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Schiedsverfahren und EU-Sanktionen – keine Freunde?

Abbildung 1

Die Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland auf Schiedsverfahren sind enorm

Schiedsverfahren gelten zu Recht als effizientes Mittel zur Beilegung von Streitigkeiten im internationalen Geschäftsverkehr. Gesichert wird dies durch schiedsfreundliche nationale Gesetze und den Rahmen der New Yorker Konvention von 1958, die mit ihren 169 Vertragsparteien einen weltweit einheitlichen Rahmen schafft. Dieser Rahmen basiert jedoch auf einem Konsens, dass man sich nicht in Schiedsvereinbarungen einmischt und das Ergebnis eines Schiedsverfahrens – im Rahmen des eigenen nationalen ordre public – grundsätzlich akzeptiert.

Die gegen Russland verhängten Sanktionen führen nun dazu, dass dieser Mechanismus schwer gestört wird. Die maßgebliche EU-Verordnung 269/2014 (Grundverordnung der Sanktionen gegen Russland) behandelt Schiedsverfahren grundlos schlechter und stellt Unternehmen, Schiedsrichter und Schiedsinstitutionen vor unnötige Risiken.

Am deutlichsten zeigt sich dies in der Vollstreckung eines Schiedsspruchs gegen eine sanktionierte Partei. Eigentlich sollte die Vollstreckung eines Schiedsspruchs einfach sein. Denn sofern die sanktionierte Partei Vermögenswerte in der EU hat, sind diese eingefroren. Tatsächlich aber ist die Vollstreckung eines Schiedsspruchs in eingefrorene Vermögenswerte nur dann möglich, wenn dieser Schiedsspruch vor Erlass der Sanktionen ergangen ist. Eine gerichtliche Entscheidung hingegen kann auch dann in eingefrorene Vermögenswerte vollstreckt werden, wenn sie nach Erlass der Sanktionen ergangen ist (Art. 5 Abs. 1 lit. a Verordnung 269/2014).

Das macht Schiedsverfahren in allen Streitigkeiten mit Sanktionen unterliegenden Parteien zu einem Papiertiger. In der EU wäre ein Schiedsspruch zwar vollstreckbar – nur nicht in eingefrorene Vermögenswerte. Und da das faktisch alle für den Zugriff verfügbaren Vermögenswerte sein dürften, ist der Schiedsspruch bis zu einer Änderung der Verordnung oder Aufhebung der Sanktionen in der EU nur ein Stück Papier. Unternehmen, die auf Schiedsklauseln vertraut haben, werden enttäuscht sein. Ein Zurückfallen auf staatliche Gerichte ist angesichts der damit verbundenen Nachteile auch keine Lösung.

In Russland dürfte ein Schiedsspruch ebenfalls nicht vollstreckbar sein. Denn seit einer Ergänzung der russischen Handelsverfahrensordnung (APC) im Juni 2020 kann sich die sanktionierte Partei von der Schiedsklausel lösen und vor staatlichen Gerichten in Russland Klage erheben. Sie kann sogar eine einstweilige Verfügung gegen die Durchführung eines Gerichts- oder Schiedsverfahrens im Ausland erwirken. Gerichte haben dies Anfang des Jahres so weit ausgelegt, dass die Existenz von Sanktionen ausreicht, unabhängig davon, ob die Partei tatsächlich gehindert, ist am Schiedsverfahren teilzunehmen.

Der europäische Gesetzgeber muss dringend Abhilfe schaffen und die Schlechterstellung von Schiedsverfahren vermeiden. Eine Umgehung der Sanktionen durch fingierte Schiedsverfahren – die man möglicherweise befürchtet hat – ist auch deshalb ausgeschlossen, weil jeder Zugriff auf eingefrorene Vermögenswerte eines Antrags bedarf, der eine solche Umgehung ausschließen muss.

In dem Zusammenhang sollten dann auch die rechtlichen Unsicherheiten, die mit einem Schiedsverfahren gegen sanktionierte Parteien verbunden sind, behoben werden. Zwar schließen die Sanktionen die Durchführung eines Schiedsverfahrens grundsätzlich nicht aus. Schiedsinstitutionen müssen bei Streitigkeiten, an denen sanktionierte Unternehmen beteiligt sind, nur mehr administrative Schritte vornehmen als normal. Diese beinhaltet etwa eine ausführliche Compliance-Prüfung und den Dialog mit den zuständigen staatlichen Behörden über die praktischen Aspekte der in einer EU-Verordnung geforderten Maßnahmen. Praktische Probleme können aber dadurch entstehen, dass bei einem Schiedsverfahren Parteien die Gelder für die Schiedsinstitution und die Schiedsrichter einzahlen müssen. Kann die sanktionierte Partei nicht zahlen, geht das Verfahren nur weiter, wenn die EU-Partei den vollen Betrag einzahlt. Werden der sanktionierten Partei damit – verbotenerweise – mittelbar Gelder zur Verfügung gestellt (Art. 2 Abs. 2 Verordnung 269/2014)? Die Erfahrung zeigt, dass europäische Banken teilweise sehr sensibel sind und sich weigern, Gelder für solche Schiedsverfahren anzunehmen und zu verwahren. Eine Klarstellung in der Verordnung, dass Zahlungen zur Durchführung eines Schiedsverfahrens erlaubt sind, wäre hilfreich.

Es gibt daher einiges zu tun. Die EU sollte ihre Schiedsfeindlichkeit aufgeben. Sie schadet damit nur der europäischen Wirtschaft in diesen kritischen Zeiten.

Dr. Richard Happ, Rechtsanwalt, Hamburg

 
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