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BB 2019, I
Schnorberger 

Steuerplanung und Steuerpolitik im Post-BEPS-Steuerwettbewerb

Abbildung 1

1981 betrug die (nominelle) Steuerbelastung für Unternehmensgewinne etwa 60 % (OECD Tax Database). Heute beträgt sie für Kapitalgesellschaften knapp 50 % (einschließlich der Einkommensteuer auf ausgeschüttete Gewinnanteile der Gesellschafter), für Personengesellschaften bei gewissen Entnahmen leicht 40 % und mehr. Damals wie heute gehört Deutschland – trotz teilweise mutiger Steuerreformschritte 2000 und 2008 – eher zu den Hoch-Steuerländern (siehe auch Stiftung Familienunternehmen, Internationaler Steuerwettbewerb, erstellt von ZEW, München 2018). Geändert haben sich seit dem ersten sogenannten “Mißbrauchsbekämpfungsgesetz” 1993 (BGBl. I 1993, S. 2310) die Regelungsdichte, Komplexität und Unvorhersehbarkeit des Unternehmenssteuerrechts – nicht zum Positiven. Das OECD/G20 BEPS-Projekt, die begleitende, redundante EU-Rechtssetzung und die zahlreichen nationalen Umsetzungsgesetze überfluten Unternehmen und Berater mit kaum überschaubaren Transparenz-, Berichts- und “Mißbrauchs”-Bekämpfungsregeln. Damals wie heute leistet sich Deutschland den Luxus, Innovationen und F&E als selbstverständlich vorauszusetzen und steuerlich nicht zu fördern. Im Gegenteil, seit 2009 muss man in Deutschland 1,02 Euro investieren, um einen effektiven steuerlichen Abzug der F&E-Kosten von einem Euro zu erhalten, womit Deutschland von F&E abschreckt, anstatt dazu zu ermutigen. Dies, obwohl Sondersteuersätze für IP-Verwertung (IP-Boxen etc.), Super Deductions, F&E-Steueranrechnungssysteme, Tax Holidays und sonstige Vergünstigungen international auch im Post-BEPS-Steuerwettbewerb eher zunehmen als abnehmen. Der Durchschnittssteuersatz für IP-Verwertung in den Ländern mit IP-Boxen liegt unter 10 %, also grob etwa 20–30 Prozentpunkte unter der deutschen Gewinnsteuer für Kapital- oder Personengesellschaften. Dass mit den USA der bei weitem wichtigste Zielstandort deutscher Direktinvestitionen den Satz der Körperschaftsteuer des Bundes auf 21 % und für IP-Verwertungsgewinne auf derzeit 13,125 % reduziert hat, ficht die offizielle deutsche Steuerpolitik nicht an. Für sie gilt nach wie vor: “Das deutsche Unternehmenssteuerrecht und deutsche Unternehmen sind international grundsätzlich wettbewerbsfähig.” (Bundesregierung, BT-Drucksache 19/2088, S. 6). Die – bezeichnenderweise unbezifferte und im Koalitionsvertrag in 2 \2 verschämten Zeilen (Zeile 2673–2676) mehr versteckte als angekündigte – steuerliche F&E-Förderung (aber um Himmels willen nur “für die kleinen und mittleren Unternehmen”) passt ins Bild: Stillstand regiert – garniert mit weiteren Verkomplizierungen und bürokratischen Gängelungen. Im Politiker-Deutsch heißt es “Stabilität”, wenn Zukunft verspielt wird.

Wie reagieren deutsche Unternehmen? Schon jetzt haben sie (sicher auch aus wirtschaftlichen Gründen) große Teile ihrer Entwicklungs- und Innovationsaktivitäten im Ausland angesiedelt. Seit Jahren haben sie deutlich mehr Human- und Sachkapital im Ausland aufgebaut als ausländische Unternehmen im Inland. Eine defizitäre Kapitalbilanz und eine sattsam bekannte “massive private Investitionsschwäche” (Marcel Fratzscher, Welt 2014; ebenso Deutsche Bank Research 2015; Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin/Handelsblatt Research Institute 2014; Institut der deutschen Wirtschaft, IW Analyse Nr. 118, Köln 2017) im Inland sind die Folge. Noch schützt die althergebrachte Zentralisierung geistiger Eigentumsrechte in Deutschland den Fiskus. Im Rahmen des Stammhausmodells ist es nämlich die deutsche Konzernmutter, die Endprodukte an ausländische Vertriebsgesellschaften oder unmittelbar an Kunden fakturiert. Und sie versteuert auch den Löwenanteil der produkt- und technologiebezogenen Wertschöpfung. Ihr Gewinn wird lediglich durch Wareneinkäufe ohne größeren IP-Gehalt oder gar nur durch Entgelte für ausländische Auftragsfertigung geschmälert. Wer aber schon kompetente Ingenieure im Ausland beschäftigt, muss nur noch Budget-, Entscheidungs- und Verwertungskompetenz dorthin verlagern – oder dort deklarieren, wo die Kompetenz schon zu Hause ist: Im Nu ist der Löwenanteil der Wertschöpfung im unternehmensfreundlicheren Ausland zu versteuern. Selbstverständlich bedarf es dazu ggf. betrieblicher Änderungen, und es ist ebenfalls klar, dass sich nicht jedes Geschäftsmodell und jede Branche in gleicher Weise dafür eignet. Wo immer aber neues IP geschaffen wird, beispielsweise in der Automobilindustrie oder in der Spezialchemie, bietet es sich für Unternehmen an, den Hebel umzulegen und dem harschen deutschen Steuerregime (partiell) Tschüss zu sagen. Aus Unternehmenssicht fasziniert diese Perspektive insbesondere deswegen, weil es – gerade nach BEPS und DEMPE – keines PR-schädlichen Big Bangs (etwa einer Fabrikschließung) und keiner IP-Verlagerung ins Ausland bedarf. Es braucht lediglich die präzise steuerliche Abbildung effektiver Wertschöpfung in der internationalen Arbeitsteilung. Ein Unternehmen, das so vorgeht, befolgt gerade das “heiligste Postulat” der globalen Steuerpolitik, also Gewinne dort zu besteuern, wo die Wertschöpfung stattfindet.

Was folgt daraus im Praktischen? Für Unternehmen (die es noch nicht getan haben), konsequenter als bisher die Wertschöpfung dort zu deklarieren, wo sie stattfindet; für die Steuerpolitik, die Steuerbelastung maßvoll zu senken, vor allem aber das Unternehmenssteuerrecht endlich zu entrümpeln und zu modernisieren. Für beide gilt im neuen Jahr: “Besser spät als nie.”

Dipl.-Kfm. Dr. Stephan Schnorberger, M.A. (Economics – USA), ist Steuerberater, Partner und Principal Economist bei Baker McKenzie, Düsseldorf. Sein Arbeitsgebiet ist das internationale Unternehmenssteuerrecht mit Schwerpunkt auf Verrechnungspreise, Business Restructuring und Betriebsstätten.

 
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