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STB 2023, I
Stahlschmidt 

Wirksamkeit der Meldung von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen

Abbildung 1

Das Problem der Steuervermeidung und aggressiven Steuerplanung hat die Steuerbehörden weltweit stark besorgt. Auslöser war die Einführung der Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden (DAC-RL) der Europäischen Union (EU) 2011, um die Transparenz und die Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten im Bereich der Besteuerung zu fördern. Seit dem 1.7.2020 sind sog. Intermediäre und steuerpflichtige Nutzer verpflichtet, Gestaltungen, die bestimmte steuerliche Auswirkungen haben, den Steuerbehörden zu melden. Auch Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union war verpflichtet, DAC 6 in nationales Recht umzusetzen – mit erheblichen Auswirkungen auf Steuerpflichtige und Intermediäre. Diese sind nun verpflichtet, bestimmte gesetzlich definierte grenzüberschreitende Steuergestaltungen zu identifizieren, zu melden und den deutschen Steuerbehörden gegenüber offenzulegen.

Allerdings fehlen bis zum heutigen Tage aussagekräftige Informationen darüber, wie wirksam diese Maßnahmen gegen die Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs sind. Auch die Höhe der administrativen Kosten für Unternehmen und Finanzverwaltung sind gänzlich unbekannt. Ebenso wenig lässt sich der Mehrwert für die Bundesrepublik Deutschland beziffern. Insoweit wäre das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Interesse. Dies nahm die CDU/CSU zum Anlass für eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung. Der Antwort lassen sich einige interessante Informationen entnehmen (Drs. 20/6734).

Die grenzüberschreitenden Steuergestaltungen sind in Deutschland gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) mitzuteilen. Dort seien, Stand 31.3.2023, bisher insgesamt 26 921 Mitteilungen über grenzüberschreitende Steuergestaltungen i. S. d. §§ 138d ff. der Abgabenordnung (AO) eingegangen. Zusätzlich habe das BZSt gemäß § 7 Absatz 4 des EU-Amtshilfegesetzes (EUAHiG) insgesamt 1 967 Mitteilungen aus dem Zentralverzeichnis der Europäischen Union heruntergeladen, die Deutschland als betroffenen Mitgliedstaat einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung kennzeichnen. Aufgrund dieser Mitteilungen seien aber seitens der Zollverwaltung bisher keine grenzüberschreitenden Steuergestaltungen identifiziert und durch das BZSt an die Generalzolldirektion übermittelt worden. Die Mitteilungen an das BZSt verteilen sich zu 76,5 % auf Intermediäre und 22,9 % auf Nutzer einer Steuergestaltung.

An das BMF habe das BZSt bisher Informationen über insgesamt 24 grenzüberschreitende Steuergestaltungsmodelle mit identifiziertem rechtspolitischem Handlungsbedarf mitgeteilt. Diese betrafen insgesamt 4 268 einzelne Mitteilungen. Das BMF habe die Finanzbehörden der Länder in allen 24 Fällen über die Ergebnisse der Auswertung informiert, da in den mitgeteilten Steuergestaltungen Steuern betroffen waren, die ganz oder teilweise den Ländern oder Gemeinden zustünden. Weiterhin seien 140 Gestaltungsmodelle ohne rechtspolitischen Handlungsbedarf vom BZSt an die Finanzbehörden der Länder zum Abruf bereitgestellt worden.

Der Antwort ist weiter zu entnehmen, dass die Koalitionsfraktionen nicht planen, die Mitteilungspflicht über grenzüberschreitende Steuergestaltungen auch auf rein innerstaatliche Steuergestaltungen auszuweiten und die hierfür erforderlichen gesetzlichen Grundlagen in der 20. Legislaturperiode zu schaffen. Parallel finde auf EU-Ebene eine Evaluation der die Mitteilungspflicht auslösenden Hallmarks (Kennzeichen) statt. Ob und wann diese in einen Rechtsetzungsakt auf EU-Ebene münden könnten, sei unbekannt. Selbstverständlich unterliege der Informationsaustausch als Teil der internationalen Amtshilfe im Steuerbereich einer laufenden Weiterentwicklung, die sich an der zunehmenden Globalisierung und Digitalisierung des wirtschaftlichen Handelns orientiere. Um grenzüberschreitende Sachverhalte vollständig erfassen zu können, seien zwischenzeitlich die verschiedenen angesprochenen Grundlagen für einen grenzüberschreitenden Informationsaustausch geschaffen worden. Die unterschiedlichen Verfahren trügen jeweils zu einer effektiven und gleichmäßigen Besteuerung bei, indem sie Steuerflucht und Vermeidung bekämpften, aber auch Doppelbesteuerung vermieden. Dies gelte auch für den Informationsaustausch über grenzüberschreitende Steuergestaltungen.

Im Hinblick auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis hat die Bundesregierung keine Bedenken. Auch die Zweifel der Studie des FISC-Ausschusses, ob die Einführung der Mitteilungspflichten im Rahmen von DAC 6 aus Gründen des Schutzes vor möglicher Steuervermeidung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Artikel 52 Absatz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union standhielte – abrufbar unter https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2022/703353/IPOL_
STU(2022)703353_EN.pdf (Abruf: 25.5.2023) – kann die Bundesregierung nichts abgewinnen. Sie vertritt die Auffassung, dass die Richtlinie (EU) 2018/822 grundsätzlich mit den Unionsgrundrechten vereinbar sei, mit Verweis auf die EuGH-Entscheidung zur Rechtssache C-694/20 (Orde van Vlaamse Balies e. a.) vom 8.12.2022.

Prof. Dr. iur. Michael Stahlschmidt, M.R.F., LL.M., MBA, LL.M., RA/FAStR/FAInsSanR/FAMedR/StB, Dipl.-Betriebswirt/FH, lehrt an der FHDW Paderborn Steuerrecht, Rechnungswesen und Controlling und ist Ressortleiter des Ressorts Steuerrecht des Betriebs-Berater und Chefredakteur Der SteuerBerater, Frankfurt am Main/Medebach.

 
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