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SRNL 2022, 2
Mönning 

Editorial

Abbildung 1

Rolf-Dieter Mönning

Mit Händen und Füßen, einem Bündel von Maßnahmegesetzen, aber vor allem mit viel Geld, versucht der Staat, Insolvenzen zu vermeiden und ist dabei durchaus erfolgreich. Trotz Russlands Überfall auf die Ukraine, anhaltender Corona-Pandemie, steigender Energiepreise, gravierendem Fachkräftemangel, hoher Inflation, zunehmenden Klimaschäden, gebrochener Lieferketten, belastender Umweltauflagen und globaler Spannungen bleibt die erwartete Insolvenzwelle weiter aus. Franc Zimmermann nennt das in seinem meinungsstarken Beitrag „ein Misstrauensvotum gegen das Insolvenz- und Sanierungsrecht“, dem die Regierung offensichtlich nicht zutraut, Unternehmenskrisen adäquat zu bewältigen. Und das, obwohl Deutschland erst im vergangenen Jahr den Restrukturierungsrahmen (StaRUG) als neues Verfahren eingeführt hat, das seither aber nur ein Schattendasein fristet. In der Tat lässt sich heftig diskutieren, ob staatliche Eingriffe in marktwirtschaftliche Prozesse sinnvoll sind, insbesondere wenn sie nach dem Gießkannenprinzip erfolgen – also schwarze Schafe gleichermaßen begünstigen, wie gut wirtschaftende Unternehmen. Und kann es unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit richtig sein, schon lebende oder noch zu zeugende Enkel die Zeche bezahlen zu lassen? Andererseits sorgt sich derjenige, der mit dem Rücken zur Wand steht, nicht um die Einhaltung marktwirtschaftlicher Prinzipien, sondern verlangt nach Hilfe, und zwar sofort und in ausreichendem Maße. Und wer diese Hilfe nicht bekommt, ist anfällig für die Parolen von Neonazis, Putin-Verstehern, Corona-Leugnern, Reichsbürgern und anderen Spinnern, die man aber besser nicht als solche abtun sollte, weil sie tatsächlich nicht so harmlos sind, wie ihre teils abstrusen Gedankengänge vermuten lassen.

Wie weit kann und soll die staatliche Unterstützung gehen? Damit sprechen wir in diesem Heft pointiert ein Thema an, das geeignet ist, die Diskussionen im Familien- und Freundeskreis unter dem Weihnachtsbaum ordentlich zu beleben. Aber bitte im Rahmen.

Ein nachhaltiges Echo haben in der Sanierungsszene unsere Beiträge in Heft 9 zum Dual-Track-Verfahren ausgelöst. Zur Erinnerung: Wer die Eigensanierung seines Unternehmens anstrebt, ein Schutzschirmverfahren einleitet und mit Hilfe eines Insolvenzplans die finanzwirtschaftliche und hoffentlich auch leistungswirtschaftliche Sanierung seines Unternehmens betreiben will, wird unerwartet mit einem parallel laufenden Investorenprozess (Dual-Track) konfrontiert, der vordergründig dazu dienen soll, den „richtigen“ Unternehmenswert zu ermitteln, um belegen zu können, dass der Insolvenzplan die beteiligten Gläubiger nicht schlechter stellt, als sie im Falle eines Alternativszenarios stehen würden. Tatsächlich aber besteht damit die Gefahr, dass am Ende nicht die Eigensanierung, sondern der Verlust des eigenen Unternehmens steht. Befürworter und Gegner streiten erbittert. Die Befürworter eines zweigleisigen Verfahrens wollen verhindern, dass der Unternehmenswert kleingerechnet wird, und die Planverfasser zu billig davonkommen. Die Gegner weisen darauf hin, dass jedes Bieterverfahren stör- und manipulationsanfällig ist, Zeit und Geld kostet und Sanierungsverfahren bürokratisiert, schwerfällig werden lässt und am Ende nur zu einer Scheinsicherheit führt. Dahinter wird die deutsche Furcht vor Missbrauch und der Hang zur Detailperfektion vermutet, die jede Krisenbewältigung erschweren, die Einzelfallbezogen angelegt sein muss, um erfolgreich zu sein. Starre Regelwerke sind dabei eher hinderlich, wie man spätestens seit der Bewältigung der Hamburger Sturmflut weiß, als der spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt in seiner Funktion als Innensenator sich über alle Regeln hinwegsetzte, um Menschenleben zu retten. Glücklicherweise ist auch die Sanierungspraxis kreativ. Sie ist auf die Idee einer Last-Call-Option gekommen. Damit soll dem die Eigensanierung betreibenden Unternehmen das letzte Wort verbleiben, um das im Rahmen eines Investorenprozesses abgegebene Bestgebot noch zu kontern. Zwei Fliegen werden mit einer Klappe geschlagen: Das letzte Gebot ist dann wirklich das Bestgebot, was im Interesse der Gläubiger liegt. Und das Unternehmen hat die Chance, auf diese Weise eine unfreundliche Übernahme zu verhindern.

Unseren Lesern und Leserinnen wünschen wir, dass die kreativen Ideen nie ausgehen, was nicht unbedingt nur für die Krisenbewältigung gelten muss, wieder eine anregende Lektüre und vor allem ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Start in das neue Jahr 2023, das hoffentlich der Ukraine den Frieden unter Wahrung ihrer nationalen und territorialen Souveränität bringt.

(Prof. Dr. Mönning)
Rechtsanwalt

 
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