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STB 2022, I
Stahlschmidt 

Die GmbH mit gebundenem Vermögen

Abbildung 1

Auf Initiative und Unterstützung von namhaften Persönlichkeiten, Unternehmen und der Berliner Stiftung Verantwortungseigentum haben Wissenschaftler einen Gesetzentwurf für eine sogenannte GmbH mit gebundenem Vermögen (GmbH-gebV) vorgelegt. Kernmerkmal der GmbH-gebV soll eine fixierte Ausschüttungssperre sein. Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter sind verboten. Zudem soll ein ausscheidender Gesellschafter lediglich den Nominalwert seiner Beteiligung erhalten, auf keinen Fall den Zeitwert. Dies gilt auch für den Fall der Liquidation. Gewinnabführungsverträge, verdeckte Gewinnausschüttungen und Umwandlungen in eine Gesellschaftsform ohne Vermögensbindung oder Gemeinnützigkeit sind verboten. Der wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums hat sich nun zu dem Vorschlag geäußert. Er hält die zwingende Ausschüttungssperre sowohl wirtschaftspolitisch als auch wettbewerbspolitisch nicht für empfehlenswert. Nach seiner Auffassung ist das “Narrativ der Befürworter”, individuelles Gewinnstreben und die Beteiligung am Kapitalmarkt verhinderten verantwortliches Unternehmertun, nicht haltbar. Die Notwendigkeit der neuen Rechtsform ist aus diesem Grunde nicht notwendig. Schließlich könne die Stiftung gewählt werden. Gesellschaftsrechtlich wird die Befugnis über die Ansammlung des Kapitals von den Gesellschaftern auf die Geschäftsführer übergangen, da nur diese zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind. Der einzelne Gesellschafter erhält bei einem Desinvest nur den Nennwert seiner Beteiligung. Die Differenz zum Zeitwert verbleibt in der Gesellschaft. Ob ein derartiges Konzept eine nachhaltige, langfristige Unternehmensführung besser umsetzt, darf bezweifelt werden, zumindest gibt es keinen empirischen Beleg.

Bedenken hat der wissenschaftliche Beirat aber auch aus steuerrechtlichen Gründen. Aus seiner Sicht müsse der Gesetzgeber keine neue Rechtsform zur Verfügung stellen, die als Steuersparmodell missbraucht werden könne. Probleme ergeben sich bei der Körperschaftsteuer und bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Die Systematik des Körperschaftsteuersystems, die sog. “Zwei-Ebenen-Besteuerung” passe nicht auf die GmbH-geV. Die klassische GmbH versteuert zunächst auf Ebene der Gesellschaft den Gewinn und auf Ebene des Gesellschafters wird die Ausschüttung besteuert. Die letzte Besteuerung fällt bei der GmbH-geV aus, da es keine Ausschüttungen geben wird. Auch bei der Veräußerung der Anteile wird eine Besteuerung nicht stattfinden, da es keinen Veräußerungsgewinn geben wird. Der wissenschaftliche Beirat sieht daher aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit und Steuersystematik einen Sondersteuersatz für die GmbH-geV als geboten an. Dieser müsse dem Niveau einer ausschüttenden GmbH entsprechen. Der Ansatz der Anteile bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer mit dem Nominalwert führe zu weiteren Problemen, da dieses Vermögen dauerhaft weder mit Erbschaftsteuer noch mit Schenkungsteuer belastet werden könne. Die ohnehin schon problematische Bevorzugung des Betriebsvermögens verschärfe sich hier noch weiter.

Aber auch zu Governance Problemen äußert sich der wissenschaftliche Beirat. Die Gesellschafter der GmbH-gebV hätten für eine gute Governance zu sorgen. Aus Sicht der Befürworter der GmbH-geV bildeten die Gesellschafter eine “Wertefamilie” und brächten sich in “ihre” GmbH-gebV besonders ein. Weitere Governance-Instrumente wie die staatliche Stiftungsaufsicht, ein verpflichtender Aufsichtsrat o. Ä. sei bei der GmbH-gebV nicht erforderlich. Ob sich allein durch die Wahl einer Rechtsform eine “Wertefamilie” an Gesellschaftern bildet, wird bezweifelt. Auch ein Generationswechsel muss nicht zwangsläufig zur Beibehaltung der “Wertefamlie” oder Begründung einer “Wertefamilie” führen. Insofern wären keine wirksamen Corporate Governance Instrumentarien bei der GmbH-gebV anzutreffen.

Der wissenschaftliche Beirat kommt zu dem Schluss, dass er die Einführung der GmbH-gebV nicht empfiehlt. Aus seiner Sicht bietet die bestehende Rechtsordnung genügend Raum für verantwortungsvolles Unternehmertum. Mal sehen wie es mit der Rechtsform weitergeht.

Professor Dr. iur. Michael Stahlschmidt, M.R.F LL.M. MBA LL.M, RA/FAStR/FAInsSanR/FAMedR/StB, Diplom-Betriebswirt/FH, lehrt an der FHDW Paderborn Steuerrecht, Rechnungswesen und Controlling und ist Ressortleiter des Ressorts Steuerrecht des Betriebs-Berater und Chefredakteur Der SteuerBerater.

 
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