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ZLR 2022, 701
Warburg 

Eco-Score, Umwelt, Nachhaltigkeit, Bewertung, Nutri-Score

Politischer Wille zu mehr Transparenz im Lebensmittelbereich steht schon seit einiger Zeit auf europäischer Ebene sowie auch national auf der Agenda. Bisher sichtbar im Handel ist das Nutri-Score Label, welches die Nährstoffzusammensetzung eines Lebensmittels bewertet.

Frankreich hatte 2017 eine neue, freiwillige, zusätzliche und lizenzgebührenfreie Nährwertkennzeichnung für Lebensmittel eingeführt. Inhaber der Lizenz für das Logo ist Publique Santé, eine französische, dem Gesundheitsressort angegliederte Behörde. Das Nutriscore-Label ist eine fünfstufige Farbskala, die auf der Vorderseite der Lebensmittelverpackung angebracht wird, um dem Verbraucher auf einen Blick die Bewertung der relevanten Nährwertelemente anhand einer Skala von A (dunkelgrün) bis E (dunkelorange) des verpackten Produktes pro 100 g oder 100 ml aufzuzeigen. Die Vergleichbarkeit hinsichtlich des Nutri-Score ist jedoch nur innerhalb einer Lebensmittelkategorie gegeben. Ein unmittelbarer Gesundheitsbezug, wie leider viele Verbraucher annehmen, ist hingegen nicht gegeben. Besondere Ernährungserfordernisse wie Diabetes machen auch weiterhin den Blick auf die verpflichtende Nährwertkennzeichnung nötig. In Deutschland wurde die Verwendung des Nutri-Score-Labels durch die erste Verordnung zur Änderung der Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung vom 21. Oktober 2020 “legalisiert”. Eine zusätzliche Nährwertkennzeichnung ist aufgrund Unionsrechts bestimmten Regularien wie einer nationalen Anerkennung unterworfen.

Politischer Wille und eine der Aufgaben der EU-Kommission ist es darüber hinaus, ein Nachhaltigkeitssiegel zu etablieren. Ebenfalls aus Frankreich erreicht in diesem Sinne der Eco-Score den europäischen Markt. Ausgangspunkt dieses Ansatzes sollen klare Informationen über die Umweltauswirkungen der konsumierten Produkte sein. Die Etablierung dieses Labels, national oder europäisch, ist bisherigen speziellen Unionsregelungen nicht unterworfen. Allgemeine Anforderungen wie Wahrhaftigkeit oder Verbote der Irreführung und Täuschung gelten selbstverständlich auch hier. Das Ziel des Eco-Score ist es, ein Entscheidungsinstrument zu sein, um die Lebensmittelauswahl in Richtung einer nachhaltigeren Konsumweise zu lenken. Der Eco-Score bewertet dabei die Umwelteigenschaften eines Lebensmittels innerhalb von fünf Stufen. d. h. was für einen Umweltfußabdruck das Produkt hat. Formal in Anlehnung an den Nutri-Score handelt es sich auch hier um ein fünfstufiges Kennzeichnungssystem mit den Buchstaben A bis E sowie den Farben Grün, Hellgrün, Gelb, Orange sowie Rot belegt. Hier ist rot wirklich rot und nicht wie beim Nutri-Score als dunkelorange benannt. Auch dieses Label nimmt eine Gesamtbewertung des Produktes für den Verbraucher vor, ohne Einzelheiten hinsichtlich der Bewertung und Berechnung transparent zu machen.

ZLR 2022 S. 701 (702)

Inhaber der Lizenz ist ein so genanntes Konsortium bestehend aus Organisationen und Verbänden aus dem Gastronomie- sowie Lebensmittelbereich wie Yuka, eco2 INITIATIVE, open food facts, frigo magic, FoodChéri oder Karbon. Daneben gibt es eine Gruppe von so genannten Unterstützern wie Lidl, colruyt, Ayam, Intermarché oder Carrefour. Insgesamt stützt sich das Label auf wirtschaftliche Initiatoren.

Zur Berechnung des Eco-Score sowie zur bildlichen Darstellung als auch zu den Lizenzbedingungen sind Ausführungen im Internet verfügbar:

https://docs.score-environnemental.com/,

https://docs.score-environnemental.com/implementation/outil-de-calcul

https://docs.score-environnemental.com/implementation/affichage

https://docs.score-environnemental.com/implementation/reglement.

Grundlage für die Berechnung des Eco-Score sind die Umweltdaten der einzelnen Produkte aus der AGRIBALYSE Datenbank. Hier werden auf wissenschaftlicher Basis Referenzdaten zu ca. 2500 in Frankreich konsumierten Einzellebensmitteln gepflegt bzw. erhoben. Die einzelnen Lebensmittel oder Lebensmittelgruppen basieren auf der französischen Nährwertdatenbank ANSES-CIQUAL. Mit Hilfe der Daten werden sowohl der Lebenszyklus (life cycle assesment – LCA) als auch der Umweltfußabdruck (product environmental footprint – PEF) sehr aufwändig berechnet. Dies ist der Grundscore zur Vergabe des Eco-Score für das Einzelprodukt. Dieser Grundscore wird ergänzt werden durch Plus- und Minuspunkte aufgrund von Kriterien wie der Verpackung (leider nur Material, nicht Menge), der Herkunft der einzelnen Zutaten, der Saisonalität oder der verwendeten Zertifikate oder Siegel wie “bio”. Das Ergebnis des Scorings wird dann in Form der Vergabe der Farbe bzw. des Buchstabens umgesetzt. Wenn eine Teilnahme am Eco-Score vorgesehen ist, dann müssen alle Produkte des Herstellers oder des Handels mit dem Eco-Score gelabelt werden.

Neben diesem Eco-Score sei das ebenfalls aus Frankreich stammende Umwelt-/Nachhaltigkeitszeichen und als Weiterentwicklung des Eco-Score bezeichnete Label “PLANET SCORE” erwähnt. Auch diese beruht auf dem LCA basierend auf PEF mit Bonus- und Maluspunkten. Die Darstellung ist ebenfalls fünfstufig und mit Farben und Buchstaben unterlegt. Darstellung sowie Umfang der Datengrundlage sollen erhöht sein. Praktische und aussagekräftige Erfahrungen liegen jedoch noch nicht vor.

In diesem Zusammenhang soll auch das britische Kennzeichnungssystem Eco Impact- und Enviro-Score nicht unerwähnt bleiben. Diese Siegel befinden sich noch in der Projektphase. Zudem ist ein mögliches Ausrollen auf EU-Ebene durch den Brexit erschwert.

Die bisherigen Praxiserfahrungen mit dem Eco-Score lassen sich wie folgt beschreiben:

Es besteht beim Verbraucher die Gefahr der Verwechslung mit dem Nutri-Score. Dieser ist noch nicht so etabliert, dass eine Unterscheidung ähnlicher Systeme (glei-ZLR 2022 S. 701 (703)che Farben, 5-stufig, Buchstaben) durch den Verbraucher festgestellt wird. Das Berechnungssystem bzw. die Datengrundlagen (AGRIBALYSE und ANES-CIQUAL) berücksichtigen nur Produkte und Lebensmittelkategorien des französischen Marktes. Eine europäische Datenbank wäre noch zu etablieren. Bei der Bewertung der Verpackungen werden nur die Materialart und nicht die Verpackungsmenge sowie die Recycelbarkeit oder Kompostierbarkeit berücksichtigt. Auch Tierwohlstandards und Sozialstandards werden nicht berücksichtigt. Die Politik fordert jedoch immer drängender derartige Kennzeichnungen. Die Berechnungen im Rahmen des sehr aufwändigen Systems sind insbesondere für den Verbraucher nicht nachvollziehbar. Bei geplanter Umsetzung fehlen nationale Anlaufstellen sowie die Möglichkeit der fachlichen Mitsprache.

Wenn aus den Erfahrungen mit der Einführung des Nutri-Score sowie den ersten Erfahrungen mit der Verwendung des Eco-Score die richtigen Folgerungen getroffen werden, kann der Eco-Score eine sinnvolle Grundlage für die weiteren Diskussionen und Aktivitäten zur Etablierung eines entsprechenden EU-Systems sein.

Michael Warburg, Köln

 
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