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BB 2021, I
Kramarsch 

Wird die Wallstreet grün?

Abbildung 1

Die Verankerung von ESG-Zielen in der Vorstandsvergütung ist Schlussstein eines gesamthaften ESG-Steuerungssystems, das die gesamte Organisation erfasst. Bislang gibt es wenig Erfahrung und daher eine enorme Breite an Ansätzen bei Unternehmen und Investoren.

Ach was war die Welt doch einfach, als Gordon Gecko im Film “Wallstreet” es so schön auf den Punkt brachte: Greed is good. Heute schreibt Larry Fink, CEO des größten institutionellen Investors weltweit mit ca. 18.000 Beteiligungen, regelmäßig Briefe an “seine” CEOs, in denen er Umweltschutz, Maßnahmen zum Klimaschutz und neuerdings Diversität, Talent Strategie und Human Capital Management anspricht. Unzweifelhaft ist das Thema Nachhaltigkeit – verkürzt subsumiert als Umwelt-, Sozial- und Governance-Ziele (ESG) – nachhaltig an den Kapitalmärkten angekommen.

Der verstärkte Fokus auf Nachhaltigkeit wird institutionellen Investoren aus zwei Perspektiven aufgezwungen: Zum einem investiert eine neue Generation ihr Geld anders und mit einem breiteren Zielbündel als nur dem engen Blick auf die Finanzrendite. Zum anderem wird Investoren regulatorisch aufgegeben, ihre Engagements in bestimmten Nachhaltigkeitskategorien zu berichten. Dieser Berichtspflicht können sie überhaupt nur nachkommen, wenn sie ihre Beteiligungsunternehmen zu symmetrischen, sprich vergleichbaren Berichten verpflichten.

Weder institutionelle Investoren noch börsennotierte Unternehmen – von denen es etwa 450 in Deutschland gibt – werden aber gesellschafts- und wirtschaftspolitische Zielsetzungen alleine umsetzen oder initiieren können. Dafür braucht es fortgesetzt die breite gesellschaftliche Diskussion und einen klaren und mehrdimensionalen politischen Gestaltungswillen. Wichtig erscheint bei den berechtigten Ansprüchen von immer mehr Stakeholder-Gruppen, den Fokus auf dem aktienrechtlich gebotenen Unternehmensinteresse nicht aus den Augen zu verlieren. Ansätze, zunehmend auch Kunden, Mitarbeitende, NGOs und sonstige Stakeholder mit deren spezifischer Interessenlage mit Rechten zu verpflichtenden Konsultationen mit der Unternehmensführung oder gar mit Klagerechten auszustatten, gehen dabei vollkommen fehl.

Aktuelle hkp/// group-Analysen der zurückliegenden Hauptversammlungssaison zeigen, dass die Mehrheit der DAX-Unternehmen in der Verankerung von ESG-Zielen in der Unternehmenssteuerung und dem Berichtswesen bereits fortgeschritten ist. Während die großen börsennotierten Unternehmen vor allem an der Qualität der Nachhaltigkeitskriterien, der Verankerung in den Steuerungssystemen wie auch der Kommunikation dazu arbeiten, geht es bei Unternehmen, die weniger im Fokus institutioneller Investoren stehen und über keine Nachhaltigkeitsstäbe verfügen, vielfach noch um die generelle Entscheidungsfindung. Aber auch sie sind zum Handeln gezwungen.

Konsequenterweise werden bei reifen ESG-Steuerungskonzepten materiell relevante ESG-Ziele auch in der Vorstandsvergütung verankert. Davon geht eine interne wie externe Signalwirkung aus. Unternehmensstrategie und -zielsetzungen werden in ihrer operativen Messbarkeit mehrdimensional und damit glaubwürdig.

Die Verankerung von ESG-Zielen in der Vorstandsvergütung ist aber “nur” Schlussstein eines gesamthaften ESG-Steuerungssystems, das die gesamte Organisation erfasst. In diesem Thema gibt es bislang wenig Erfahrung und daher verständlicherweise auch eine enorme Breite an Ansätzen auf Seiten von Unternehmen und Investoren. Vor diesem Hintergrund hat der seit 2018 tätige Arbeitskreis Leitlinien für eine nachhaltige Vorstandsvergütung als hochkarätig besetztes Gremium von Aufsichtsratsvorsitzenden, institutionellen Investoren, Wissenschaftlern und Corporate-Governance-Experten erst kürzlich umfassende Best-Practice-Empfehlungen vorgelegt. Das unter dem Titel “Nachhaltigkeit, ESG-Ziele und deren Verankerung in der Vorstandsvergütung” publizierte White Paper stellt neben einer Einordnung des speziellen Investorenblicks auch den aktuellen Stand der Verknüpfung von ESG und Vorstandsvergütung dar, nicht zuletzt anhand prägnanter Unternehmensbeispiele (s. http://www.leitlinien-vorstandsverguetung.de/).

Die Best-Practice-Empfehlungen des Arbeitskreises sehen dabei u. a. vor, dass die für eine Verankerung im Vergütungssystem gewählten ESG-Ziele unternehmensspezifisch und relevant, mit mindestens 20 Prozent signifikant gewichtet, vorrangig langfristig ausgerichtet, nachvollziehbar messbar und in ihrer Materialität anhand des Geschäftsmodells hergeleitet sein müssen. Die angeführten Kriterien werden im Rahmen des White Papers detailliert erläutert und in den gesetzlichen bzw. regulatorischen Kontext eingeordnet.

Um die in der Überschrift aufgeworfene Frage zu beantworten: Die Wallstreet wird grüner. Es sind wir alle, als Konsumenten und Anleger, die diese Entwicklung treiben. Es ist der politisch gewollte regulatorische Rahmen, der unternehmerische Nachhaltigkeit zunehmend vorgibt. In den Unternehmen dagegen sollten ausschließlich materiell relevante Nachhaltigkeitsziele im Unternehmsinteresse gesteuert, gemessen, berichtet und vergütet werden.

Michael H. Kramarsch ist Managing Partner der auf Performance Management, Vergütung und Talent Management spezialisierten Unternehmensberatung hkp/// group in Frankfurt a. M.

 
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