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ZFWG 2017, 85
Koenig 

Schafft endlich einen wirksamen Glücksspielregulierungs-TÜV!

Abbildung 1

Eine vollzugswirksame Neuordnung der Regulierung der (digitalen) Glücksspielwirtschaft ist der MPK in Rostock im Oktober 2016 nicht gelungen. So ruft mein Kollege Johannes Dietlein (Universität Düsseldorf) der MPK im letzten Dezember-Editorial der ZfWG zu: „Schafft endlich Klarheit!“. Doch Klarheit der Regulierung alleine kann die massive Migration in das illegale Glücksspiel nicht mehr aufhalten. Und diese Migration in die Illegalität straft nicht nur die zugelassenen Anbieter mit Marktanteilsverlusten, sie lässt den Jugendschutz, die Bekämpfung der Spielsucht und den Verbraucherschutz ins Leere laufen.

Die Rostocker MPK hat sich vor einer großen GlüStV-Reform gedrückt. Eine kohärente Regulierung aller tatsächlich marktetablierten und in den Gefahrenpotentialen vergleichbaren Online- wie Offline-Glücksspiele ist bei optimistischer Lesart u. a. folgender Rostocker Eckpunkte zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages aufgeschoben worden:

  • Aufhebung der Kontingentierungsbegrenzung der Konzessionen für Sportwetten,

  • Vergabe der Sportwetten-Konzessionen anhand von qualitativen Mindeststandards,

  • diverse Prüfaufträge an die obersten Glücksspielaufsichtsbehörden, insbesondere

    • wie der Vollzug gegenüber illegalen Online-Glücksspielangeboten kurz- und mittelfristig nachhaltig verbessert werden kann,

    • inwieweit perspektivisch die Gründung einer Anstalt des öffentlichen Rechts zur Stärkung des Vollzugs beitragen kann,

    • bei der Evaluierung nach § 32 GlüStV die Vereinfachung der Identifizierung und Authentifizierung der Spieler im Internet auszuloten,

    • eine Ersetzung des monatlichen Einsatzlimits im Internet von 1.000 EUR durch ein Verlustlimit von 1.000 EUR zu überdenken,

    • die Ausweitung des Einsatzes der bundesweiten Sperrdatei zu prüfen und

    • die aktuelle Entwicklung von Online-Casinoangeboten im Vergleich mit den Regulierungserfahrungen anderer europäischer Staaten zu analysieren.

Das ist nicht mehr als der kleinste gemeinsame Nenner, um das Land Hessen bei der Stange zu halten und gleichzeitig den Glauben der anderen Länder an die Unfehlbarkeit staatszentrierter Überwachung zu wahren. Die legale Glücksspielwirtschaft, der Jugendschutz, die Bekämpfung der Spielsucht und der Verbraucherschutz bleiben im Online-Universum auf der Strecke. Das etatistische Unfehlbarkeitsdogma einer staatszentrierten Überwachung steht im Netz so hilflos der Migration in die Illegalität gegenüber wie die Verbotsdirektiven des Papstes zu außerehelichem Sex in Zeiten der Hippiebewegung.

Wenn aber das Erfordernis einer fortlaufenden elektronischen Kontrolle vielschichtiger online-transaktionsbedingter Ereignisse in großen Datenmengen die Aufsichtsbehörden vor große technische, datenschutzrechtliche und finanzielle Herausforderungen stellt, bedarf es der kostenintensiven Einbindung von IT-Spezialisten in die Glücksspielaufsicht und der Einrichtung einer geeigneten IT-Infrastruktur. Dies überfordert den Staat, wenn er den Herausforderungen alleine hoheitlich-inhouse zu begegnen versucht. Die deutsche Regulierungsgeschichte bietet hier lehrreiche Erfahrungen zur Lösung staatlicher Überforderungsprobleme in der Überwachung: War der preußische Staat mit der technischen Überwachung von Dampfkesseln und später Kraftfahrzeugen überfordert, hat er doch schließlich mit der Beleihung des TÜV die Vollzugseffektivität gestärkt.

Im Rahmen der digitaltechnischen Verfahrensabläufe einer effektiven Glücksspielaufsicht könnten private Unternehmen oder technische Vereine als Beliehene zur selbstständigen Wahrnehmung klar definierter einzelner technischer Aufsichtsaufgaben herangezogen werden. So könnte wie auch bei der Erteilung oder Verweigerung der KFZ-Prüfplakette nach § 29 Abs. 2 StVZO durch den beliehenen TÜV auf die selbstständige Erfüllung klar definierter einzelner ZfWG 2017 S. 85 (86)technischer Aufsichtsaufgaben durch private IT-Unternehmen/Konsortien/Vereinigungen auf der Grundlage eines gesetzlichen (staatsvertraglichen) Beleihungsaktes zurückgegriffen werden. Eine Beleihung könnte nicht nur die digitaltechnische Funktionsfähigkeit der Glücksspielaufsicht gewährleisten. Vielmehr würden auch die Aufsichtsbehörden bzw. eine künftige länderübergreifende Behörde (Anstalt) für die Glücksspielaufsicht in sachlicher und finanzieller Hinsicht erheblich entlastet. So würde der Beliehene die ihm übertragene Aufgabenwahrnehmung – wie der KFZ-TÜV – ausschließlich durch die vom Beliehenen selbst gegenüber den geprüften Anbietern zu erhebenden Gebühren refinanzieren.

Auf der de lege ferenda Grundlage einer kohärenten Regulierung aller tatsächlich marktetablierten und in den Gefahrenpotentialen vergleichbaren Online- wie Offline-Glücksspiele haben wir (Koenig/Jäger, ZfWG 2016, 286 ff. [291]) zu einem wirksamen Glücksspielregulierungs-TÜV Vorschläge unterbreitet. Vielleicht aber muss die Lage weiter gerichtlich oder in der Illegalität eskalieren, bevor das Unfehlbarkeitsdogma staatszentrierter Überwachung aufgegeben wird und dem Regulierungspragmatismus weicht – wie in preußischen Zeiten gemeingefährliche Dampfkessel und Kraftfahrzeuge zur Einführung des TÜV geführt haben.

Univ.-Prof. Dr. Christian Koenig, LL.M. (LSE), Universität Bonn*

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