Editorial
Das Jahr 2024 neigt sich dem Ende zu und es ist Zeit für das Heft 06. Das Heft könnte zu kaum passenderer Zeit erscheinen. In seine Vorbereitung fiel die Entscheidung des EuGH vom 28. 11. 2024 zur Kundenanlage. Der EuGH entschied auf ein Vorabentscheidungsersuchen des BGH, dass die nicht als ein Netz eingeordnete Kundenanlage im Sinne des § 3 Nr. 24a in Verbindung mit Nr. 16 EnWG nicht mit den Begriffen Verteilernetz und Verteilernetzbetreiber der Strommarktrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/944) vereinbar ist. Diese Entscheidung sorgt seit jenem Donnerstag für erhebliche Unsicherheit in der Energiewelt. Denn nimmt man die grundsätzlichen Aussagen des EuGH wörtlich auf, so gibt es kaum Akteure in der Energiebranche, die von den Ausführungen des EuGH nicht betroffen sein könnten. Die Redaktion hat die Entscheidung in das Heft aufgenommen. Für eine umfassende Einordnung der möglichen Folgen für die Branche ist es zu früh. Es bleibt zu hoffen, dass alle Betroffenen, auch der Gesetzgeber, mit Verhältnismäßigkeit und Augenmaß handeln und Lösungen finden, so dass die ohnehin durch hohe finanzielle und operative Herausforderungen geprägte Energietransformation nicht noch stärkeren finanziellen und bürokratischen Lasten ausgesetzt wird.
Der Gedanke an bürokratische Lasten leitet über zu dem Beitrag von Boos, der sich für eine Vereinfachung der Verfahrensanforderungen im Konzessionswettbewerb um unbedeutende Strom- und Gaskonzessionsgebiete ausspricht. Ein willkommener, entlastender Ansatz, durch den für drängende Aufgaben der Energietransformation personelle und finanzielle Mittel freigesetzt werden könnten.
Hansen und Pittau wenden sich dem Instrument der Zahlungsberechtigung im EEG zu, das für Solaranlagen des ersten Segments (Freifläche, sonstige bauliche Anlagen) gilt; die Zahlungsberechtigung ist in diesem Segment Voraussetzung für den Anspruch auf EEG Förderung und eine klare Rechtslage und -praxis somit von hoher Bedeutung.
Pöppel greift in seinem Beitrag die Richtlinie (EU) 2023/2413 (RED III) und die darin vorgesehenen Verfahrenserleichterungen für Windenergieanlagen an Land in Beschleunigungsgebieten auf. Der Beitrag widmet sich besonders dem Verhältnis zu den bereits geltenden Verfahrenserleichterungen in Windenergiegebieten nach § 6 des Windenergieflächenbedarfsgesetzes und den durch die RED III geplanten weiteren beschleunigenden Maßnahmen.
Die Rechtsprechungsauswahl beinhaltet neben dem Urteil des EuGH zur Kundenanlage weitere bedeutsame Entscheidungen. Zu nennen ist hier ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das ebenfalls am 28. 11. 2024 erging. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschied, dass die Umverteilung sog. „Überschusserlöse“, die bestimmte Stromerzeuger während der Zeit sehr hoher Strommarktpreise erzielten, abgeschöpft und die Abschöpfungsmittel zur Milderung der Stromkostenbelastung privater und gewerblicher Stromverbraucher verwendet werden durften. Einen Eingriff in die durch Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit erkennt das BVerfG, sieht diesen jedoch in der Ausnahmesituation, die der Ukrainekrieg auslöste, als verhältnismäßig an.
Ein Thema, das in unterschiedlichen Gestaltungen die Gerichte immer wieder beschäftigt, ist die Versorgung für in Mittelspannung angeschlossene Abnehmer bei ausfallendem oder nicht wirksam kontrahiertem Lieferanten. Es geht in zwei BGH-Entscheidungen erneut um diese Situation und die Frage, wem der Abnehmer zuzuordnen ist, wenn keine Ersatzversorgung vereinbart ist.
Mit den detaillierten Anforderungen des Verbraucherschutzes an Vertragskündigungen im elektronischen Geschäftsverkehr befasst sich das OLG Hamburg.
Im Urteil des OLG Nürnberg geht es auch um das Strompreisbremsegesetz. Hier konkret um die Abwicklung der Entlastungen in Beistellungsfällen. Auch Kunden, die von ihren Lieferanten mittels Beistellung mit Strom beliefert wurden, sind laut OLG Nürnberg Letztverbraucher und haben Anspruch Entlastung nach dem Strompreisbremsegesetz.
Die ZNER Redaktion wünscht Ihren Leserinnen und Lesern eine erkenntnisreiche Lektüre, frohe Weihnachten und einen guten Start in ein hoffnungsvolles, friedliches Neues Jahr.
Dr. Heidrun Schalle