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BB 2021, I
Rath 

SanInsFoG – Plädoyer für den Sanierungsstandort Deutschland!

Abbildung 1

Das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG), das am 1. Januar 2021 in Kraft getreten ist, ist von enormer Bedeutung für die Sanierungspraxis in Deutschland. Mit der Reform wurde nicht nur die EU-Restrukturierungsrichtlinie umgesetzt. Vielmehr wurde die deutsche Insolvenzordnung in einigen zentralen Punkten überarbeitet und damit ein komplementärer Rechtsrahmen für erfolgreiche Sanierungen geschaffen.

Sanierungsbedürftige – drohend zahlungsunfähige – Unternehmen verfügen nun über eine Palette von Möglichkeiten, sich je nach Bedarf mit oder ohne gerichtliche Hilfe zu sanieren. Die Optionen reichen von der auf einen konsensualen Vergleich ausgerichteten Sanierungsmoderation über weitere modulare Instrumente zur Implementierung eines Restrukturierungsplans mit der Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen unter dem Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG; s. dazu den Überblicksbeitrag von Gehrlein, BB 2021, 66 [in diesem Heft]) bis hin zum reformierten Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Für Unternehmen, deren Insolvenzreife auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist, gibt es zusätzliche Erleichterungen. Variable Handlungsoptionen auf der Grundlage eines zuverlässigen Rechtsrahmens werden aktuell dringend benötigt, denn die Pandemie stellt Unternehmen vor gravierende Herausforderungen, die nach flexiblen und transparenten Lösungen verlangen. Der im Zentrum des StaRUG stehende Restrukturierungsplan profitiert dabei von den Erfahrungen mit den ähnlich ausgestalteten Regelungen zum Insolvenzplan, ein Vorteil, den viele andere Jurisdiktionen nicht haben. Doch schon werden Stimmen laut, die lieber auf andere Rechtsordnungen ausweichen möchten, da diese die Richtlinie vermeintlich besser umsetzen. Damit kommt der Sanierungspraxis nun die wichtige Rolle zu, den aktuellen Herausforderungen unter Verwendung der neuen Instrumente zu begegnen und damit den Beweis anzutreten, dass Deutschland den internationalen Wettbewerb keineswegs scheuen muss.

Der Zeitplan seit Veröffentlichung des Referentenentwurfs am 18. September 2020 war ambitioniert. Angesichts der Bedeutung und Reichweite des SanInsFoG wäre eine längere Konsultationsphase wünschenswert gewesen. Andererseits zeigen nicht nur die zahlreichen fundierten Stellungnahmen der verschiedensten Verbände, sondern auch die vielfältigen Publikationen in den Fachzeitschriften, dass trotz der Kürze der Zeit eine profunde Diskussion zum Referenten- und zum Regierungsentwurf stattgefunden hat, die wichtige Impulse liefern konnte.

Der Endspurt dieses weitreichenden Reformgesetzes hatte es dann aber doch in sich: Kurz vor der abschließenden Abstimmung im Bundestag legte der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz seine Beschlussempfehlung vor, in der einige sehr kontrovers diskutierte Punkte komplett gestrichen und grundlegende Neuregelungen erstmals aufgenommen wurden. So überraschte die Beschlussempfehlung mit einer Streichung der neuen Regelungen zur Haftung der Vertretungsorgane ab Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§§ 2, 3 StaRUG-E) und der Vorschriften zum höchst umstrittenen Instrument der gerichtlichen Vertragsbeendigung (§§ 51 ff. StaRUG-E). In letzter Sekunde neu aufgenommen wurden u. a. Vorschriften zur Einsetzung eines Gläubigerbeirats (§ 93 StaRUG), zur Erweiterung des Fiskusprivilegs für Steuerverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 4 [neu] InsO) und zur erneuten, auf bestimmte Fälle begrenzten Verlängerung der Suspendierung der Insolvenzantragspflicht vom 1. bis 31. Januar 2021 (§ 1 Abs. 3 [neu] COVInsAG). Die wiederholten Suspendierungen mit teilweise unterschiedlichem Anwendungsbereich, wechselnden Voraussetzungen und Rückausnahmen machen es für betroffene Vertretungsorgane allerdings schwer kalkulierbar, ob sie sich auf eine Suspendierung berufen können.

In anderen Punkten bringt das SanInsFoG für Vertretungsorgane hilfreiche Änderungen und Klarstellungen: Die Haftung für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife wird in § 15b InsO rechtsformübergreifend neu geregelt und dahingehend eingeschränkt, dass Zahlungen im ordnungsgemäßen Geschäftsgang – insbesondere zum Zweck der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs – privilegiert sind. Zusätzlich wurde die Pflichtenkollision bei steuerrechtlichen Zahlungspflichten ab Eintritt der Insolvenzreife mit § 15b Abs. 8 (neu) InsO endlich aufgelöst. Für die Insolvenzgründe der drohenden Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung werden gesetzlich konkrete Prognosezeiträume definiert (24 Monate für die drohende Zahlungsunfähigkeit und 12 Monate für die Überschuldung). Schließlich gilt bei Überschuldung ab dem 1. Januar 2021 generell eine verlängerte Maximalfrist für die Insolvenzantragsstellung (sechs Wochen), bei Zahlungsunfähigkeit bleibt es bei drei Wochen. All diese Änderungen erleichtern für die betroffenen Unternehmen und deren Organe die Transparenz und Planbarkeit, was wiederum Sanierungen erleichtert.

Natürlich bleiben angesichts der umfangreichen gesetzlichen Neuregelungen offene Fragen. Wie in der Vergangenheit werden es erfolgreiche Praxisbeispiele sein, die zu einer Akzeptanz der neuen Instrumente führen werden, wie schon das ESUG gezeigt hat. Dessen Praxistauglichkeit wurde – bereits vor der Nachjustierung durch das SanInsFoG – unter Beweis gestellt. Das SanInsFoG hat das Potenzial, die Sanierungskultur in Deutschland nachhaltig positiv zu gestalten. Diese Chance sollte nun auch genutzt werden!

Regina Rath, RAin, ist Partnerin in der Restrukturierungs- und Insolvenzrechtspraxis bei Norton Rose Fulbright in Frankfurt a. M. Sie berät zu allen Bereichen des deutschen und europäischen Insolvenzrechts, häufig mit grenzüberschreitendem Bezug. https://www.nortonrosefulbright.com/de-de/people/138440

 
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