enorme praktische Vorteile, auf die nicht verzichtet werden sollte. Es ist daher erfreulich, dass die ICC mit den ISDGP nun einen “offiziellen” Leitfaden für die URDG 758 zur Verfügung stellt.

Es wäre zu begrüßen, wenn die ISDGP als Katalysator für eine weitere Steigerung der Akzeptanz der URDG in der Praxis wirken. Denn die ISDGP als ein Regelwerk, das die “best practice” im internationalen Garantiegeschäft dokumentiert, sorgt rund um den Globus für die zu begrüßende Einheitlichkeit bei der Abwicklung von Garantien auf Anfordern. In allen praxisrelevanten Punkten unterstützen die ISDGP die Anwendung und Auslegung der URDG 758. Sie geben nützliche Antworten auf alle Fragestellungen von der redaktionellen Abfassung von URDG-Garantien über deren Ausstellung und Inanspruchnahme bis hin zu der Prüfung der Zahlungsanforderung und der vorgelegten Dokumente sowie der Abwicklung nach der Inanspruchnahme.

Spätestens jetzt sind alle Ressentiments gegenüber URDG-Garantien zurückzuweisen. Nach einem alten polnischen Brauch bedeutet es übrigens eine Zurückweisung, wenn man jemandem eine Gans in schwarzer Soße vorsetzt. Ob dies auch für einen Gänserich gilt, bleibt den Experten vorbehalten.

Klaus Vorpeil, Rechtsanwalt, Mainz

 
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