„Fake it, ’till you make it“
Haftung für Social-Media-Posts des angemaßten Fake-Influencers?
RA Dr. Nils Rauer, MJI
RAin Anna-Lena Kempf
Wer sich in Richtung des ersten juristischen Staatsexamens vorarbeitet, kommt irgendwann zu dem schönen Begriff der „aufgedrängten Bereicherung“. Doch nicht alles, was einem aufgedrängt wird, bereichert gleichermaßen. Genauso wenig kann man davon ausgehen, dass jegliches Lob ehrlich und ohne Hintergedanken ausgesprochen wird. Die sprichwörtlich „gute Presse“ ist natürlich willkommen. Unbehaglich kann es gleichwohl werden, wenn am Ende wohlwollende Worte gefunden werden, die leider nicht ganz der Wahrheit entsprechen. Dann stehen unvermittelt Begriffe wie „Irreführung“ oder „Haftung“ im Mittelpunkt und nicht mehr die Bereicherung.
Dieses Phänomen kann man derzeit insbesondere im Kontext des sogenannten Influencer-Marketings beobachten. Denn so manche Karriere als Influencer*in startet zunächst in Eigenregie und unter gezielter Bewerbung bestimmter Brands, für die man später einmal gegen Entgelt auf den gängigen Social-Media-Kanälen aktiv sein möchte. Getreu dem Motto „fake it, ’till you make it“ wird versucht, die Aufmerksamkeit der Follower auf sich zu lenken. Denn erst bei einer entsprechenden Reichweite, bei einer hinreichend hohen Zahl an „Likes“ wird man für Unternehmen als potenzieller Werbepartner interessant. Bis dahin agiert man bewusst als „angemaßter“ oder auch „Fake-Influencer“ – und erweckt den falschen Anschein, dass mit dem beworbenen Unternehmen bereits eine Werbekooperation besteht. Auf diese Weise machen Influencer nicht selten in Unkenntnis tatsächlicher wie rechtlicher Implikationen mehr kaputt, als dass es ihrem Business und dem zwangsbeworbenen Unternehmen hilft.
Die Unternehmen, die so unveranlasst in die „Gunst“ der vermeintlichen Influencer kommen, müssen sich gut überlegen, wie lange sie ein solches Verhalten dulden können. Denn mit der Duldung können (Haftungs-)Risiken einhergehen. Sei es aufgrund von irreführenden Behauptungen über die im Post genannten Produkte, die Sorge um einen Imageverlust bis hin zum „Shitstorm“. Dabei gibt es Mittel und Wege, Posts von den Plattformen entfernen zu lassen – dies sowohl rein technisch wie auch rechtlich. In Betracht kommen vor allem Ansprüche auf Basis des Wettbewerbs- und Markenrechts, zum Beispiel aufgrund der Verwendung eines geschützten nicht beschreibenden Zeichens als Hashtag („#Marke“). Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht muss zunächst die Hürde der Unternehmereigenschaft des Fake-Influencers, der geschäftlichen Handlung und des Wettbewerbsverhältnisses überwunden werden. Wer handeln kann, muss sich fragen, ob er nicht sogar handeln muss, um der eigenen Haftung zu entgehen.
Ein Unternehmen kann bekanntlich für Aussagen Dritter haftbar gemacht werden. Eine Haftung etwa nach § 8 Abs. 2 UWG für Beauftragte scheidet vorliegend ersichtlich aus. Ob aber vielleicht ein Zu-eigen-Machen der Posts angenommen werden kann, indem das Unternehmen zumindest den zurechenbaren Anschein erweckt, es identifiziere sich mit den Äußerungen des Influencers, bedarf der näheren Betrachtung. Dies wird man zumindest dann bejahen können, wenn aktiv ein „Like“, „Gefällt mir“ oder „Herz“ vergeben wird. Schwieriger wird die Beurteilung, wenn der Post kommentarlos über den unternehmenseigenen Social-Media-Kanal geteilt wird.
Ist eine Aussage dem Unternehmen nicht als eigene zuzurechnen, so könnte sich eine Verantwortlichkeit aus der Annahme einer Verletzung von Verkehrspflichten ableiten. Eine solche Haftung besteht nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, 12.07.2007 – I ZR 18/04, WRP 2007, 1173 ff. – Jugendgefährdende Medien bei eBay) immer dann, wenn ein Unternehmen durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die ernsthafte Gefahr begründet, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, und diese Gefahr nicht im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren begrenzt wird. Das Betreiben einer Website oder eines firmeneigenen Social-Media-Accounts, die der Fake-Influencer gegebenenfalls verlinkt, dürfte allerdings noch keine entsprechenden Verkehrspflichten auslösen. Gleiches gilt für den Umstand, dass Unternehmen über (Produkt-)Verlinkungen wie Tap Tags benachrichtigt werden und ihnen deren Entfernung als Accountinhaber jederzeit möglich ist. Die Situation der Unternehmen, die zum Gegenstand angemaßten Influencer-Marketings werden, ist auch nicht mit Fällen der Plattformhaftung vergleichbar („notice and take down“). Eine generelle Pflicht zur Überwachung sozialer Medien und Prüfung einzelner Beiträge bis hin zur Verpflichtung, gegen angemaßte Influencer rechtlich vorzugehen, lässt sich daher richtigerweise nicht begründen.
Anders mag es sein, wenn das Unternehmen je nach Lage des Einzelfalls eine über das allgemeine Risiko hinausgehende Gefahr schafft und nicht im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren begrenzt. Beispielhaft sei auf die sogenannten Branded-Content-Tools von Meta verwiesen. Bei deren Nutzung wird dem User am linken oberen Bildrand der Hinweis „Bezahlte Werbepartnerschaft mit (…)“ angezeigt. Nach Aktivierung der Funktion „Seitenbestätigungen“ können Unternehmen sicherstellen, dass sie nur in Branded-Content-Beiträgen markiert werden, bei denen dies auch gewünscht ist, indem sie ihre Werbepartner auf die Liste an zugelassenen Profilen setzen oder Beiträge nach Benachrichtigung individuell freischalten. Alle anderen User, die versuchen, das Unternehmen zu markieren, werden blockiert. Wer bewusst das Branded-Content-Tool für sich auswählt, dessen Sicherheitsmechanismen dann aber in Kenntnis aller Umstände – also der irreführenden Angaben des Fake-Influencers – nicht nutzt, um dem Rechtsverstoß des Dritten Einhalt zu gebieten, wird es schwer haben, sich der eigenen Haftung zu entziehen. Es gilt mithin, die teils sehr intelligenten Tools des Digitalmarketings sehr präzise einzusetzen, um am Ende nicht doch für das aufgedrängte Influencing zu haften.
RA Dr. Nils Rauer, MJI und RAin Anna-Lena Kempf, Frankfurt a. M.