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BB 2017, I
Haarmann 

Multilaterales Übereinkommen zur Anpassung von Doppelbesteuerungsabkommen (BEPS-Aktionspunkt 15)

Abbildung 1

Am 24.11.2016 wurden der Abkommenstext und die Erläuterungen des Multilateralen Übereinkommens (MLÜ) (Multilaterales Instrument nach BEPS-Aktionspunkt 15) in englischer und französischer Sprache veröffentlicht. Das Zustandebringen eines solchen Textes ist bereits eine Leistung an sich, und die für die Ausarbeitung zuständige Ad-hoc-Arbeitsgruppe der OECD- und der G 20 Länder hat dafür Anerkennung verdient.

Das MLÜ bedarf jetzt der Umsetzung auf nationaler Ebene. Hierzu ist ein gestufter Prozess mit verschiedenen Fristen vorgesehen. Das MLÜ bedarf der Unterzeichnung, welche voraussichtlich im Juni 2017 durch viele Staaten anlässlich einer Regierungskonferenz in Paris stattfinden soll. Danach bedarf das Übereinkommen der Ratifizierung. Fünf Staaten müssen das MLÜ ratifizieren, damit es in Kraft treten kann. Die einzelnen Staaten hinterlegen beim Generalsekretär der OECD als Hinterlegungsstelle spätestens mit der Ratifizierungsurkunde eine Liste der Doppelbesteuerungsabkommen, die nach dem Willen der Staaten vom MLÜ erfasst werden sollen (Vertragsgegenständliche Steuerabkommen [covered tax agreements]), hinterlegen zusätzlich die Vorbehalte zu einzelnen Abkommensteilen, informieren über die Ausübung von Wahlrechten und machen zahlreiche im Abkommen verlangte zusätzliche Mitteilungen. Soweit das MLÜ wirksam wird und Anwendung findet, findet das MLÜ frühestens auf Besteuerungszeiträume Anwendung, die ab dem 1.5.2018 beginnen. Staaten können den Zeitraum bis zur Anwendung übereinstimmend verkürzen.

Im Rahmen der Übermittlung der Liste der vertragsgegenständlichen Steuerabkommen haben die einzelnen Staaten in erheblichem Umfang Wahlrechte, welche Regelungen des MLÜ auf die einzelnen DBAs Anwendung finden. Pflichtelemente sind z. B. Regelungen zur Verhinderung des Abkommensmissbrauchs, wo es zum einen um eine zwingende allgemeine Missbrauchsvorschrift (Principal Purpose Test) und wahlweise um zusätzliche spezielle Regelungen geht. Dabei sind aber auch abweichende Formulierungen möglich, wenn der Minimalstandard eingehalten wird.

Hinsichtlich anderer Regelungsbereiche können die Länder die Regelungen des MLÜ abwählen, wobei sie dies in der Regel nur generell und nicht im Hinblick auf einzelne Abkommen tun können, so bei Regelungen zu den hybriden Gestaltungen (steuertransparente Einheiten; steuerliche Doppelsitze), zu den Erleichterungen der Besteuerung von Dividenden, zu Veräußerungsgewinnen aus Anteilen an Immobilienkapitalgesellschaften, zu Betriebsstättenergebnissen in Drittstaaten, zu der Freiheit, seine eigenen unbeschränkt Steuerpflichtigen in jedem Fall besteuern zu können, zu Vermeidungsstrategien durch Kommissionärsstrukturen, zu den Aktivitätsausnahmen für die Annahme von Betriebsstätten sowie zu Aufspaltungen von Verträgen.

Bei der Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung kann ein Land zwischen drei Wahlmöglichkeiten wählen, wobei allerdings ein Land die Wahlmöglichkeiten generell für eines oder mehrere vertragsgegenständliche Steuerabkommen abwählen kann.

Hinsichtlich des Verständigungsverfahrens wird ein Standard vorgeschlagen, der von den Ländern teilweise abgeändert oder nicht angewendet werden kann. Es muss jedoch ein Minimalstandard für das Verständigungsverfahren eingehalten werden.

Sehr ausführlich wird das Schiedsverfahren beschrieben, das zur Anwendung kommt, wenn das Verständigungsverfahren in zwei (oder alternativ drei) Jahren nicht zu einem Ergebnis führt. Das Schiedsverfahren muss von beiden Vertragsstaaten ausdrücklich hinzugewählt werden. Ohne die ausdrückliche Hinzuwahl kommt es nicht zur Anwendung des Schiedsverfahrens zwischen den Abkommensstaaten.

Die Formulierung des Vertragstextes und die große Variabilität, die den Ländern, die dem Vertrag beitreten, zur Verfügung steht, lässt die Frage aufkommen, ob durch das MLÜ wirklich sehr viel gewonnen wurde. Nun ist eine generelle Missbrauchsklausel zwingende Anforderung an jedes beitretende Land. Auch ist ein Verständigungsverfahren für die beitretenden Staaten zwingend. Sicherlich wird sich eine Reihe von Staaten bemühen, möglichst wenige der vorgesehenen Regelungen abzuwählen, um nicht international als Staat dazustehen, der die BEPS-Empfehlungen nicht wirklich ernst nimmt. Schade ist, dass das Schiedsverfahren ausdrücklich hinzugewählt werden muss und somit nicht Standard ist. Vor dem Hintergrund des Country-by-Country-Reportings hätte eine Bedingung aufgenommen werden müssen, dass Länder, die sich nicht dem zwingenden Schiedsverfahren unterwerfen, keine Country-by-Country-Informationen erhalten.

Das MLÜ kann Anlass sein, die jeweils betroffenen Abkommen inhaltlich zu verändern. Dies ist aber nicht zwingend. Wenn für zwei Abkommensstaaten das MLÜ wirksam wird, so geht das MLÜ den einzelnen Abkommen vor. Gilt dies aber auch für spätere Vereinbarungen von Doppelbesteuerungsabkommen, die nach dem MLÜ in nationales Recht umgesetzt werden, wenn sie inhaltlich gegen das MLÜ verstoßen? Da die Abkommensstaaten von den zahlreichen Vorbehalten und Wahlrechten unterschiedlich Gebrauch machen werden, kommt es zu unterschiedlichen Verpflichtungen bei den Vertragspartnern. Teilweise gelten dann die Vorbehalte für beide Vertragsstaaten, teilweise bleibt es bei einseitigen Vorbehalten, so dass es zu asymmetrischen Anwendungen des MLÜ kommt. Dies kann zu widerstreitenden Abkommenstexten führen, wofür die Länder dann wiederum eine einvernehmliche Lösung finden müssen.

Welche Rechtsqualität hat das MLÜ nach wirksamem Beitritt der Bundesrepublik Deutschland? Wird es einfaches Recht? Kann ein Vertrag in nichtdeutscher Sprache einfaches deutsches Recht werden? Reicht eine deutsche Übersetzung? Oder müssen die einzelnen betroffenen DBAs entsprechend angepasst werden mit der Folge, dass das MLÜ gegenüber dem Steuerpflichtigen keine unmittelbare Wirkung entfaltet? Kann sich der Steuerpflichtige bei Nicht- oder falscher Anpassung der vertragsgegenständlichen Doppelbesteuerungsabkommen auf das MLÜ berufen? Welche Bedeutung hat das MLÜ nach einer Anpassung der DBAs? Stellt es eine für den Steuerpflichtigen relevante zusätzliche Rechtsebene dar? Es gibt viele neue Fragen, die noch der Beantwortung harren.

Prof. Dr. Wilhelm Haarmann, RA/WP/StB, ist Partner der Sozietät Linklaters LLP. Er ist spezialisiert auf Steuer- und Gesellschaftsrecht, M&A, Vorstands- und Aufsichtsratsberatung sowie Schiedsverfahren.

 
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