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ZFWG 2023, 469
Anstötz/Krüper 

Die Mühen der Ebene in der Kanalisierung des Glücksspiels

Abbildung 1

Abbildung 2

§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GlüStV 2021 verlangt, den Spieltrieb der Bevölkerung zu kanalisieren und der Ausbreitung von unerlaubtem Glücksspiel entgegenzuwirken – man spricht vom Kanalisierungsgebot. Ob Kanalisierung gelingt, ist nicht nur eine Frage des Rechts, sondern auch der tatsächlich ergriffenen Kanalisierungsmaßnahmen. Dabei beschäftigt es, wie eine Studie des Handelsblatt Institute zeigt, 40 Prozent der Spieler kaum, ob das von ihnen genutzte Angebot erlaubt ist. Sie sind am ‚Legalitätsvorteil‘ nicht interessiert. Ihr Spiel zu kanalisieren ist von daher nur durch die Bekämpfung illegaler Angebote möglich.

Doch auch die Spieler, die die Legalität des genutzten Angebots zu einem Kriterium ihres Spiels machen, werden vielfach nicht oder nur unzureichend erreicht, nicht zuletzt, weil Kanalisierungsmaßnahmen keine übermäßigen Spielanreize setzen sollen. Die Maßnahmen bleiben deswegen einer behördlichen Kommunikationslogik verhaftet, deren kanalisierende Wirkung zweifelhaft ist.

Eines der Kanalisierungsmittel ist die White List legaler Glücksspielanbieter nach § 9 Abs. 8 GlüStV 2021, durch die die Identifikation illegaler Glücksspielangebote vereinfacht werden soll. Das leuchtet ein, ist für institutionelle Nutzer sicher auch hilfreich – aber erreicht die White List tatsächlich auch die Spieler? Sie kann gegenwärtig als PDF über die Homepage der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL) abgerufen werden. Dort ist sie im Seitenfenster „Schnellfinder“ und unter dem Reiter „Erlaubnisfähiges Glücksspiel“ zu finden. Um dorthin zu gelangen, muss auf der Startseite nach unten gescrollt bzw. das entsprechende Dropdown-Menü ausgewählt werden. Sodann kann die White List nach erfolgreicher CAPTCHA-Eingabe heruntergeladen werden. In ihrem Aufbau differenziert die White List zwischen den verschiedenen Spielformen und listet die jeweils legalen Veranstalter und Vermittler tabellarisch auf – einschließlich Adresse, Postleitzahl, Stadt und Land der Anbieter. Sie hat bereits jetzt einen Umfang von 29 Seiten. Mit den verbreiteten Online-Vergleichsportalen kann die White List in ihrer Lenkungswirkung kaum konkurrieren. Sie erscheint zudem in Suchmaschinenanfragen – etwa unter dem Stichwort „Online Casino“, „Online Glücksspiel“ oder „Online Automat“ – hinter den Einträgen für die Vergleichsportale, die oft das Problem mit sich bringen, illegales Glücksspiel als legal zu deklarieren.

Ergänzt wird die White List seit Sommer 2023 durch das sog. GGL-Prüf- und Erlaubnissiegel. Es soll dazu beitragen, die Unterscheidung von legalem und illegalem Spiel auf den ersten Blick möglich zu machen. Die meisten legalen Glücksspielanbieter platzieren dieses Siegel aber im Zusammenhang mit einer Reihe weiterer Informationen im rezeptiven Niemandsland jeder Homepage, nämlich am untersten Ende der Startseite. Bevor der Spieler das Siegel überhaupt zur Kenntnis nehmen kann, wird er bereits mit dem Spielangebot des jeweiligen Anbieters konfrontiert.

Zweifel an effektiver Kanalisierung lässt auch ein im März dieses Jahres von der GGL erlassener Ordnungswidrigkeitsbescheid gegenüber einem erlaubten Online-Glücksspielanbieter aufkommen, weil dieser auf Internetseiten für sein Angebot geworben haben soll, auf denen auch für unerlaubte Angebote geworben wurde. Die GGL sah darin einen Verstoß gegen Nr. 5. 20 der Musternebenbestimmungen für virtuelle Automatenspiele und Online Poker. Hier ist fraglich, ob diese Verletzung überhaupt als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann. Ein OWi-Tatbestand besteht nur für § 5 Abs. 7 GlüStV 2021. Dieser würde voraussetzen, dass mit der Werbung für das erlaubte Glücksspielangebot auf einem Vergleichsportal zugleich mittelbar Werbung für das unerlaubte Angebot verbunden ist – eine Art glücksspielrechtliches Kontaktschuldprinzip. Abgesehen davon wird mit der Ahndung der Werbung aber auch eine Brücke ZfWG 2023 S. 469 (470)hin zum legalen Glücksspielangebot eingerissen. Denn solange es nicht effektiv gelingt, das Verbot der Werbung für unerlaubte Glücksspielangebote auf entsprechenden Internetseiten konsequent durchzusetzen, erscheint das Vorgehen gegen dort gelistete erlaubte Anbieter nur schwerlich mit dem Kanalisierungsgebot zu vereinbaren. Wenn das mit der Rechtmäßigkeit der Nebenbestimmung befasste OVG Sachsen-Anhalt meint, die „Kanalisierung in den legalen Markt ist weder das einzige noch vordringlichste Ziel des Glücksspielstaatsvertrags“, weswegen es zielführend sei, die Werbung des erlaubten Angebots neben derjenigen für unerlaubtes Glücksspiel zu verbieten, um die Gefahr zu beseitigen, „dass sich ein potentieller Spieler für ein möglicherweise attraktiveres illegales Angebot entscheidet“, beseitigt es diese Gefahr nicht, sondern potenziert sie und verkennt den besonderen Stellenwert des Kanalisierungsgebots.

Robin Anstötz und Prof. Dr. Julian Krüper, Bochum*

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