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ZFWG 2018, 81
Krüper 

Rechtsanwendungsungleichheit im Bundesstaat

Abbildung 1

Die Spielhallen-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom März vergangenen Jahres war für die Bundesländer ein symbolischer Erfolg.1 Denn das Gericht segnete das Modell einer quasi-quantitativen Regulierung des Spielhallenangebotes durch Mindestabstände und das Verbot von Mehrfachkonzessionen praktisch einschränkungslos ab.

Rechtsstaatlich war und ist die Karlsruher Entscheidung bemerkenswert, weil sie in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung eine starke Schwächung des rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalts mit sich gebracht hat; eine Schwächung, die das Gericht in seiner Entscheidung zum Numerus Clausus für das Medizinstudium – immerhin im Anwendungsbereich desselben Grundrechts wie im Falle der Spielhallen – allerdings nicht fortgesetzt hat. Eine Harmonisierung dieser unterschiedlichen Vorbehaltsanforderungen wird damit zu einer rechtswissenschaftlichen wie -praktischen Aufgabe.

Nach der Klärung der verfassungsrechtlichen Grundfrage richtet sich die Aufmerksamkeit nunmehr wieder verstärkt auf die behördliche und verwaltungsgerichtliche Praxis in den Bundesländern. Diese zeigt, soweit sich das bislang beurteilen lässt, dass die dogmatischen Unzulänglichkeiten des Regulierungsmodells nun als rechtliche Mangelfolgeschäden landauf, landab in Erscheinung treten. Vor allem kommt es beim Vollzug der einschlägigen Rechtsnormen durch die zuständigen Behörden, aber auch in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, zu bemerkenswerten Unterschieden.

Im Vollzug spielen die Kommunen eine wichtige Rolle, die – nicht zuletzt im Hinblick auf wegfallende Vergnügungs- und Gewerbesteuereinkünfte – die Umsetzung des Regulierungsmodells regelmäßig mit gemischten Gefühlen betreiben und nicht selten um einen Ausgleich mit den Spielhallenbetreibern bemüht sind. Vollzugsentscheidungen werden dabei regelmäßig zum Gegenstand von Aushandlungs- und Kooperationsprozessen, andernorts wiederum werden die gesetzlichen Vorgaben kategorisch vollzogen. Auch die verwaltungsgerichtliche Praxis legt unterschiedlich strenge Maßstäbe an die spielhallenbezogenen Rechtsfragen an. Beispielhaft kann hier auf die Rechtsprechung des OVG Lüneburg hingewiesen werden, die mit ihrer strengen Härtefalljudikatur einen verhältnismäßigen Ausgleich der Interessen im Einzelfall von praktisch kaum erfüllbaren Voraussetzungen abhängig macht.2 Andere Bundesländer wiederum handhaben das Härtefallregime eher liberal und betreiberfreundlich. All das könnte man hinnehmen als Ausdruck bundesstaatlich und kommunal differenzierter Zuständigkeiten, ginge es um Randfragen eines Regulierungsmodells. Die Befunde lassen sich aber in diesem Fall nicht ohne Weiteres als Kollateralschaden eines föderalen Systems abtun, zumal Unterschiede in der Rechtsanwendung kein Selbstzweck sind.

Im Hinblick auf das Maß erträglicher Rechtsanwendungsungleichheit ist zu beachten, dass sich die Länder mit dem GlüStV freiwillig einer Koordination ihrer Rechtsetzung unterworfen und damit deutlich gemacht haben, dass sie eine bundesweite Vereinheitlichung im Glücksspielbereich für notwendig halten. Daran müssen sie sich in der Umsetzung dieses Regimes – mindestens rechtspolitisch – messen lassen. Zweitens sind zur Rechtfertigung der objektiven Berufsausübungsregelungen der Berufsfreiheit der Spielhallenbetreiber auf Gesetzesebene die dogmatisch hochrangigen Gemeinwohlbelange des § 1 GlüStV aufgeboten worden. Diese Belange stehen, sollen sie gravierende Eingriffe in die Berufsfreiheit legitimieren, aber nicht zur beliebigen Disposition im Vollzug. Dass die entstehenden Ungleichbehandlungen aufgrund unterschiedlicher Hoheitsträger praktisch nicht an Art. 3 Abs. 1 GG gemessen werden können, spricht nicht gegen die rechtliche Bedeutung des Problems. Es zeigt nur seine mangelnde Justiziabilität, was Gesetzgebung und Verwaltung daher in besonderer Weise in die Pflicht nimmt, für rechtsstaatliche Zustände zu sorgen.

ZfWG 2018 S. 81 (82)

So bestätigt sich einstweilen, was sich seit dem Inkrafttreten des GlüStV und mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ahnen ließ: Die Mangelhaftigkeit der landesrechtlichen Konkretisierungen des GlüStV, vor allem die fehlenden Maßstäbe für die notwendigen Auswahlentscheidungen und die fehlende Vereinheitlichung der Übergangsregime, schwächen die Rechtfertigungskraft jener Gemeinwohlbelange, deren Verwirklichung die Länder über den GlüStV gerade anstreben. Diesem Mangel ist kaum mit vordergründiger Kosmetik ministerieller Vollzugserlasse, sondern nur durch angemessene Gesetzgebung beizukommen. Die Länder müssen daher, spätestens wenn Beratungen über einen neuen GlüStV beginnen, auch die Beseitigung der rechtsstaatlichen Defizite der Spielhallenregulierung auf die Agenda setzen.

Prof. Dr. Julian Krüper, Bochum*

1

BVerfG, 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12 u. a., ZfWG 2017, 253 ff.

2

OVG Niedersachsen, 4.9.2017 – 11 ME 206/17, ZfWG 2017, 515 ff.; OVG Niedersachsen, 5.9.2017 – 11 ME 258/17, ZfWG 2017, 527 ff.

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