Referentenentwurf eines Zukunftsfinanzierungsgesetzes – geeignetes Instrument zur Sicherung des Wohlstands?
Spürbare Impulse für den Wirtschaftsstandort dürften lediglich im Bereich der Alternative Investments zu erwarten sein.
Große Erwartungen schürt der am 12.4.2023 von den Bundesministerien für Finanzen (BMF) und der Justiz (BMJ) veröffentlichte Referentenentwurf eines Zukunftsfinanzierungsgesetzes. Bereits der Name suggeriert einen “großen Wurf”. Entsprechend stellt gleich der erste Abschnitt des Entwurfs klar: “Unser Land benötigt Investitionen in nahezu beispiellosem Umfang. Nur so kann [. . .] unser Wohlstand gesichert und können gleichzeitig Gesellschaft und Wirtschaft zügig auf Digitalisierung und Klimaschutz eingestellt werden. [. . ..] Regelungen im Finanzmarktrecht, Gesellschaftsrecht und Steuerrecht sollen im Hinblick auf dieses Ziel weiterentwickelt werden.” Die Messlatte für das Gesetzesvorhaben könnte nicht höher gehängt werden. Auf 143 Seiten, inkl. Begründung, werden über 25 verschiedene Gesetze und Verordnungen angepasst, vom Finanzmarkt- über das Gesellschafts- bis zum Steuerrecht.
Insgesamt stieß der Referentenentwurf bislang überwiegend auf ein positives Echo – enthält er doch Vorschläge, die man weitgehend als unstrittig richtige Schritte bezeichnen muss. An dem durch die Namensgebung suggerierten “Wums” fehlt es jedoch. Spürbare Impulse für den Wirtschaftsstandort dürften lediglich im Bereich der Alternative Investments zu erwarten sein. Hieße der Entwurf “Gesetz zur Verbesserung ausgewählter Regelungen und zur Klarstellung”, wäre er vermutlich ohne große Diskussion konsensfähig. Vor dem Hintergrund der Herausforderungen unserer Zeit und des mit dem Entwurf verbundenen Anspruchs kann man sich jedoch schon fragen, ob nicht ein “größerer Wurf” geboten wäre.
Der Entwurf kodifiziert die heute bereits weit verbreitete Praxis, mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf Englisch kommunizieren zu können – stellt jedoch auch klar, dass die Behörde ggf. weiterhin berechtigt ist, eine deutsche Übersetzung anzufordern. Er begrenzt die sicherlich als Standortnachteil einzustufende, von der Rechtsprechung weit ausgedehnte AGB-Kontrolle – jedoch nur für Verträge zwischen Unternehmen des Finanzsektors, wenn beide Parteien des Vertrags über eine Zulassung verfügen und der Aufsicht unterstehen. Bezieht sich die Zulassung nicht konkret auf das betroffene Geschäft, entfällt die AGB-Kontrolle nur, wenn das betroffene Unternehmen eine gewisse Mindestgröße aufweist (“große Unternehmen”). Das erleichtert sicherlich Geschäfte im Bereich standardisierter Vertragswerke, insbesondere bei Derivaten und im Clearing. Die Verknüpfung ausschließlich mit finanzmarktregulatorischen Erlaubnispflichten erscheint jedoch aus Schutzgesichtspunkten nur bedingt nachvollziehbar.
Begrüßenswert ist die Erweiterung des eWpG auf Aktien, auch in Form von Kryptowertpapieren. Adressiert werden partiell ferner jüngst dem breiten Publikum im Rahmen spektakulärer Insolvenzen bekannt gewordene Risiken im Bereich Kryptodienstleistungen. So regelt der Entwurf aufsichtsrechtlich die Segregation von Kundenwerten bei der Kryptoverwahrung. Insgesamt fehlt es jedoch weiterhin an einer rechtssicheren Verzahnung der Blockchain-Technologie mit dem Zivilrecht. Erste Schritte in diese Richtung wurden in der Schweiz und Liechtenstein beschritten – mit Konzepten, die sich jedoch bislang in der Praxis im grenzüberschreitenden Verkehr nur sehr bedingt durchsetzen konnten. Eine Jurisdiktion wie Deutschland könnte erhebliche Standortvorteile mit einer das Internationale Privatrecht berücksichtigenden Lösung generieren.
Offensichtlich keine großen Impulse dürften von der Senkung der Mindestkapitalisierung bei Börsengängen von 1,25 Mio. auf 1 Mio. ausgehen. Die vorgesehenen gesellschaftsrechtlichen Erleichterungen bei der Kapitalbeschaffung (z. B. Zulassung von Mehrstimmrechtsaktien, Erleichterungen für Kapitalerhöhungen) sind hingegen vor dem Hintergrund im Ausland marktüblicher Mechanismen durchwegs als Schritt in die richtige Richtung begrüßenswert. Ob die Zeit über die Börsenmantelaktiengesellschaft (Special Purpose Acquisition Company – SPAC) zwischenzeitlich schon wieder hinweg gegangen ist, wird erst die Zukunft zeigen – das aktuelle Marktumfeld spricht dafür, dass der Markt auf das Produkt kurzfristig zurückhaltend reagieren könnte.
Unter das Stichwort Bürokratieabbau fällt vermutlich u. a. die Abschaffung der Vorab-Mitteilungspflicht an die BaFin für Ad-hoc-Mitteilungen. Die Entwurfsbegründung erläutert hierzu, die Mitteilung sei unter “Aufsichtsgesichtspunkten nicht erforderlich” und stelle aus “Compliance-Sicht ein vermeidbares Insider-Risiko” dar. Letzteres scheint wohl das Risiko zu adressieren, dass die Vertraulichkeitsbarrieren der BaFin nicht halten könnten.
Eine gewisse Breitenwirkung dürfte jedoch den Änderungen im Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) und im Umsatzsteuergesetz (UStG) beizumessen sein. So werden die Möglichkeiten für Immobilienfonds erweitert, nachhaltige Investitionen zu tätigen, ggf. auch Anlagen zu betreiben.
Im Bereich der Umsatzsteuer wird die Umsatzsteuerbefreiung praktisch auf die Verwaltung aller regulierten Investmentvermögen – Organismen für die gemeinsame Anlage in Wertpapieren (OGAW) und alternativen Investmentfonds (AIF) – ausgedehnt, was für AIF, die bisher aufgrund der fehlenden Vergleichbarkeit zu OGAW nicht unter diese Befreiung fielen, hilft, Kostennachteile zu reduzieren und damit den Finanzstandort Deutschland in gewisser Weise stärkt. Gleiches gilt für den neu eingeführten Befreiungstatbestand für die Verwaltung von Krediten und Kreditsicherheiten durch die Kreditgeber, die vor allem Kostennachteile in Bezug auf Verwaltungsleistungen von inländischen Konsortialführern beseitigt.
Prof. Dr. Bernd Geier ist Inhaber der Professur für Wirtschaftsrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Regulierung an der SRH Hochschule Heidelberg und Lehrbeauftragter an der Universität Speyer. Er ist ferner Partner im Bereich Aufsichtsrecht und Fonds bei der Kanzlei Rimon Falkenfort.