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BB 2021, I
Zumkeller 

Das Betriebsrätestärkungsgesetz: Gut gemeint – schlecht gemacht

Abbildung 1

Die Stärkung der Betriebsräte liegt der Regierungskoalition sehr am Herzen; in der nun vorliegenden Gesetzesbegründung wird klar, weshalb: Gemäß Ergebnissen gewerkschaftsnaher Panels verfügten 2019 lediglich rund 10 Prozent der betriebsratsfähigen Betriebe über einen Betriebsrat, lediglich ca. 40 Prozent der Arbeitnehmer würden demnach durch Betriebsräte vertreten.

Ich möchte an dieser Stelle nicht den geringsten Zweifel lassen: Ich bin ein Befürworter von Betriebsräten. In den Verhandlungen mit ihnen erlebe ich alle Vor- und Nachteile. Da alle Argumente der Mitarbeiter gebündelt ausgetauscht werden, gibt es bei der Umsetzung von Regelungen deutlich weniger Diskussionen mit Einzelnen als anderenfalls zu erwarten wäre. Mit dem Betriebsrat gemeinsam ermöglicht § 77 Abs. 4 BetrVG auch, die einmal gefundenen Ergebnisse verbindlich umzusetzen. Natürlich ist auch klar, dass nicht alles, was der Arbeitgeber will und mitbestimmungspflichtig ist, rapide durch- und umsetzbar ist.

Aber ist ein Betriebsrätestärkungsgesetz in der vorgelegten Art tatsächlich geeignet, Vorteile, die ein Betriebsrat mit sich bringt, “par ordre du mufti” aufzuoktroyieren? Ich meine: Nein!

Zunächst müssten die vom Gesetzgeber vorgebrachten Gründe, die gegen einen Betriebsrat sprechen könnten, behandelt werden. Es “häufen sich die Berichte”, so in der Gesetzesbegründung, dass “Arbeitgeber mit zum Teil drastischen Mitteln die Gründung von Betriebsräten verhindern”. Belege zu dieser Behauptung finden sich nicht. Ja, immer wieder liest man in der überregionalen Presse hiervon – aber lässt sich damit behaupten, 90 Prozent der Betriebe würden ihre Belegschaft von der Betriebsratswahl abhalten? Wohl kaum.

Und selbst wenn es so wäre, sollten die Symptome einer solchen Gegenhaltung der Arbeitgeber behandelt werden. War es in der letzten BetrVG-Reform wirklich eine gute Maßnahme, die Anzahl der Betriebsräte zu erhöhen? War es wirklich eine gute Entscheidung, die einst bestehende Höchstdauer der Verhandlungen zu einem Interessenausgleich zu streichen? Sind die weitreichenden Möglichkeiten des Betriebsrats, Kosten zu verursachen, wirklich geeignet vor allem mittelständische Unternehmen vom Nutzen eines Betriebsrats zu überzeugen? Schwerlich – statt z. B. eine Ko-Finanzierung durch die Belegschaft wie in anderen europäischen Ländern (etwa Österreich) anzudenken oder über die Deckelung der Kosten durch die Vereinbarung von Budgets nachzudenken, passiert das Gegenteil: Die Heranziehung eines Sachverständigen für KI-Fragen soll künftig sogar als erforderlich gelten. Für Berufsbildungsthemen wird der Gang in die Einigungsstelle eröffnet. Das bedeutet auch Ärger für die Anwälte: Nicht einmal mehr über die Erforderlichkeit streiten kann man darüber in Zukunft, wenn es nach dem Entwurf geht.

Ferner sollte gefragt werden, warum bei Beschäftigten diese “Betriebsratsmüdigkeit” besteht. Hier ist sicher zu konstatieren, dass das Wahlverfahren ein Punkt sein kann. Aber dann doch bitte nicht so halbherzig wie im Entwurf. Warum die Schwelle für das vereinfachte Verfahren bei 200 Arbeitnehmern festsetzen? Warum sollte das vereinfachte Verfahren nicht auch bei großen Betrieben funktionieren? Und warum denkt man nicht über eine viel radikalere Vereinfachung nach – das sog. “vereinfachte” Verfahren ist immer noch weit komplizierter als jedes Verfahren zu Wahlen in einem Verein oder in einer Partei, auch z. B. wenn es darum geht den Bundestagskandidaten oder Bundesvorsitzenden einer Partei zu nominieren. Warum wird nicht der Wahlgang selbst vereinfacht und zugänglicher gemacht – etwa mit elektronischen Wahlen? Während in anderen Ländern Präsidenten elektronisch gewählt werden und wir in Deutschland zumindest bei den Sozialversicherungswahlen den Fortschritt proben, ist an dieser Stelle von digitalem Fortschritt keine Rede.

Und dann stellt sich die Frage, warum sich so wenige Interessierte, sprich: Bewerber, finden, um eine Wahl zu initiieren. Vielleicht weil Interessierte bei einem Blick in das BetrVG feststellen müssen, dass die Jahre seit 1972 letztlich an diesem Gesetz völlig vorbeigegangen sind: Es gibt keine elektronischen Wahlen, keine virtuelle Betriebsversammlung, nach wie vor ist Schriftform üblich. . . Natürlich, die längst überfällige Legalisierung virtueller Betriebsratssitzungen soll nun endlich kommen (da gewinnt der Slogan “legalize it” doch gleich eine sinnvolle Bedeutung). Aber das war es: Dass Betriebsvereinbarungen künftig elektronisch vereinbar sein sollen ist gut – aber nur mit qualifizierter elektronischer Signatur. Das ist im Ergebnis noch hinderlicher als die echte Schriftform.

Die weiteren “Reformschritte” im BetrVG haben mit Stärkung der Betriebsratsarbeit auch nichts mehr zu tun. Die Aufnahme der Mitbestimmung bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit in den Mitbestimmungskatalog des Betriebsrats ist unnötig: § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Ordnung des Betriebes), Nr. 6 (technische Einrichtungen), Nr. 7 (Verhütung von Arbeitsunfällen), § 89 BetrVG (Arbeitsschutz), § 90 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG (Planung der Arbeitsplätze), § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Überwachung des Einhaltens von Gesetzen), mehr braucht es nicht, es ist alles da. Das scheint, ist man ehrlich, doch nur “Begleitmusik” zu dem Vorhaben des Rechtsanspruchs auf mobile Arbeit zu sein.

Zum Thema Datenschutz im Betriebsratsbüro-Büro: Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten soll der Betriebsrat – ist das neu? – die Datenschutz-Vorschriften einhalten. Und bei der Datenverarbeitung des Betriebsrats ist der Arbeitgeber der für die Verarbeitung Verantwortliche im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften. Es ist keine Hilfe, wenn Arbeitgeber für eventuelle Fehler des Betriebsrats in die Haftung kommen können – der Arbeitgeber weiß in aller Regel nicht, welche Daten der Betriebsrat erhebt, speichert, verarbeitet und eventuell auch weitergibt. Konsequenterweise müsste dem Arbeitgeber ein Auskunftsrecht gegenüber dem Betriebsrat zustehen, etwa ähnlich dem in Art. 15 DSGVO. Dann könnte der Arbeitgeber ggf. verantwortlich gemacht werden. Und letztlich: Erfasst der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO gegenüber dem Arbeitgeber auch Daten, die der Betriebsrat gespeichert hat?

Nachbesserung ist dringend erforderlich.

Alexander R. Zumkeller, MBA, RA, Wirtschaftsmediator, ist Präsident des Bundesverbandes der Arbeitsrechtler in Unternehmen (www.bvau.de), der branchenübergreifenden, personenbezogenen und bundesweit tätigen Vereinigung für Arbeitsrechtler in Unternehmen. Nach 20 Jahren in Arbeitgeberverbänden, zuletzt als Geschäftsführer tätig, ist er seit 2007 bei ABB und heute dort Head of Global Business Services Labour Relations / Head Global CoE Labour Law sowie Arbeitsdirektor und Country HR Manager ABB Deutschland

 
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