Payment-Blocking – hinzunehmende Kollateralschäden am völkerrechtlichen Territorialitätsprinzip?
Payment-Blocking (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GlüStV) ist ein scharfes Schwert, das die wirtschaftliche Lebensader eines Online-Glücksspielanbieters zu durchtrennen vermag und sich aus der Überwachungsperspektive der GGL als effektiv erwiesen hat. Die Krux ist, dass sich der mobilvariable Standort des Spielers bei seiner aktuellen Spielteilnahme für den Zahlungsanbieter weder technisch zuverlässig noch datenschutzrechtlich zulässig ermitteln lässt. So hat u. a. Helfrich1 dargelegt, dass die Ermächtigungsgrundlage des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GlüStV für das Payment-Blocking aus datenschutzrechtlicher Sicht weder die Anforderungen der Erlaubnistatbestände des Art. 6 Abs. 1 lit. a bis lit. f DSGVO für die Verarbeitung personenbezogener (Standort-)Daten zu erfüllen vermag noch auf die Ausnahmeregelung des Art. 23 Abs. 1 DSGVO zurückgegriffen werden kann.
Selbst wenn die unmittelbare – finale – Regelungswirkung der Payment-Blocking-Verfügung Auslandszahlungen nicht umfasst, sehen sich internationale Zahlungsdienstleister angesichts nutzerseitiger VPN-Umgehungsoptionen sowie fehlender (Standort-)Differenzierungsmöglichkeiten bei den Zahlungstransaktionen und rechtlicher Unwägbarkeiten in der Reichweite des Mitwirkungsverbotes (§ 4 Abs. 1 S. 2 Var. 2 GlüStV) wegen der Compliance-Risiken dazu veranlasst, alle Zahlungsdienstleistungen, auch für reine Auslandstransaktionen, für einen von der GGL sanktionierten Online-Anbieter zu unterbinden. Ohnehin tendieren internationale Zahlungsdienstleister zunehmend schon präventiv zu einer Compliance-induzierten Ablehnung der Zusammenarbeit mit von der GGL sanktionierten, selbst mit in anderen EU-Mitgliedstaaten zugelassenen und überwachten Online-Anbietern. Über das Compliance-Scharnier entfaltet das Mitwirkungsverbot effiziente – informelle – Überwachungswirkungen auch jenseits der finalen Regelung einer Payment-Blocking-Verfügung. Dabei führt eine Blockade selbst von legalen Auslandszahlungen zu faktischen (mittelbaren) Eingriffen in Grundrechte, die Dienstleistungs- sowie die Zahlungsverkehrsfreiheit.
Gleichwohl geht das OVG Sachsen-Anhalt2 von vermeintlich verhältnismäßigen Kollateralschäden bei einem „Overblocking“ zulasten von Auslandszahlungen für dort nicht verbotene Glücksspiele aus, wenn der in einem anderen EU-Mitgliedstaat zugelassene Online-Anbieter in der Vergangenheit in Deutschland unerlaubtes Glücksspiel angeboten hat.
Diese gewagte „Kollateralschadensdoktrin“ kollidiert nicht nur mit subjektiven Rechten, vielmehr auch mit dem völkerrechtlichen – nach Art. 25 GG normhierarchisch sogar Bundesgesetzen übergeordneten – Territorialitätsprinzip, welches gebietet, dass deutsche Hoheitsakte mit erheblichen (auch mittelbaren) Vollzugswirkungen auf dem Gebiet eines anderen Staates nur mit dessen Zustimmung erlassen und vollzogen werden dürfen. Eine völkerrechtlich belastbare Zuständigkeitsanknüpfung kann auch nicht über das Personalitätsprinzip hergestellt werden. Denn die Regelungsadressaten des § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV sind tatsächlich keine natürlichen Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit, vielmehr in internationale Zahlungstransaktionen eingebundene Zahlungsdienstleistungsunternehmen, die als juristische Personen überwiegend in ausländische Konzerngesellschaften integriert sind. Liesching3 hat dargelegt, dass die extraterritoriale Anwendung bzw. Wirkung von § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 i. V. m. § 4 Abs. 1 S. 2 Var. 2 GlüStV auf Sachverhalte, in denen ein nichtdeutscher Glücksspielanbieter mit einem nichtdeutschen Zahlungsdienstleister kontrahiert, völkerrechtlich ausscheidet, wenn weder der Online-Glücksspielanbieter noch der Zahlungsdienstleister ihren Sitz in Deutschland haben und auch keine Belegenheit einer Sache
Statt rechtliche Kollateralschäden hinzunehmen, muss der Gesetzgeber eine sowohl völkerrechtlich als auch datenschutzrechtlich tragfähige Ermächtigungsgrundlage für das Payment-Blocking schaffen!
Univ.-Prof. Dr. Christian Koenig, Bonn*
1 | Helfrich, MMR 2023, 649 ff. |
2 | OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 26. 10. 2023 – 3 M 72/23, Rn. 20 f., ZfWG 2024, 72. |
3 | Liesching, Anforderungen des Glücksspielrechts sowie des Unions- und Verfassungsrechts an Maßnahmen zum Payment-Blocking nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GlüStV, Rechtsgutachten vom 27. 4. 2023, S. 22 ff. |
* | Der Beitrag hat einen Bezug zu rechtsgutachterlichen Arbeiten. Auf Seite III erfahren Sie mehr über den Autor. |