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BB 2024, I
Umbeck 

Neuer Schwung für den Schiedsort Deutschland – Der Referentenentwurf des BMJ zur Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts

Abbildung 1

Die Attraktivität des Schiedsorts Deutschland wird durch ein modernes Schiedsverfahrensrecht gestärkt.

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) möchte den Schiedsstandort Deutschland stärken und für den internationalen Wettbewerb attraktiv gestalten. Hierzu soll das seit 1998 bestehende Schiedsverfahrensrecht punktuell modernisiert werden. Das ist eine gute Idee.

Nach der Veröffentlichung von Eckpunkten der geplanten Reform im April 2023, zu denen sich u. a. die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) weitgehend positiv äußerte, hat das BMJ nun einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts vorgelegt. Der Referentenentwurf entspricht im Wesentlichen den zwölf Eckpunkten aus 2023 und sieht Änderungen der §§ 1025 ff. ZPO vor (ZPO-E), vgl. zu den Eckpunkten auch Korte, Die Erste Seite, BB Heft 22/2023.

Der größte Hingucker aus internationaler Sicht ist die verstärkte Zulassung der englischen Sprache vor deutschen staatlichen Gerichten. In Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren können nach dem Entwurf sowohl der Schiedsspruch als auch andere Schriftstücke aus dem Schiedsverfahren bei Gericht in englischer Sprache vorgelegt werden. Darüber hinaus sollen die Länder Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren den künftigen Commercial Courts zuweisen können. Mit dem Einverständnis der Parteien können die Verfahren vor den Commercial Courts sodann vollständig in englischer Sprache geführt werden.

Zur Modernisierung trägt auch die Digitalisierung des Schiedsrechts weiter bei. Schon jetzt werden in Schiedsverfahren mündliche Verhandlungen per Videoverhandlung durchgeführt, zumeist im Einverständnis mit den Parteien. Die Zulässigkeit dieser Praxis wird nun klargestellt. Das Schiedsgericht kann Videoverhandlungen auch durchführen, wenn eine Partei nicht zustimmt, es sei denn, die Parteien haben etwas anderes vereinbart (§ 1047 Abs. 2 ZPO-E). Künftig soll ferner der “E-Schiedsspruch” möglich sein, also ein Schiedsspruch in elektronischer Form, den die Mitglieder des Schiedsgerichts mit ihrer Signatur in elektronischer Form versehen (§ 1054 Abs. 2 ZPO-E).

Die Zunahme von Mehrparteienschiedsverfahren in den letzten Jahren spiegelt sich in § 1035 Abs. 4 ZPO-E wider. Die neue Regelung zeichnet bestehende Regeln von Schiedsinstitutionen nach. Danach haben Streitgenossen einen gemeinsamen Schiedsrichter zu bestellen.

Weitere Regeln betreffen die Überprüfung des Zwischenentscheids, mit dem sich ein Schiedsgericht für unzuständig hält. § 1040 Abs. 4 ZPO-E stärkt hier die Rechte der Partei, die ein Schiedsverfahren durchführen möchte. Künftig wären Prozessschiedssprüche auch dann anfechtbar, wenn das Schiedsgericht seine Zuständigkeit verneint. Eine im Eckpunktepapier noch nicht angesprochene Regelung enthält § 1041 Abs. 2 ZPO-E. Er sieht eine Stärkung einstweiliger Maßnahmen vor, die von Schiedsgerichten (auch sofern der Schiedsort außerhalb Deutschlands liegt, § 1025 Abs. 2 ZPO-E) angeordnet wurden und deren Vollziehung nur in engen Grenzen abgelehnt werden kann.

Sinnvoll ist auch die Förderung der Veröffentlichung von Schiedssprüchen. Diese ist dem Schiedsgericht gestattet, wenn die Parteien nicht innerhalb eines Monats widersprochen haben, wenn sie auf diese Folge hingewiesen wurden (§ 1054b ZPO-E). Geregelt wird ferner das Sondervotum, sog. “dissenting opinion”, das insbesondere in der internationalen Praxis verbreitet ist (§ 1054a Abs. 2 ZPO-E). Ein Sondervotum ist ausdrücklich zulässig, ohne dass darin eine Verletzung des Beratungsgeheimnisses erblickt werden kann, es sei denn die Parteien haben etwas anderes vereinbart (hierzu auch Armbrüster, Editorial NJW Heft 9/2024).

Der wohl umstrittenste Knackpunkt ist der Wegfall des Schriftformerfordernisses für Schiedsvereinbarungen im kaufmännischen Verkehr (§ 1031 Abs. 4 ZPO-E). Die geplante Regelung der Formerfordernisse und die Heilung ihrer Nichtbeachtung in sechs Absätzen wirkt schon per se nicht sehr modern und leicht handhabbar. Nach derzeitiger Rechtslage muss die Schiedsvereinbarung entweder schriftlich geschlossen werden oder sonst in dokumentierter Form erfolgen, z. B. durch Bezugnahme auf AGB (§ 1031 Abs. 1–3 ZPO). Deutschland will mit der Neufassung der Vorschrift nun dem Vorbild einiger Rechtsordnungen – wie z. B. Belgien, Frankreich, Schweden – folgen, welche die Formfreiheit vorsehen. Seit 2006 ist die Formfreiheit von Schiedsvereinbarungen nach Art. 7 Option II des UNCITRAL-Modellgesetzes zulässig. Kritiker befürchten Streitpotential und erhebliche Unsicherheit in Bezug auf die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung. Befürworter verweisen darauf, dass Deutschland in diesem Punkt nur zu der bis 1998 bestehenden Rechtslage zurückkehrt und auch damals keine schlechten Erfahrungen gemacht wurden.

Die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit hat allerdings in den letzten 25 Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen und nicht selten wird mit allen Mitteln gestritten. Es wäre daher durchaus denkbar, dass unter Geltung der Neuregelung künftig häufiger das Bestehen einer mündlichen getroffenen Schiedsabrede vor den ordentlichen Gerichten vorgetragen wird oder dass es noch im Vollstreckungsverfahren darüber zum Streit kommt, ob ein (die Formfreiheit begründendes) Handelsgeschäft vorliegt. Retten wird sich der Praktiker damit, dass jede Partei von der anderen verlangen kann, ihr den Inhalt der Schiedsvereinbarung in Textform zu bestätigen.

Dr. Elke Umbeck, RAin, ist Partnerin bei HEUKING. Mit über 20-jähriger Berufserfahrung berät und vertritt sie Unternehmen in komplexen Gerichts- und Schiedsgerichtsverfahren und ist regelmäßig als Schiedsrichterin in nationalen und internationalen Schiedsverfahren tätig.

 
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