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BB 2023, 1779
 

Im Blickpunkt

Abbildung 16

Arbeitgeber haben sich bei Massenentlassungen insbesondere mit den formalen Anforderungen der Anzeige an die zuständige Agentur für Arbeit auseinanderzusetzen, da ein Verstoß etwa gegen die Übermittlungspflicht nach § 17 Abs. 3 S. 1 KSchG an die Agentur zur Unwirksamkeit einer Kündigung führt. Bisher nahm das BAG grundsätzlich an, dass Verstöße gegen die den Arbeitgeber im Zusammenhang mit Massenentlassungen treffenden Pflichten zur Nichtigkeit der folgenden Entlassung i. S. v. § 134 BGB führen, da die Vorschrift individualschützende Wirkung habe. Maßgebliche Fragestellung ist mithin, welchem Schutzzweck die Übermittlungspflicht an die Agentur für Arbeit nach § 17 Abs. 3 KSchG dient. Mit Beschluss vom 27.1.2022 (6 AZR 155/21) hatte das BAG diese Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der EuGH hat mit Urteil vom 13.7.2023 (C-134/22 – G GmbH) einen solchen individualschützenden Charakter der Übermittlungspflicht für die einzelnen Beschäftigten abgelehnt. Die Übermittlungspflicht diene vielmehr dazu, der zuständigen Agentur für Arbeit die Möglichkeit zu geben, sich zunächst einen Überblick über die Gründe der geplanten Entlassungen, die Zahl sowie die Kategorien der zu entlassenden Arbeitnehmer zu verschaffen. Zu dem Zeitpunkt solle sich die Behörde aber nicht mit der individuellen Situation jedes einzelnen Arbeitnehmers befassen, sondern die negativen Folgen der beabsichtigten Massenentlassungen als solche sondieren und sich vorbereiten. Dies gerade auch, da sich die Informationen im Laufe der Konsultation der Arbeitnehmervertreter noch ändern könnten. Ein Individualrechtsschutz werde daher in diesem Stadium nicht vermittelt. Bei einem Verstoß gegen die Übermittlungspflicht sei mithin nicht von einer Unwirksamkeit der Entlassungen auszugehen. Abzuwarten bleibt, ob der EuGH auch bei anderen Fehlern im Konsultations- oder Anzeigeverfahren die strenge Folge der Unwirksamkeit der Kündigung aufrechterhält. Die Rechtsprechung zu Massenentlassungen wird auch künftig höchst interessant bleiben.

Prof. Dr. Christian Pelke, Ressortleiter Arbeitsrecht

 
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