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Weißenbacher 

Mediation im Steuerrecht – Eine praxisnahe Möglichkeit?

Abbildung 1

Die Mediation ist in eng begrenzten Ausnahmefällen auch im Steuerrecht zulässig.

Die Mediation ist auf dem Vormarsch. Mit dem Mediationsgesetz, das am 26.7.2012 in Kraft trat, wurde über den Verweis in § 155 FGO auch im Steuerverfahren die Tür zur gerichtlichen und außergerichtlichen Mediation geöffnet. Nach über zehn Jahren Geltungsdauer stellt sich die Frage, welche steuerrechtlichen Fälle einer Mediation zugänglich sind und welche materiell-rechtlichen Grenzen es gibt.

Die Mediation ist eine spezielle Form der alternativen Konfliktlösung, die ein Mediator in einem außergerichtlichen Vergleich sowie ein Güterichter zur Erzielung eines gerichtlichen Vergleichs anwenden kann. Kennzeichnend für die Mediation ist, dass der Mediator die Kommunikation voranbringt, jedoch keinen konkreten Lösungsvorschlag unterbreitet. Somit ist die Mediation keine Einigungsmöglichkeit per se, sondern lediglich eine Methode auf dem Weg zu dieser Einigung.

Im Steuerrecht gibt es verschiedene Werkzeuge, mit denen außerhalb des klassischen Rechtswegs eine schnellere sowie oftmals kostengünstigere Lösung erzielt werden kann. Hierzu gehören u. a. die folgenden Möglichkeiten:

  • tatsächliche Verständigung bei einem Sachverhalt, der nur unter erschwerten Umständen ermittelt werden kann,

  • Antrag auf eine Billigkeitsentscheidung nach §§ 222, 227 AO,

  • Anregung zur Durchführung einer Erörterung des Sach- und Streitstandes sowie Versuch der gütlichen Einigung nach § 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 FGO zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung im finanzgerichtlichen Verfahren,

  • Antrag auf Erörterung des Sach- und Rechtsstands nach § 364a AO vor Erlass einer Einspruchsentscheidung,

  • öffentlich-rechtlicher Vertrag im Zollrecht,

  • Kostenentscheidung nach billigem Ermessen bei Erledigung nach § 138 FGO,

  • gerichtliches Güteverfahren bzw. Mediation nach § 155 S. 1 FGO i. V. m. § 278 Abs. 5 ZPO,

  • außergerichtliche Konfliktbeilegung bzw. Mediation nach § 155 S. 1 FGO i. V. m. § 278a ZPO.

Beim Großteil dieser Optionen fällt auf, dass das deutsche Steuerrecht zwar Möglichkeiten zur rechtssicheren Klärung schwieriger Sachverhalts- oder gar Rechtsfragen bietet. Jedoch scheint die klassische Einigung im engeren Sinne aufgrund des Rechtsstaatsprinzips nur wenig Raum zu haben. Dennoch ist eine Einigung auch im deutschen Steuerrecht möglich. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen sollen im Folgenden näher beleuchtet werden.

Kernproblem der Einigung als öffentlich-rechtlicher Vertrag nach §§ 54 ff. VwVfG i. V. m. § 78 Nr. 3 AO im Steuerrecht ist die Vereinbarkeit mit den Prinzipien der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung nach Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 GG sowie § 85 AO. Demnach ist eine Einigung nur wirksam, wenn die folgenden Voraussetzungen eingehalten werden:

Die Finanzbehörden müssen eine Ermessensentscheidung (§ 5 AO) treffen können.

Im Steuerverfahren ist nach dem Wortlaut des § 78 Nr. 3 AO ein öffentlich-rechtlicher Vertrag grundsätzlich zulässig. Es gilt allenfalls ein besonderes Vertragsformverbot für Steuerfestsetzungen und gesonderte Feststellungen nach §§ 155 Abs. 1, 179 Abs. 1, 184 Abs. 1 AO. Davon sind Vereinbarungen, die im Vorfeld von Steuerfestsetzungen bzw. gesonderten Feststellungen oder im Nachhinein im Verfahren zur Durchsetzung des Steueranspruchs getroffen werden, nicht betroffen.

Somit sind Einigungen im Steuerrecht zwar nicht im Festsetzungsverfahren, jedoch im Erhebungsverfahren zulässig, da es nicht um den Kern der Steuerfestsetzung, sondern um tendenziell formale Fragen (z. B. Anrechnung oder Aufrechnung) geht.

Eine Einigung muss mit dem geltenden Recht vereinbar sein. Dies wird anhand einer Evidenzkontrolle aus der ex-ante-Sicht der Beteiligten im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses überprüft. Evidente Verstöße können zur Nichtigkeit nach § 134 BGB führen.

Zum zwingenden Recht gehört auch das europarechtliche Beihilfeverbot nach Art. 107 ff. AEUV. Laut BFH kommt es darauf an, ob selektiv ein spezieller Steuerpflichtiger begünstigt wird. Eine Beihilfe liegt vor, wenn die betreffende Maßnahme vom allgemein geltenden Steuersystem zugunsten bestimmter Steuerpflichtiger abweicht und nicht durch Grund- und Leitprinzipien der Steuerrechtsordnung gerechtfertigt werden kann.

In seinem Urteil P Oy erläuterte der EuGH, dass die Voraussetzung der Selektivität nicht gegeben sei, “wenn eine Maßnahme zwar einen Vorteil für den Begünstigten darstellt, aber durch das Wesen oder die allgemeinen Zwecke des Systems, zu dem sie gehört, gerechtfertigt ist”.

Die Kommission qualifiziert entsprechend u. a. den Grundsatz der Steuerneutralität oder die Handhabbarkeit für die Verwaltung als zur Rechtfertigung geeignete Ziele, sofern der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. Externe Ziele wie wirtschaftliche, ökologische oder soziale Aspekte können dagegen allenfalls auf der Ebene von Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV relevant werden.

In der Praxis empfiehlt sich somit, die europarechtlichen Beihilferegelungen in jedem Einzelfall zu prüfen.

Folglich ist in eng begrenzten Ausnahmefällen im steuerrechtlichen Erhebungsverfahren bei Ermessensentscheidungen unter Wahrung der Zuständigkeitsregelungen sowie des zwingenden Rechts, insbesondere des europarechtlichen Beihilfeverbots, die steuerrechtliche Einigung eine vom Berater in der Praxis realistisch in Betracht zu ziehende Option, die nicht außer Acht gelassen werden sollte.

Katharina Weißenbacher ist Rechtsanwältin und Steuerberaterin bei Weil, Gotshal & Manges LLP in München und Doktorandin bei Herrn Prof. Dr. Martin Kment am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht, Umweltrecht und Planungsrecht an der Universität Augsburg.

 
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