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ZFWG 2018, 501
Ruttig 

Online-Casinospiele – Gesellschaftspolitisch besonders unerwünschte Angebote

Abbildung 1

Die Diskussion über den 2. Glücksspieländerungsstaatsvertrag ist in vollem Gange. Schon jetzt ist klar, dass es der Industrie vor allem darum geht, das Internet nach den Sportwetten auch für Roulette, Poker und Automatenspiele zu öffnen. Für sich. Zu verlockend erscheint der größte, weitgehend noch unerschlossene Markt in der Europäischen Union.

Das Glücksspielrecht dient aber nicht den Interessen der Industrie, sondern dem Verbraucherschutz. Klar ist nämlich auch, dass eine weitere Marktöffnung für die manipulations- und suchtgefährlichsten Spiele aus Sicht der Verbraucher jedenfalls dann nicht vorteilhaft ist, wenn sie ein unkontrolliertes oder auch nur unkontrollierbares Kräftemessen der privaten Wirtschaftsteilnehmer ermöglicht. Der uneingeschränkte Wettbewerb darum, das für den Verbraucher attraktivste Angebot bereitzustellen, bedeutet zwangsläufig, dass es auch das für den Verbraucher gefährlichste Angebot sein wird. Ziel der privaten Wirtschaftsteilnehmer ist es beim Glücksspiel nicht, Sozialpolitik zu betreiben, sondern Gewinnmaximierung. Gewinnmaximierung kann aber ausschließlich auf Kosten der Verbraucher erfolgen. Der wirtschaftliche Erfolg der privaten Wirtschaftsteilnehmer ist damit untrennbar mit einer Steigerung der sozialen Probleme innerhalb der deutschen Gesellschaft verbunden.

Bevor man auch nur über eine weitere Marktöffnung nachdenkt, muss der Vollzug in den Blick genommen werden. Zwar hört man kaum Widerspruch, wenn verlangt wird, die für die Online-Sportwetten vorgesehenen strengen Vorgaben für den Jugend- und Spielerschutz auch im Falle einer weiteren Marktöffnung für die Online-Casinos aufzustellen. Dies würde für Online-Casinospiele mindestens die Anbindung an die Sperrdatei, die Entwicklung und Umsetzung von Sozialkonzepten, die Schulung von Mitarbeitern, aber die Überwachung von Einsatz- oder Verlustlimits, die Möglichkeit der Selbstsperre durch den Spieler, die Pflicht zur Identitätsprüfung und Authentifizierung, die Beschränkung der Möglichkeiten der Mehrfachspielteilnahme, Beachtung von cooling-off Perioden,1 etc. bedeuten.

Indes: Niemand kann derzeit beantworten, wie die Einhaltung solcher Bestimmungen technisch, geschweige denn personell, erfolgen und wirksam (= sofort und effektiv) vollzogen werden soll. Weder sind entsprechende Hardwarelösungen bekannt noch existiert die erforderliche Software. Es fehlt also für den Vollzug der angedachten Beschränkungen an Lösungen, wie bei Zulassung einer zahlenmäßig unbegrenzten Anbieterschar die entsprechenden Datenmengen verarbeitet und für die Überwachung aufbereitet werden könnten. In Echtzeit! Weil das so ist, hat die Branche offenbar auch noch nicht einmal über einheitliche Reportingstandards nachgedacht, geschweige denn, dass man sich auf diese geeinigt hätte. Die viel beklagte Ausbreitung illegaler Casinos und ihre Überführung in eine Scheinlegalität können daher nicht der Grund für eine Marktöffnung sein. Im Gegenteil: Erst wenn in der Praxis nachgewiesen ist, wie illegalen Angeboten dauerhaft der Marktzutritt in Deutschland verwehrt werden und der Verbraucherschutz effektiv sichergestellt werden kann, könnte über eine weitere Marktöffnung nachgedacht werden. Übrigens nur dann auch für alle Marktteilnehmer auf einem Level-Playing-Field.

Wenn die Erfahrung von 14 Jahren Glücksspielregulierung eines gezeigt hat, dann, dass private Glücksspielveranstalter Beschränkungen ihrer Angebote nicht klaglos hinnehmen. Wer daher ernsthaft behauptet, der 1. GlüStV sei trotz Bestätigung durch das BVerfG2 für den Bereich der Automatenspiele und des BVerwG3 für das Online-Verbot gescheitert, legt bewusst die Axt an ein derzeit als kohärent zu bezeichnendes Gesetzeswerk, das sich endlich in der ZfWG 2018 S. 501 (502)Praxis bewährt, wie die gerichtlich erfolgreiche Abwehr der sog. Zweitlotterieanbieter beweist. Hier hat, wie die jüngsten Entscheidungen des 7. und 10. Senats des VGH Bayern4 zeigen, zum ersten Mal der Vollzug auch so funktioniert, wie er im Juli 2014 in den Gemeinsamen Leitlinien der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder und der Landesmedienanstalten zur Zusammenarbeit bei der Aufsicht über Glücksspielwerbung im privaten Rundfunk und Telemedien privater Anbieter geregelt worden ist.

Es bleibt zu wünschen, dass die Aufsichtsbehörden im Lichte der jüngsten Rechtsprechung zu Internetsperren durch EuGH5 und BGH6 endlich auch die Provider in die Pflicht nehmen, um deutsche Verbraucher vor illegalen und unkontrollierten Glücksspielangeboten zu schützen. Zu hoffen ist, dass die Länder das Glücksspielrecht – wie das Rundfunkrecht – künftig moderat weitentwickeln werden, um Brüche zu vermeiden. Der Fokus sollte sich zunächst auf den Vollzug und nicht auf eine unkontrollierbare Marktöffnung richten.

Prof. Dr. Markus Ruttig, Köln*

1

Wie die Wirklichkeit schon heute aussieht, zeigt die Entscheidung BVerwG, 23.1.2018 – 8 B 28.17 = ZfWG 2018, 266–268. Dort wandte sich ein Anbieter gegen die Auflage, ein Intervall von 5 Sekunden (!) zwischen den Spielen einhalten zu müssen und prozessierte bis zum BVerwG.

2

BVerfG, 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12, ZfWG 2017, 253.

3

BVerwG, 18.10.2017 – 8 C 18.16, ZfWG 2018, 145; BVerwG, 18.10.2017 – 8 C 14.16, ZfWG 2018, 139.

4

VGH Bayern, 21.9.2018 – 7 CE 18.1722, ZfWG 2018, 567; VGH Bayern, 21.8.2018 – 10 CS 18.1211, ZfWG 2018, 550.

5

EuGH, 27.3.2014 – C-314/12, GRUR 2014, 468 – UPC Telekabel.

6

BGH, 26.11.2015 – I ZR 174/14, GRUR 2016, 268 – Goldesel.

*

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