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BB 2023, I
Mayr 

Österreichisches BMF: (Keine) Homeoffice-Betriebsstätte einer geschäftsleitenden Holding

Abbildung 1

Noch offene Fragen zur Homeoffice-Betriebsstätte bedürfen dringend einer Klärung auf internationaler Ebene.

Beschleunigt durch die COVID-19-Pandemie hat das Homeoffice einen neuen Stellenwert erlangt und begleitet seither unseren Arbeitsalltag. Innerstaatlich hat auch der österreichische Gesetzgeber für diese geänderten Arbeitsrealitäten den rechtlichen Rahmen angepasst und auch steuerrechtliche Maßnahmen vorgesehen wie etwa eine steuerfreie Homeoffice-Pauschale für Nichtselbständige oder pauschalierte Betriebsausgaben (= Arbeitsplatzpauschale) für Selbständige (vgl. z. B. Mayr, RdW 2022, 51). Scheint damit das Homeoffice innerstaatlich steuerrechtlich gut verankert, wirft es bei grenzüberschreitender Tätigkeit heikle zwischenstaatliche Fragestellungen auf: Dies betrifft zunächst die Besteuerung der Arbeitnehmer selbst; dabei sind – außerhalb einer etwaigen Grenzgängerregelung (wie z. B. Art. 15 Abs. 6 DBA Österreich-Deutschland) – die Tage im Homeoffice grundsätzlich dem Ansässigkeitsstaat zuzuordnen.

Steuerrechtlich schwingt für Unternehmen mit grenzüberschreitend tätigen Arbeitnehmern vor allem das Risiko der Homeoffice-Betriebsstätte mit. Unternehmensvertreter in Deutschland wie in Österreich berichten gleichermaßen, dass ihre Unternehmen im Lichte dieses Risikos den Arbeitnehmern nur sehr eingeschränkt die Nutzung eines “grenzüberschreitenden Homeoffice” erlauben. Dies sorgt für Unmut – weshalb sich zuletzt auch die Anfragen an das österreichische BMF gehäuft haben. Die Beantwortung solcher Anfragen im zwischenstaatlichen Kontext von nur einer Finanzverwaltung erfordert ein besonderes Maß an Sensibilität, weil sie auch auf andere Staaten ausstrahlt. In diesem Sinne beantwortet das österreichische BMF nunmehr die Frage der Homeoffice-Betriebsstätte einer geschäftsleitenden (deutschen) Holding im Rahmen des Express Antwort Service (EAS vom 7.7.2023 – EAS 3445, GZ 2023-0.082.774; EAS sind verallgemeinerte Einzelauskünfte des österreichischen BMF zum zwischenstaatlichen Steuerrecht).

Übt eine in Österreich ansässige, im Rechnungswesen beschäftigte Mitarbeiterin einer in Deutschland ansässigen geschäftsleitenden Holding-AG ihre Tätigkeit dauerhaft drei Tage die Woche in den Räumlichkeiten der AG in Deutschland und zwei Tage die Woche in ihrer Privatwohnung (Homeoffice) in Österreich aus, stellt sich die Frage, ob die Holding-AG in dieser Konstellation in Österreich eine Betriebsstätte gemäß Art. 5 Abs. 1 DBA-Deutschland begründet.

Die EAS 3445 spannt bei der Beantwortung zunächst den Bogen zum OECD-Musterkommentar (OECD-MK): Gegen das Vorliegen einer Betriebsstätte spräche jedenfalls, wenn die Tätigkeit lediglich sporadisch oder gelegentlich im Homeoffice ausgeübt oder sie eine Hilfstätigkeit darstellen würde (OECD-MK Art. 5, Z 18). Bei einer Nutzung des Homeoffice an zwei Tagen pro Woche könne nicht von einer bloß gelegentlichen Nutzung ausgegangen werden (österreichische VPR 2021, Rn. 262). Darüber hinaus könne eine Tätigkeit nur dann als bloße Hilfstätigkeit im Sinne des Art. 5 Abs. 4 DBA-Deutschland angesehen werden, wenn sie nicht das Kerngeschäft der Gesellschaft bilde. Im Falle einer Tätigkeit im Rechnungswesen bei einer geschäftsleitenden Holding, die selbst keine Tätigkeiten im operativen Kerngeschäft des Konzerns (insb. keine Forschung und Entwicklung, keine Produktion, keinen Vertrieb etc.), wohl aber die für geschäftsleitende Holdinggesellschaften übliche Vielzahl typischer Zentraldienstleistungen (z. B. Rechnungswesen, Legal, IT, Personal etc.) gegenüber verbundenen Unternehmen erbringt, wäre eine Hilfstätigkeit zu verneinen (EAS 3432 mit Verweis auf OECD-MK Art. 5, Z 61).

Nach der EAS 3445 kann durch die Tätigkeit im Homeoffice nach der geltenden österreichischen Verwaltungspraxis grundsätzlich eine faktische Verfügungsmacht über eine inländische feste örtliche Einrichtung begründet werden (wie zuletzt EAS 3415). Auf Grundlage des OECD-MK in der geltenden Fassung 2017 wäre aber eine solche Verfügungsmacht grundsätzlich zu verneinen, wenn der Arbeitgeber vom Mitarbeiter die Tätigkeit im Homeoffice nicht verlange, indem er dem Mitarbeiter einen Arbeitsplatz zur ständigen Benutzung zur Verfügung stelle und dieser auch tatsächlich genutzt werde (OECD-MK Art. 5, Rn. 18 f.). Bei einer Tätigkeit von drei Tagen pro Woche an einem ständig zur Verfügung stehenden eigenen Arbeitsplatz beim Arbeitgeber geht das österreichische BMF davon aus, “dass der Arbeitgeber das Arbeiten im Homeoffice nicht verlangt und daher keine faktische Verfügungsmacht über das Homeoffice vorliegt. Somit wird keine Betriebsstätte gemäß Art. 5 Abs. 1 DBA-Deutschland begründet.”

Abschließend hält es die EAS 3445 im Lichte des OECD-MK aber für offen, ob das Kriterium des “Nicht-Verlangens” bei Führungspersonal oder leitenden Angestellten (wie etwa bei Finanzvorständen) gleichermaßen gegen die Begründung einer Betriebsstätte spreche. Daher sei diese Frage aus heutiger Sicht auf internationaler Ebene noch ungeklärt. Dass die Homeoffice-Tätigkeit auf Wunsch der Mitarbeiterin erfolge, sei für sich allein für die Beurteilung einer Betriebsstätte nicht maßgeblich.

Zusammengefasst betont das österreichische BMF daher die Relevanz der “faktischen Verfügungsmacht” und verneint eine solche, wenn der Arbeitgeber dem Mitarbeiter einen Arbeitsplatz zur ständigen Benutzung zur Verfügung stellt und dieser auch tatsächlich genutzt wird. Beim Führungspersonal oder bei leitenden Angestellten bleiben die Aussagen aber vage: Während die deutsche Bundesregierung hier ein “erhöhtes Risiko für die Annahme einer Betriebsstätte” ausmacht (BT-Drs. 20/3006, Antwort 17), hält das österreichische BMF die Frage für international ungeklärt. Selbst wollte man hier feine Unterschiede heraushören, den Betroffenen hilft keine der beiden Antworten wirklich weiter. Umso dringender scheint es geboten, die noch offenen Fragen zur Homeoffice-Betriebsstätte auf internationaler Ebene zu klären.

Prof. Dr. Gunter Mayr leitet die Steuerabteilung (Steuerpolitik und Steuerrecht) im Bundesministerium für Finanzen/Wien; er hat sich an der Universität Innsbruck habilitiert und lehrt an der Universität Wien (Juridicum).

 
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