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WRP 2025, I
Alexander 

Das UWG wächst und ergrünt

Abbildung 1

Prof. Dr. Christian Alexander

Ungeachtet der Bundespolitik, die sich nach den Neuwahlen im Februar 2025 vermutlich erst einmal neu sortieren muss, laufen nicht nur die lauterkeitsrechtlichen Tagesgeschäfte weiter. Dazu gehören auf gesetzgeberischer Ebene auch die Umsetzungen von unionsrechtlichen Richtlinien.

Im Kernbereich des Lauterkeitsrechts haben sich unlängst wichtige Erweiterungen der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im Binnenmarkt (im Folgenden: UGP-RL) durch die „EmpCo“-Richtlinie ergeben. Es handelt sich um die Richtlinie (EU) 2024/825 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.02.2024 zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und durch bessere Informationen (ABl. Nr. L 2024/825). Diese Änderungen sind bis zum 27.03.2026 in das nationale Recht der Mitgliedstaaten umzusetzen und die Neuregelungen sind ab dem 27.09.2026 anzuwenden. Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat am 09.12.2024 einen Diskussionsentwurf (im Folgenden: UWG-E) zur Umsetzung dieser Vorgaben vorgelegt.

Wenig überraschend soll nach diesem Entwurf die „EmpCo“-Umsetzung innerhalb des UWG erfolgen. Zu übertragen sind zunächst die neuen Definitionen aus Art. 2 UGP-RL. Hier rächt es sich allerdings, dass der deutsche Gesetzgeber zuletzt eine alphabetische Sortierung der Begriffe vorgenommen hat. Um an diesem – in der Sache nach wie vor nicht überzeugenden – Prinzip festzuhalten, soll § 2 UWG einen geänderten und einen neuen Absatz erhalten. § 2 Abs. 2 UWG-E definiert die Begriffe allgemeine Umweltaussage (Nr. 1), anerkannte hervorragende Umweltleistung (Nr. 2), Betriebsstoff (Nr. 3), Nachhaltigkeitssiegel (Nr. 4), Umweltaussage (Nr. 5) und Zertifizierungssystem (Nr. 6). Hinzu treten in § 2 Abs. 3 UWG-E „Verweisungsdefinitionen“, d. h. Begriffsbestimmungen, die im Wesentlichen auf andere Rechtsakte Bezug nehmen. Dies umfasst die Begriffe Funktionalität (Nr. 1), Haltbarkeit (Nr. 2), Online-Schnittstelle (Nr. 3), Softwareaktualisierung (Nr. 4), Verbraucher (Nr. 5; bislang in § 2 Abs. 2 UWG enthalten) und Waren (Nr. 6).

Die erneute alphabetische Sortierung führt dazu, dass sachlich eng zusammengehörende Definitionen – wie z. B. Umweltaussage und allgemeine Umweltaussage in § 2 Abs. 2 UWG-E – auseinandergerissen werden. Zweckmäßig und anwendungsfreundlich ist das eher nicht. Der Mehrwert der Verweisungsdefinitionen in § 2 Abs. 3 UWG-E ist ebenfalls überschaubar, denn im Zeitalter von Datenbanken und KI lassen sich Begriffe in anderen Rechtsakten rasch auffinden. Und die Verweisung auf § 13 BGB war im Anwendungsbereich des UWG schon immer missglückt. § 2 Abs. 3 Nr. 5 UWG-E behält diesen Zustand lediglich in redaktionell neuem Gewande bei. Leider nutzt der UWG-E nicht die Gelegenheit, eine Definition des praktisch wichtigen Begriffs der Werbung in das Gesetz aufzunehmen.

Die Erweiterungen des Art. 6 UGP-RL sollen in § 5 UWG integriert werden. Die Anpassungen in Art. 6 Abs. 1 lit. b UGP-RL finden sich in § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG-E. Die neuen Irreführungstatbestände aus Art. 6 Abs. 2 lit. d und e UGP-RL sollen – allerdings in umgekehrter Reihenfolge – als § 5 Abs. 3 Nr. 3 und 4 UWG-E umgesetzt werden. Art. 7 Abs. 7 UGP-RL enthält neue Vorgaben zur Wesentlichkeit von Informationen bei bestimmten Vergleichsdiensten. Hierfür ist ein neuer § 5b Abs. 3a UWG-E vorgesehen.

Am umfangreichsten sind die geplanten Erweiterungen der „Schwarzen Liste“, also des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG. Der Entwurf übernimmt konsequent die Sortierung und Nummerierung des Anhangs I UGP-RL und ergänzt Perse-Verbote in Nr. 2a, Nr. 4a bis 4c, Nr. 10a sowie Nr. 23d bis 23j.

Der UWG-E beinhaltet über die „EmpCo“-Richtlinie hinaus die Übernahme einer neuen Bestimmung der Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU (VRRL), die mit der Richtlinie (EU) 2023/2673 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.11.2023 zur Änderung der Richtlinie 2011/83/EU in Bezug auf im Fernabsatz geschlossene Finanzdienstleistungsverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 2002/65/EG (ABl. Nr. L 2023/2673) eingefügt wurde. Zur Umsetzung des neu geschaffenen Art. 16e VRRL soll eine neue Nr. 33 in die „Schwarze Liste“ des UWG aufgenommen werden.

In der Sache geht es um einen speziellen Fall des Schutzes von Verbrauchern vor sog. „dark patterns“, also Gestaltungen von Funktionen im Onlinebereich, die auf eine gezielte Manipulation von Verbraucherentscheidungen ausgerichtet sind. Der Tatbestand enthält mehrere unscharfe Rechtsbegriffe wie „Fenster-Element“ oder „Nutzererfahrung“, die für ein Per-se-Verbot nicht ideal sind. Hinzu kommt, dass die unionsrechtliche Norm ihrerseits einen Redaktionsfehler enthält, den der Entwurf jedoch ausbügelt. Es fragt sich, ob dieses Verbot nicht besser im sachnäheren Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) aufgehoben gewesen wäre. Dorthin hätte auch die Definition der Online-Schnittstelle gepasst. Mit dem weiteren Anwachsen der „Schwarzen Liste“ droht diese sich endgültig in eine Rumpelkammer des Verbraucherschutzes zu verwandeln.

Insgesamt lässt der Entwurf keine Umstürze im Lauterkeitsrecht erwarten, wohl aber ein Anwachsen und Ergrünen des UWG. Das beabsichtigte Ziel einer richtliniennahen und zügigen Umsetzung ist zu begrüßen. Unnötiger Wildwuchs sollte jedoch aus dem UWG ferngehalten werden. Der Entwurf bietet insoweit noch Potenzial für einen Verschlankungsschnitt.

Prof. Dr. Christian Alexander, Jena

 
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