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ZNER 2017, 331
Becker 

Editorial

Ein Blick über den Zaun: Stephan Volkwein diskutiert den Klimaschutz in dem kantonalen Stromversorgergesetz Basel-Stadt. Dabei hat man einige Aha-Erlebnisse über die Komplexität des Energierechts in der Schweiz und die immanenten Widersprüche:

Ausgangspunkt auf Bundesebene war das Energiegesetz vom September 1998, Vorgänger des eidgenössischen Stromversorgungsgesetzes (StromVG) von 2007. Viele Regelungen im 16seitigen Gesetz beziehen sich auf die Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie der EU. Für die Regelungsmöglichkeiten auf Kantonsebene sieht das StromVG allerdings nur noch ein kleines Pflichtprogramm vor.

Nächste Ebene ist die Verfassung des Kantons. Die Schweiz hat 26 Kantone, jeder mit eigener Verfassung. Nach der Verfassung des Kantons Basel-Stadt muss der Staat für eine sichere, der Volkswirtschaft förderliche und umweltgerechte Energieversorgung sorgen und z.B. Erneuerbare Energien (EE) und dezentrale Energieversorgung fördern. Nach der Verfassung soll sich der Staat sogar gegen die Nutzung von Kernenergie wenden und keine Beteiligungen an Kernkraftwerken halten.

Die konkreten energierechtlichen Regeln finden sich aber weder im StromVG noch in der kantonalen Verfassung, sondern im Gesetz über die Industriellen Werke Basel (IWB), die es in ähnlicher Form nur noch in Genf gibt. Es wurde in der gültigen Fassung am 16. September 2008 vom Rot/Grün-dominierten Regierungsrat beschlossen. Im Beschluss zur Revision des Energiegesetzes hieß es: „Basel-Stadt möchte seiner Pionierrolle gerecht werden und weiterhin einen Spitzenplatz unter den Kantonen einnehmen […] bezüglich Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien.“

Diese Bekenntnisse führten allerdings nicht zu einer nennenswerten EE-basierten Stromerzeugung. Seit dem Jahr 2000 wurden nur rund 1.5 Watt Photovoltaik pro Einwohner zugebaut. Zum Vergleich die deutsche Zahl: Im Kalenderjahr 2007 wurden 15 Watt Photovoltaik pro Einwohner jährlich neu zugebaut, die zehnfache Menge. Als wesentlichen Fehler sieht der Autor die Deckelung des Zubaus (300 kW pro Jahr) und den Verkauf dieses Solarstroms durch die IWB nur an solche Kunden, die einen entsprechenden Aufpreis zu zahlen bereit waren. Ab 2009 übernahm der Kanton automatisch die jeweiligen PV-Einspeisevergütungen aus dem schweizerischen Bundessystem. Anleihen in Deutschland wurden nicht genommen.

Das Problem: De facto haben die IWB ein Stromversorgungs- und damit auch EE-Produktionsmonopol. Private Investitionen werden offenbar diskriminiert. In den sogenannten vom Regierungsrat beschlossenen IWB-Leistungsaufträgen 2011-2014 und 2015-2018 heißt es: „Die IWB sollen möglichst die gesamte Wertschöpfungskette über alle Stufen von Produktion, Beschaffung, Netzbetrieb bis zum Verkauf abdecken.“ Für PV-Kleinproduzenten im Kanton ist da kein größerer Platz vorgesehen. Die potenziellen PV-Investoren waren offenbar eine Art ‚langfristiges Übel‘: Mit der Zunahme von dezentral produzierter Energie entsteht für die IWB letztlich einen neue Konkurrenz.

Man möchte der Baseler kantonalen Verwaltung schon im Interesse des Klimaschutzes mehr Anleihen an der deutschen Energiewende anraten, auch wenn diese weit jenseits eines Idealzustandes ist.

Im zweiten Aufsatz befasst sich Frenz mit dem Mieterstromgesetz, das die schwarz-rote Bundesregierung in den letzten Monaten 2017 auf den Weg gebracht hat. Er sieht in den Regelungen eine Beihilfe, weswegen die Bundesregierung – vorsorglich – eine Notifizierung bei der Kommission beantragt hat. Auch deswegen ist das Gesetz – neben dem hohen bürokratischen Aufwand – keine Meisterleistung, sondern eher zur Behinderung einer gerechten Mieterstromförderung konzipiert.

Im dritten Aufsatz setzt Lea Kahlbrandt ihren Aufsatz aus Heft 4 zu virtuellen Kraftwerken im Energiewirtschaftsrecht fort und beschäftigt sich vor allem mit den anstehenden Rechtsfragen.

In seinem ‚Kurzen Beitrag‘ befasst sich Johannes Lackmann mit einem neuartigen Ansatz für PV-Eigenverbrauchsanlagen: Er sieht sie als Teil einer innovativen Haustechnik. Eine Einspeisevergütung soll angesichts der Kostenparität entfallen. Andererseits soll der erzeugte Strom von der EEG-Umlage freigestellt werden. Außerdem soll der Eigenverbraucher einen Netzkostenanteil bezahlen, für dessen Ermittlung Lackmann ebenfalls einen Vorschlag macht: ein Anklang an die schon existierenden Flat-Rate-Vorschläge.

Der Charme dieses Vorschlags besteht zum einen darin, dass die PV-Eigenproduktion im Ergebnis aus der Regulierung herausgenommen und nicht nur der Eigenverantwortung übergeben wird, sondern auch der Zusammenarbeit der Produzenten/Konsumenten (Prosumer). Zweiter Vorteil ist die radikale Vereinfachung der maßgeblichen Regelungen: ein Schritt heraus aus der Komplexität (Verf.: Die Paragrafenexplosion im Energierecht: Überlegungen zur Reduzierung der Komplexität, ZNER 2014, 517).

Aus den wiederum vielen Entscheidungen stechen zwei heraus, das des BGH vom 16.03.2017 – ausnahmsweise nicht vom 8., sondern vom 1. Senat – wegen sehr grundsätzlichen Ausführungen zum Umfang der Pressefreiheit und zur Reichweite eines presserechtlichen Informationsanspruchs gegen einen Netzbetreiber und das Urteil des Kartellsenats des OLG München zum Thema virtuelles Kraftwerk, das auch Lea Kahlbrandt in diesem Heft abhandelt: Es ging um einen langfristigen Stromliefervertrag zwischen einem regionalen Energieversorger in Darmstadt und einer E.ON-Tochter. Vorgesehen war auch die Lieferung einer „kurzfristig änderbaren Struktur (virtuelles Kraftwerk)“. Dieses virtuelle Kraftwerk sollte die Betriebsweise und Rahmenbedingungen eines typischen Steinkohlekraftwerks abbilden. Die Klägerin wollte eine Preisanpassung durchsetzen und berief sich dafür auf die Wirtschaftsklausel im Vertrag und auf die Grundsätze über Wegfall oder Änderung der Geschäftsgrundlage. Damit setzte sie sich nicht durch. Allerdings beanstandete das Gericht die Preisklausel wegen Verstoßes gegen das Preisklausel-Verbot des § 1 Abs. 1 PrKG.

Das Urteil ist sehr lehrreich, weil es zeigt, welche Verästelungen die Abmachungen in einem Stromliefervertrag aufweisen, ja auch aufweisen müssen: Eigentlich war die Erfahrung aus dem Preiswettbewerb der Jahre 2000-2002, dass man sich klugerweise nicht langfristig binden sollte. Insofern ist das (gelungene) Urteil nicht nur kartellrechtlich, sondern auch wirtschaftshistorisch interessant.

Peter Becker

 
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