Steuerpolitik in ungewissen Zeiten
Am 23.2.2025 findet die vorgezogene Bundestagswahl statt – aufgrund des Erlöschens der Ampel. War die Steuerpolitik während der Ampelregierung von inhaltlichen und zeitlichen Eigenarten (Verkündung des Jahressteuergesetzes 2024 am 5.12.2024) geprägt, brechen für die Steuerpolitik nun interessante aber wohl auch unruhige Zeiten an, wie ein Blick in die Wahlprogramme (bzw. Entwürfe) von CDU/CSU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BSW und AfD zeigt.
Festzuhalten ist, dass in allen Programmen Steuerpolitik mehr oder minder ausführlich enthalten ist. Am ausführlichsten ist die Steuerpolitik im Programm der CDU/CSU vorhanden. Neben einzelnen konkreten Maßnahmen wie z. B. die Abzugsfähigkeit von Kosten für energetische Sanierungen von der Erbschaft- und Schenkungsteuer, die Reduzierung des Umsatzsteuersatzes auf Speisen in der Gastronomie auf 7 %, die Verbesserung der steuerlichen Absetzbarkeit haushaltsnaher Dienstleistungen, die Erhöhung des steuerlichen Entlastungsbetrages für Betreuung, die Erhöhung der Ehrenamts- und der Übungsleiterpauschale, die Befreiung von alternativen Kraftstoffen wie Biokraftstoffe und synthetische Kraftstoffe in der Land- und Forstwirtschaft von der Energiesteuer, die Steuerfreiheit des Gehaltes bis 2 000 € für Arbeiten in der Altersrente, die Reduktion der Stromsteuer und Netzentgelte durch die CO2-Einnahmen, finden sich auch ausführliche Vorschläge zur Vereinfachung der Besteuerung. Die Aufbewahrungsfrist von Buchungsbelegen soll im Handels- und Steuerrecht auf fünf Jahre verkürzt werden. Betriebsprüfungen sollen zügiger und stärker automatisiert erfolgen. Für Rentner und Pensionäre soll ein Quellenabzug abgeführt werden, damit diese in Zukunft keine Steuererklärungen mehr abgeben müssen. Die vollautomatische Steuerveranlagung wird angestrebt. Pauschalierungen und Typisierungen sollen das Einkommensteuerrecht vereinfachen. Der Einkommensteuertarif soll abgeflacht und der Grundfreibetrag erhöht werden. Auch die Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz soll steigen. Die Pendlerpauschale ebenso. Überstundenzuschläge bei Vollzeitbeschäftigung sollen steuerfrei gestellt werden.
Die SPD will den Kauf von E-Autos stärker ankurbeln. Dazu soll ein zeitlich befristeter Steuerabzugsbetrag für die Anschaffung eines in Deutschland produzierten E-Autos für private Autokäufer eingeführt werden. Die gewerbliche Nutzung von E-Autos soll durch bessere Abschreibungsbedingungen und Änderungen bei der Dienstwagenbesteuerung verbessert werden. Abschaffen will die SPD die Umlage der Grundsteuer im Rahmen der Nebenkosten für vermieteten Grundbesitz. Schließlich soll die große Mehrheit der Einkommensteuerpflichtigen, die die SPD mit etwa 95 % der Steuerzahler beziffert, entlastet und dafür unter anderem Spitzeneinkommen und -vermögen stärker an der Finanzierung des Gemeinwohls und der Modernisierung unseres Landes beteiligt werden. Standard soll die vorausgefüllte Einkommensteuererklärung werden und Erstattungen sollen automatisch erfolgen. Zuschläge für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte Vollzeitarbeit hinausgehen, sollen steuer- und beitragsfrei gestellt werden.
Ein Steuersystem, welches Leistung und Investition belohnt, möchte die FDP schaffen. Ein linear-progressiver Chancentarif in der Einkommensteuer soll eingeführt werden, um den sog. Mittelstandsbauch vollständig zu beseitigen. Der Grundfreibetrag soll mindestens um 1 000 € angehoben werden. Der Spitzensteuersatz soll sich an der aktuellen Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung orientieren. Statt bei gut 68 000 € schlüge dieser erst bei 96 600 € zu. Der Solidaritätszuschlag soll abgeschafft und Freibeträge und Eckwerte der Einkommensteuer an die allgemeine Preisentwicklung angepasst werden. Gleiches soll für die Erbschaft- und Schenkungsteuer gelten. Vermögensteuer oder Vermögensabgaben werden abgelehnt. Kleine und mittlere Unternehmen sollen von einer vereinfachten Ist-Besteuerung bei der Umsatzsteuer profitieren und ein Wahlrecht bei der Gewinnermittlung zur Anwendung von pauschalen Betriebsausgaben erhalten. Die Sofortabschreibungsgrenze für GWG soll erhöht und die Sammelabschreibung für Wirtschaftsgüter, deren Wert über der Sofortabschreibungsgrenze liegt, erweitert werden.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) will Einkommen bis zu 7 500 € brutto steuerlich entlasten, den Grundfreibetrag deutlich erhöhen und an das Mindestlohneinkommen koppeln. Die gesetzliche Rente soll bis 2 000 € monatlich steuerfrei sein und Kapitalerträge dem normalen Einkommensteuersatz unterfallen. Dagegen ist die Anwendung des Spitzensteuersatzes erst bei sehr hohen Einkommen vorgesehen. Schuldzinsen und Lizenzzahlungen an Holdinggesellschaften im Ausland sollten deshalb bei der Berechnung der Gewerbesteuer nicht mehr vom Gewerbeertrag abgezogen werden dürfen. Abzugsfähig bei der Kapitalertragsteuer sollen sie nur noch sein, wenn der Empfänger in seinem Sitzland einen akzeptablen Mindeststeuersatz entrichtet. Die Steuerfreiheit der Wertzuwächse bei Immobilien bei einer Haltedauer von 10 Jahren wird auf den selbstgenutzten Wohnraum begrenzt. Share-deals werden abgeschafft. Die Einführung der Vermögenssteuer für Vermögen ab 25 Mio. € mit einem Steuersatz von 1 % ist vorgesehen, der ab 100 Mio. € Vermögen auf 2 % und ab 1 Mrd. € auf 3 % steigt.
Im Wahlprogramm der AfD findet sich, dass Steuern für Bürger und Unternehmen zu senken seien. Zu diesem Zweck soll die Einkommensteuer, Konsum- und Unternehmenssteuern auf ein international konkurrenzfähiges Niveau gesenkt werden. 14 000 € Steuerfreibetrag, die Streichung der CO2-Abgabe und die Reduzierung der Energiesteuern und Abschaffung des Solidaritätszuschlages sind weitere Punkte.
Die Kurzanalyse zeigt, dass sowohl Schwerpunkte als auch inhaltliches Gewicht der vorgesehenen Maßnahmen unterschiedlich ausgeprägt sind. Spannend wird sein, welche Punkte von der zukünftigen Bundesregierung verfolgt werden.
Prof. Dr. iur. Michael Stahlschmidt, M.R.F., LL.M., MBA, LL.M., RA/FAStR/FAInsSanR/FAMedR/StB, Dipl.-Betriebswirt/FH, lehrt an der FHDW Paderborn Steuerrecht, Rechnungswesen und Controlling und ist Ressortleiter des Ressorts Steuerrecht des Betriebs-Berater und Chefredakteur Der SteuerBerater, Frankfurt am Main/Medebach.